Martial 3,32

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Re: Martial 3,32

Beitragvon cometes » Di 13. Mär 2018, 14:14

Selinger schließt sich in der zitierten Übersetzung Ekkehard Weber an, für den die Inschrift - im Gegensatz zu der gewöhnlichen Ansicht, dass sie fehlerhaft sei - kein Problem darstelle, deute man sie im Sinne von "ich habe aus seinen (das heißt des Verstorbenen) Mitteln (das Grabmal) errichtet". Eine nähere Begründung bleibt er schuldig, also auch dafür, warum hier de suo nicht reflexiv aufzufassen wäre.

Im Carnuntum Jahrbuch (1960) S. 85 heißt es dazu:

Zu beachten ist in Z. 5/6 die Formulierung de suo feci statt de suo fecit oder de meo feci — also die Verbindung der dritten Person des Possessivpronomens mit der ersten des Verbums. Dieser Gebrauch von suus findet sich „am häufigsten in erstarrten Formeln" und eignet dem späteren Latein. Ein ähnliches Beispiel aus den Inschriften liegt in CIL III 4582 Z. 6 ff. (Vösendorf; Territorium von Vindobona) vor : Apia Cuma patri suo et fratri posui.


In den aktuellen epigraphischen Datenbanken findet man allerdings in diesem und ähnlichen Fällen meist die Ergänzung der Verbform zur 3. Person.

Eingehend behandelt den nicht reflexiven Gebrauch von suus Tommaso Mari in Third person possessives from early Latin to late Latin and Romance, in J. Adams and N. Vincent (eds.), Early and Late Latin: Continuity or Change?, Cambridge 2016, 47-68.

Man könnte noch der Frage nachgehen, wie üblich es in der Epoche war, auf einem Grabstein mitzuteilen, dass man dafür das Geld des Toten ausgegeben hat.
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Re: Martial 3,32

Beitragvon Lychnobius » Di 13. Mär 2018, 14:33

Ein fehlendes T am Ende von fecit lässt sich auch mit der Apokopierung der Personalendung im gesprochenen Latein ("Vulgärlatein") erklären.

Um noch einmal auf das Epigramm zurückzukommen (denn die diskutierte Inschrift sollte ja dazu dienen, die Annahme zu entkräften, es handele sich bei futuere um einen Ausdruck des vulgär-obszönen Sprachregisters und illes Ergänzung sei dem Text nicht angemessen): Das Gedicht eröffnet mit einer Echofrage, der Sprecher wiederholt eine Äußerung der angesprochenen Matrinia. Es wäre also nicht allein zu klären, in welchem kommunikativen Rahmen ein Wort wie futuere verwendet wurde, sondern auch, ob es zulässig (oder gar üblich) war, dass Frauen sich desselben bedienten.
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Re: Martial 3,32

Beitragvon cometes » Di 13. Mär 2018, 15:00

An den Wänden von Pompeji stellt der Gebrauch des Wortes aus Frauenperspektive jedenfalls kein Problem dar - da findet sich durchaus explizites "Fickerlob" (Felix bene futuis, Fututa sum hic et cetera). Um die im Epigramm relevante Kommunikationssituation zu ermitteln, muss man, denke ich, auch berücksichtigen, dass es der sogenannten Vetulaskoptik zuzurechnen ist. Bei der Inszenierung der abstoßenden alten Frau kennen die römischen Dichter kein Pardon. Sie wird ebenso hässlich wie sexuell unersättlich und unbefriedigt geschildert, dazu passte folglich auch, dass sie sich einer ohnehin nur angedeuteten vulgären Sprache bedient.
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Re: Martial 3,32

Beitragvon Lychnobius » Di 13. Mär 2018, 15:30

Bene fecisti.
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Re: Martial 3,32

Beitragvon ille ego qui » Di 13. Mär 2018, 21:43

sondern auch, ob es zulässig (oder gar üblich) war, dass Frauen sich desselben bedienten


Immerhin ist sie dezent genug, das Wort in der Ellipse verschwinden zu lassen :-D
Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
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ut quamvis avido parerent arva colono,
gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis
arma virumque cano ...
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Re: Martial 3,32

Beitragvon consus » Mi 14. Mär 2018, 12:30

Vielleicht ist noch zur Erinnerung nützlich der Hinweis auf ein Buch, das Apollodorus und Cometes hier im Forum 2005 bzw. 2014 erwähnten:
J. N. Adams, The Latin Sexual Vocabulary, Baltimore 1982. Teilweise im Netz zugänglich.
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