lateinische Grammatik

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lateinische Grammatik

Beitragvon medicus » Sa 17. Mär 2018, 07:36

Salvete collegae doctissimi,
heute treibt mich eine andere Frage um, und zwar: " Aus welcher Zeit stammen die lateinischen Grammatikbegriffe wie wir sie heute lernen und lehren. Ich meine damit die Ausdrücke wie Deklination, Konjugation, Genus verbi et cetera und auch die entsprechenden Regeln? Meine Suche in Netz war leider erfolglos. :book:
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon medicus » So 18. Mär 2018, 15:38

Inzwischen hab ich doch was gefunden. Kann man dem zustimmen?

Viele wesentliche Züge der sogenannten traditionellen lateinischen Grammatik gehen nicht auf die antike Grammatik zurück, sondern haben ihren Ursprung im 18. Jahrhundert und entfalten und etablieren sich erst im 19. Jahrhundert; :book:
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon Prudentius » So 18. Mär 2018, 16:27

"Viele" ist dehnbar, aber die l. Grammatikterminologie lehnt sich an die gr. an, "accusativus" an aitiatike, von aitiaomai anklagen, beschuldigen; "dativus" an dotike; "casus" an ptosis Fall; Subjekt an hypokeimenon, Objekt an antikeimenon; Substantiv von Substanz, hypostasis.

Man kann wohl so sagen, der Grundbestand ist antik, später kam einiges hinzu.

Manche Grammatiktermini haben es zu großer geistesgeschichtlicher Bedeutung gebracht: Subjekt und Objekt, Substanz und Kausalität ...

Die erste terminologische Unterscheidung findet man vllt. bei Platon: Unterscheidung von onoma und rhema, nomen und verbum, da fängt die Liste der Wortarten und der Satzteile an.
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon medicus » So 18. Mär 2018, 16:54

Danke Prudentius für deine Erklärungen. Haben die Schüler in der Antike bereits konjugieren und deklinieren gelernt?
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon consus » So 18. Mär 2018, 21:57

Nescio an tibi, o MEDICE, placeat etiam id quod scripsit Aelius Donatus.
:book:
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon medicus » So 18. Mär 2018, 22:22

Gratias ago, CONSE optime, quod legi, valde placet. Bild
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon Prudentius » Mo 19. Mär 2018, 17:56

Donatus enthält nur die Formenlehre, Syntax fehlt vollkommen, unter "partes orationis" würden wir auch Subjekt und Prädikat verstehen; die ganze funktionale Seite der Grammatik fehlt: Kongruenz und Kasusrektion, die Doppelbindung von S-P als Satzkern, das Prädikat als zentrale Schaltstelle des Satzes.

Das Konjugieren und Deklinieren haben wohl die antiken Schüler nicht so nötig gehabt, aber das macht noch nicht die Grammatik aus.
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon ille ego qui » Mo 19. Mär 2018, 18:16

Prudentius hat geschrieben:die ganze funktionale Seite der Grammatik fehlt: Kongruenz und Kasusrektion, ...


Zumindest meine ich mich zu erinnern aus einer der beiden Artes des Donat die Wendung "alicui casui servire" geschöpft zu haben (merkwürdig: genau die gegenteilige Vorstellung zu unserem "regieren"). Doleo, quod locum in promptu non habeo.

valea(ti)s! :-)
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon consus » Mo 19. Mär 2018, 19:07

ille ego qui scripsit / hat geschrieben:... Doleo, quod locum in promptu non habeo...

Inspice modo, amice, Aelii Donati* de partibus orationis artem minorem et reperies praeter multos alios hunc locum:
super quam vim habet? ubi locum significat, magis accusativo casui servit quam ablativo; ubi mentionem alicuius facimus, ablativo tantum, ut "multa super Priamo rogitans"

_____________________________________
* Cf. id quod hoc in foro heri Medico nostro scripsi.
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon ille ego qui » Mo 19. Mär 2018, 21:58

rem, ut soles, acu tetigisti, mi optime Conse!
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon marcus03 » Sa 31. Mär 2018, 11:19

Wenn man vom Verb aitiaomai (anklagen) ableitet, kommt man zu accusare und damit zum Akkusativ.
Was spricht dagegen?

Warum sollte der eine Terminus sinnvoller sein als der andere? Die Terminlogie scheint ohnehin willkürlich zu sein.
Genauso gut könnte man irgendein anderes Verb zur Begriffsbildung hernehmen, das den Akkusativ verlangt (Amativ, Emptitiv, ...)
Der Begriff "Kausativ" ist zudem bekanntlich anderweitig besetzt.
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 31. Mär 2018, 12:16

Ailourophilos hat geschrieben:Ein Curiosum ist die Tatsache, dass der (casus) accusativus eine der Jura-Vorliebe der Römer geschuldete falsche Übersetzung ist, da mit αἰτιατικὴ (πτῶσις) eher der "Veranlassungsfall" gemeint war als der "Anklagefall". Richtiger könnte man heute vom (casus) causativus/Kausativ sprechen.

Karin Bausewein schreibt auf Seite 6 ihrer Abhandlung über den Akkusativ (https://tinyurl.com/y7drxwua) folgendes:

Unbenannt.JPG


Priscianus sollte man bei diesem Thema nicht vergessen.
Zur weiteren Info:
http://htl2.linguist.jussieu.fr:8080/CGL/index.jsp
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon Laptop » Mi 11. Jul 2018, 06:55

marcus03 hat ja eine konkrete Frage gestellt. Eine Antwort habe ich hier gefunden.
Bild αἰτία mit seiner Zweideutigkeit von "Ursache" als auch "Vorwurf" sei das Problem gewesen. Und
Allerdings handelt es sich dabei ursprünglich um einen Übersetzungsfehler: Remminius Palaemon gab bei seiner Übertragung der Grammatik des Dionysios Thrax den griechischen ‘Verursachungsfall’ (aitiatike) fälschlich mit ‘Anklagefall’ wieder.
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon marcus03 » Mi 11. Jul 2018, 09:28

Vielen Dank.
Zusatzfrage:
Wie sieht das Ganze beim Dativ, Genitiv und Ablativ aus? Was sagen antike Autoren dazu?
Wie lauten die relevanten Stellen dazu. Wie wurden sie rezipiert?

Gratias praemitto multas.
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Re: lateinische Grammatik

Beitragvon Laptop » Mi 11. Jul 2018, 21:50

Mit der Entstehungsgeschichte der gram. Termini habe ich mich nicht so intensiv befasst, obwohl mich das Thema schon sehr interessiert. Vielleicht können die andern dazu etwas beitragen?
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