Errare Humanum Est

Für alle Fragen rund um Latein in der Schule und im Alltag

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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon medicus » Sa 4. Mai 2019, 08:21

Zythophilus hat geschrieben: nicht genug Unterrichtszeit vorhanden ist.

In meiner Schulzeit gab es täglich Latein einschließlich Samstags. :hammer:
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon marcus03 » Sa 4. Mai 2019, 08:52

medicus hat geschrieben:täglich Latein einschließlich Samstags

Zu meiner Zeit war die Lateinstunde am Samstag sogar 60-minütig wie alle anderen Stunden auch. Dafür war eher Schluss. Ich glaube, immer nach der 4.Stunde.
Die 5-Tage-Woche wurde an vielen Gymnasien in Bayern erst Mitte der 70er eingeführt.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 4. Mai 2019, 09:30

In meiner Zeit gab es den Samstag nicht mehr, aber wir hatten in den ersten Lateinjahren 5 Stunden pro Woche, ab der 9. waren es dann 4/Woche. Die Interessierten nahmen dann später, wie ich, den LK Latein mit 6 Stunden pro Woche in der 12. und 13. Zeit war genügend vorhanden, dennoch wurden nicht gerade revolutionierende Methoden * ausprobiert. Wir hatten aber viel mehr Originallektüre antiker Autoren als heute meine Kinder. Ich möchte damit sagen, dass ein mehr an Zeit nicht zwangsläufig die Methoden verändert und aus den Schülern sprechende Lateiner macht, was auch nicht dringend nötig ist.

* Ich weiß nur noch als Highlights, dass wir als Lektüre Asterix, Gallus hatten und unser LK Lateinlehrer 1h pro Woche mit uns Lateinisch sprach.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Zythophilus » Sa 4. Mai 2019, 10:49

Ich kann auch nicht sagen, wann im normalen Schulunterricht noch auf aktive Sprachbeherrschung in Latein abgezielt wurde. Das mittlerweile lange aus den Schulen verschwundene Elementarlehrbuch Liber Latinus bot im Übungsteil auch deutsche Sätze, die unter Verwendung der Grammatik des aktuellen Kapitels ins Lateinische zu übersetzen waren. Wie intensiv bzw. ob das überhaupt gemacht wurde, hing sicher vom jeweiligen Lehrer ab. In den frühen Achzigerjahren gab es also noch einen gewissen Rest, auf dem ein Programm für den aktiven Spracherwerb aufbauen hätte können. Spätestens ab dem Beginn der Autorenlektüre, damals zuerst Caesar, dann Ovids Metamorphosen, gab es nicht einmal mehr diese Möglichkeit.

Der Zweck des Lateinunterrichts ist es derzeit sicher nicht, Latein sprechen zu lernen, wie Marcus03 richtig bemerkt. Das kann man bedauern, ich weiß jedoch nicht, wie es zu ändern wäre: Die Politik, die das entscheiden müsste, hat kein Interesse daran: Rechte und Konservative haben eher noch Interesse am Erhalt des Lateinunterrichts, aber nicht an solchen "verschrobenen" Details, die sie ihrer Wählerschaft kaum verkaufen können. Für viele Linke ist Latein auch in der aktuellen Form zu elitär.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon medicus » Sa 4. Mai 2019, 13:02

Zythophilus hat geschrieben: Für viele Linke ist Latein auch in der aktuellen Form zu elitär.


Kann man daraus den Schluss ziehen, dass Lateinlehrer eher Rechte sind? :roll:
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon marcus03 » Sa 4. Mai 2019, 13:05

Es soll auch unter ihnen richtig "linke Typen" geben. ;-)
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon medicus » Sa 4. Mai 2019, 13:24

Responsum marci03 iocantis quasi "corporaret" et viveret! :lol:
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Zythophilus » Sa 4. Mai 2019, 14:07

Ich vermute, dass Lateinlehrer im Durchschnitt eher konservativ eingestellt, sind; wenn sie sich politisch links einordnen, dann teilen sie die Meinung, dass Latein zu elitär ist, wohl nicht, es sei denn, sie leben mit einer gewissen Schizophrenie.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Laptop » Sa 4. Mai 2019, 18:24

Naja, ich sage mal Problem ist nicht so sehr, daß nicht die aktive Sprechkompetenz verfolgt wird, sondern daß auf Lautung (Laute, Hören, Klang) an sich kaum Wert gelegt wird. Denn die Lautung ist auch für die Lesekompetenz wesentlich! Ich lese Texte immer mit einer Stimme im Kopf, und die Stimme braucht das Wissen um den Klang, sonst stockt sie und erfindet sich Klänge. Als ich zur Schule ging wurde auf Lautung nur insofern Wert gelegt als daß die Schüler vorlesen mußten, was dann naturgemäß ziemlich falsch war. Es wurde zwar auch korrigiert, aber vornehmlich gehört und gemerkt hat man sich das was die Mitschüler so vorbrachten! Wir kennen das Phänomen daß wir uns einen pinken Elephanten vorstellen, selbst wenn man sagt "Das ist kein pinker Elephant". So hält das Gedächtnis an dem fest was es von seinen Mitschülern hört, auch wenn es vom Lehrer verneint wird. Jedenfalls ist Lautung grundlegender als aktive Sprechkompetenz, denn man braucht sie auch für passive Kompetenz:
- für die Stimme im Kopf, die das Lesen erst sicher und schnell macht
- für das Memorieren an und für sich, denn die meisten sind auditiver Lerntyp
- fürs Skandieren (worauf ja dann wieder SEHR viel Wert gelegt wird im Lateinunterricht.)
- für das Unterscheiden von Homographen
usw. Hat man die Lautung drauf, folgt alles andre wie von selbst. Leider ein anscheinend gemeiniglich unentdecktes Geheimnis, wenn man mal zählt in welchem Verhältnis lateinische Medien kursieren die korrektes Audio bieten, das sind sehr wenige! Das Lehren von Latein als graphische Sprache ist das Problem. Ein so offensichtlicher Fehler, daß er schon das Wort "Sprache" pervertiert...
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Laptop » Mo 13. Mai 2019, 10:40

Ich sehe gerade, daß Stomachatus das im Prinzip schon gesagt hat. Wie auch immer, dann habe ich es eben nochmal gesagt. Sich auf Nebenschauplätzen zu unterhalten, wie die Zahl der Unterrichtsstunden oder die Größe der Schulklassen, ist eine dumme Ablenkung, weil man die grundsätzlichen Probleme nicht betrachten und ansprechen will. Wenn die Schulklassen nur halb so groß sind und doppel soviele Unterrichtsstunden pro Woche haben, lernen sie dann besser Latein? Wo sie es nach 8 Jahren noch keinen Deut können? Der Geadanke "viel hilft viel" führt dazu, daß man Debatten um Quantitäten statt Qualitäten führt. Ich glaube es geht auch gar nicht darum, daß viel gelernt wird. Man traut sich nicht das Unterrichtsfach Latein abzuschaffen, und läßt es deshalb vor sich hinplätschern, und der Hahn wird bloß ein Stück weiter zu gedreht.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 13. Mai 2019, 12:58

Ich bin auch überzeugt, dass weniger Stunden nicht unbedingt schlechter sind. Das Hauptproblem ist die langsame Änderung von Lehrplänen, die vom Ministerium diktiert werden. Was nützt es, wenn die Kinder Differentialrechnung lernen, aber nicht mal die Mehrwertsteuer eines Produktes berechnen können?
Ebenfalls moniere ich die zunehmend schlechte Qualität der Lateinlehrer, die erst in das Fach gepuscht wurden wegen angeblicher guter Aussichten...
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Mai 2019, 15:40

Medicus domesticus hat geschrieben:Das Hauptproblem ist die langsame Änderung von Lehrplänen,

Was kann man da groß ändern, wenn ein bestimmter Mindeststoff vermittelt werden soll?
Ist nicht schon viel gestrichen worden, was man früher noch lernen musste. Auch der Wortschatz wurde ziemlich eindampft und auf ein Minimum reduziert. Zudem darf man in der Oberstufe Wörterbücher benutzen.
Jede Stunde weniger ist v.a. eine Stunde weniger zum Üben.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 13. Mai 2019, 16:16

Ich weiß nicht, wieviel Ahnung du im Lateinunterricht der heutigen Zeit hast, aber die Campus-Serie ist eben nicht gerade massiv abgespeckt, wie du dir denkst. Wörterbücher durften wir auch schon ab 10. Klasse benutzen. Mein zweiter Sohn macht gerade Abitur und noch habe ich eine Tochter mit 15 im Lateinunterricht. Es geht nicht um die Stundenzahl alleine, sondern mit welcher Methode unterrichtet wird. Wir hatten viel Zeit, aber wurde mit der ursprünglichen Methode wirklich in dem Sinne mehr gelehrt? Das ist doch die Frage.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon marcus03 » Mo 13. Mai 2019, 16:45

Ich denke z.B. an unsere Grammatik (Landgraf-Leitschuh). Die war um einiges dicker als die heutigen.
Negativ war, dass vieles einfach gepaukt wurde und eine lebendige Beziehung zur Sprache kaum entstand, von Freude ganz schweigen bei der Mehrheit. Latein war immer eine künstliche Sprache, von der man sich kaum vorstellen konnte, dass sie wirklich gesprochen wurde.
Zum richtigen Üben fehlte auch damals oft die Zeit. Viele hatten Angst vor Latein v.a. bei den Lehrern, die uns richtig drillten ("die Stammformen muss man im Schlaf auf sagen können" etc.). Man hats zwar gelernt, aber Spaß machte es selten. Die älteren Lehrer waren fast alle gefürchtet und keine guten Pädagogen, um es vorsichtig auszudrücken.
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Re: Errare Humanum Est

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 13. Mai 2019, 16:53

Das ist genau, was ich meine. Ich persönlich hatte damals mit den Lateinlehrern relativ Glück, andere hatten in Parallelklassen Pech. Im Leistungskurs Latein hatte ich auch wieder Glück, das Vorjahr wieder einen unmöglichen Pauker. Die Zeit sagt nichts alleine, sondern die Methode. Meine Kids hatten ab der 6. Klasse Latein, das sind immerhin, wenn man sie bis zum Schluss nimmt, 7 Jahre. Ist das zu wenig für eine Sprache?
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