corpus, anima, spiritus.

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corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Laptop » Fr 31. Mai 2019, 21:02

Hallo verehrte bibelfeste Kollegen! im Thessalonischen Brief 5.23 steht:
ipse autem Deus pacis sanctificet vos per omnia et integer spiritus vester et anima et corpus sine querella in adventu Domini nostri Iesu Christi servetur
Einfache Frage, was ist der Unterschied zw. Spiritus und Anima? Welches von beiden ist im kirchlichen Sinne die unsterbliche Seele? So wie ich es verstanden habe, meint man mit Spiritus eher die Vernunft/Verstand, und mit Anima entweder ganz säkular das Gemüt oder, kirchlich betrachtet, die unsterbliche Seele. Wikipedia verwirrt micht nur, weil es "Geist" als Übersetzung von sowohl anima als auch spiritus zulässt:
Geist (altgriechisch πνεῦμα pneuma,[1] altgriechisch νοῦς nous[2] und auch altgriechisch ψυχή psyche,[3] lat. spiritus,[4] mens[5], animus bzw. anima,[6]


Nun heisst es in diesem Video ,
https://www.youtube.com/watch?v=r1CELOc ... e=youtu.be
daß die "Seele" (Übersetzung von lat. anima) sowas wie unsere Persönlichkeit sei, als die gesamte Psyche mit Wille, Verstand, Gefühl, Gewissen usw. Und daß der Geist der Teil von uns ist, mit dem Gott kommuniziert. Irgendwie kommt mir die Interpretation in dem Video falsch vor, oder irre ich? Ist nicht die Seele das was mit Gott kommuniziert?
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon marcus03 » Sa 1. Jun 2019, 08:47

Welches von beiden ist im kirchlichen Sinne die unsterbliche Seele?


anima
vgl:
https://www.augustinus.it/latino/anima_ ... index2.htm
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Laptop » Sa 1. Jun 2019, 15:13

Und was ist Spiritus im kirchlichen Sinne? Hat ein Ungläubiger Mensch auch Spiritus? Falls nein, ist das eine Art Überzeugung?

Was mich verwirrt ist , dass anima "Hauch" bedeutet, und spiritus = gr. pneuma = heb. ruach ebenfalls soviel wie Wind, Hauch. Wurde da etwas ausdifferenziert womit man ursprünlich dasselbe meinte?
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon marcus03 » Sa 1. Jun 2019, 15:30

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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Laptop » So 2. Jun 2019, 03:11

Danke, das ist hilfreich. Vor allem der Vortrag von Bibelexperte Wolfgang Einert über "Geist".
Dort sagt er:
Jesus nennt das anders, in Joh. Kap. 6, da hat er in der Synagoge von Kapernaum
gesprochen ... und da frag ich mich manchmal, die da gesessen haben, ob die das verstanden
haben ... weil wir heute solche Mühe haben. Entweder waren die besser als wir, oder sie
haben es nicht verstanden und haben es nicht gemerkt ... kann ja auch sein.
Besagte Bibelstelle lautet
Der Geist ist es, der lebend macht. Das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch
geredet habe, sind Geist und sind Leben.

D. h. selbst absolute Bibelexperten wissen nicht genau was das mit dem Pneuma soll. :shock:

Was ich jetzt aber vor allem wissen muss ist: Welcher Teils des menschlichen Wesens ist nun unsterblich und wandert zu Gott? Ich dachte immer die Seele. Aber anscheinend ist es der Geist? Siehe Bild
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon marcus03 » So 2. Jun 2019, 07:04

Laptop hat geschrieben:Welcher Teils des menschlichen Wesens ist nun unsterblich und wandert zu Gott?

Es gibt auch den Begriff der Geistseele.
Ich denke, eine klare Trennung ist schwierig.
Was Geist únd Seele letztlich sind, lässt sich nicht "konkretisieren". In modernen Weltbild sind sie kaum noch vermittelbar. Man wird auf weitere Ergebnisse in der Gehirnforschung warten müssen.

vgl:
https://timms.uni-tuebingen.de/tp/UT_20 ... lanth_0001

http://www.kathpedia.com/index.php/Seele
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Prudentius » So 2. Jun 2019, 15:40

Man wird auf weitere Ergebnisse in der Gehirnforschung warten müssen.


Marce, ich glaub da kommt nichts, da kann nichts kommen, man kommt nur bis zu den Synapsen und ihren Klicks; diese bilden Kombinationsmuster, und denen werden unbewusst Bedeutungen zugeordnet; aber wie, das geht bei jedem indiduell zu; alle sind inkompatibel zu anderen - Got sei Dank, sonst wären ja alle Menschen identisch!
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Laptop » Mo 3. Jun 2019, 03:49

Also eigentlich ist meine Frage doch so konkret wie eine Frage nur konkret sein kann :-) Aber ok, ich habe einen sehr guten Artikel darüber gefunden. [https://www.bibelstudien-institut.de/fileadmin/bibelstudien-institut.de/downloads/Ausarbeitungen/Unsterblichkeit_der_Seele_oder_Auferstehung.pdf]. Demnach taucht der Begriff unsterbliche Seele oder Unsterblichkeit der Seele in der Bibel nicht ein einziges Mal auf. Diese Vorstellung stammt aus der griechischen Seelenlehre sprich aus der platonischen Philosophie, galt vorerst als unchristlich, irrig und heidnisch und wurde erst spät zum kirchlichen Dogma, nämlich im 5. Laterankonzil 1515. Martin Luther wetterte dagegen. Thomas von Aquin war maßgeblich für diese (irrige) Lehre verantwortlich .. Kurz gesagt, es ist eine aus Wunschdenken (ach wär das nicht schön!) heraus entstanden heidnische Vorstellung die ins Kirchendogma integriert wurde.

Ich habe mit Theologie eigentlich nichts zu tun, das ist mir alles fremd und teilweise befremdlich. Aber ich bewundere die Akribie, die Sorgfalt, Genauigkeit und Klarheit und Nicht-Abgehobenheit mit der Bibelforschung betrieben wird. Davon könnte sich die Altphilologie manches Mal eine Scheibe abschneiden.
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Prudentius » Mo 3. Jun 2019, 17:40

Einfache Frage, was ist der Unterschied zw. Spiritus und Anima? Welches von beiden ist im kirchlichen Sinne die unsterbliche Seele?


Deine einfache Frage ist nicht so einfach zu beantworten :-D , "unsterbliche Seele" gehört eigentlich nicht zur christlichen Lehre, sondern "Auferstehung von den Toten", resurrectio mortuorum, anastasis, wie es im Credo heißt; das ist nicht ganz dasselbe; Thomas v. A. war ja Aristoteliker; Platon ließ die Frage offen, setzt aber manchmal die Unsterblichkeit voraus; bei den Griechen und Juden gab es wohl diesen Glauben noch nicht, er drang aber vom Orient her ein; es gab schon die "Mysterienreligionen".

... integer spiritus vester et anima et corpus ...


Bei der Unterscheidung von anima und spiritus geht es nicht bloß um die richtige Übersetzung, sondern da muss man wohl erst einen Verständnishorizont suchen, in dem man diese Begriffe einordnen kann.

In diesem Zitat aus dem Thess. ist eine Stufenleiter abwärts gegeben, spiritus - anima - corpus, diese Einteilung geht auf den Gnostizismus (oder Gnosis) zurück; danach ist spiritus/pneuma der Teil der Seele, der göttlichen Ursprungs ist, vom "göttlichen Funken" wird gesprochen, der aus dem Götterhimmel in die böse Welt hineingeworfen ist (am besten liest du dich etwas ein unter "Gnosis", ich kann ja nur Andeutungen machen). Die Kirche hat die Einteilung teilweise übernommen, sie hat ja auch die "Geistlichen", das sind Menschen, die sich ganz dem pneuma verschrieben haben, deshalb haben sie auch den Zölibat, weil sie den ganzen sinnlichen Bereich hinter sich lassen, und sie sind auch schwarz gekleidet, weil die Seele trauert, dass sie von ihrem ersehnten Ziel fern ist.
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Laptop » Di 4. Jun 2019, 01:00

Ja, so habe ich es bisher auch gelesen. Vor allem gefällt mir Deine Hilfsübersetzung "göttlicher Funke", das bleibt gut im Gedächtnis haften. Ansonsten ist der spiritus wohl mit der am schwierigsten zu verstehende Begriff in der kirchlichen Lehre. Kleine Kinder werden getauft und bekennen ihren Glauben zum "Heiligen Geist" obwohl sie gar nicht wissen was das ist. Wie auch, wenn es selbst die Erwachsenen nicht wissen. Aber gut, das ist ein andres Thema. Ich frage mich was wohl uns geistig-überlegene Zivilisationen sagen würden zu diesem Dogma. Vielleicht würden sie sagen "zu unspezifisch". Denn je unspezifischer ich etwas behaupte, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit das "es" (etwas) passiert oder existiert.
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Prudentius » Mi 5. Jun 2019, 17:44

... Wie auch, wenn es selbst die Erwachsenen nicht wissen.


Immerhin kennt man "die 7 Gaben des Hl.Geistes", Weisheit, Erkenntnis, Einsicht, Rat, Stärke, ...

Laptop, so schwer ist es gar nicht, den Geist zu verstehen, man muss sich nur über die Hintergründe klar werden. Nach dem antiken Weltbild brauchte jede Bewegung einen Beweger; deshalb brauchte der Mensch als bewegliches Wesen eine Seele als Urheber der Beweglichkeit, oder auch Geist; anima, spiritus oder wie auch immer benannt.
Für uns Moderne ist das nicht nötig, wir sehen die Bewegungen als Funktionen des Gesamtsystems, das Seelische ist für uns ein Komplex von Funktionen des Menschen insgesamt, wir trennen nicht so.

Um den Unterschied zu verdeutlichen, kann dieses Vergilzitat dienen: "Mens agitat molem", der Geist setzt die träg lastende Materie in Bewegung. Für uns ist Materie keine moles, sondern ein Bereich des bewegten Ganzen.
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Laptop » Do 6. Jun 2019, 03:00

Du meinst das mechanisch-aristotelische Weltbild, unter dem wir immer noch zu leiden haben. "Göttlich" ist ja nur ein andres Wort für "übermächtig-wundersam", wenn man irgendwas nicht versteht, dann ist es eben "übermächtig-wundersam", aber das ist ja immer noch keine Aussage, es ist nur unspezifisch. Damit ist nichts gesagt und nichts erklärt. Das Beweger-Bewegung-Konzept kenne ich vom Erdklumpen (humus) der durch die göttliche Kraft zum homo wurde. Dass der spiritus allerdings permanent in uns ist, und auch da sein muss damit wir nicht wieder zu Erde zerfallen, das war mir neu. Also sowas wie ein Motor oder Treibstoff? Ich werde bei Gelegenheit mal unsern örtlichen Pfarrer fragen.
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Re: corpus, anima, spiritus.

Beitragvon Prudentius » Do 6. Jun 2019, 17:42

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Das Beweger-Bewegung-Konzept kenne ich vom Erdklumpen ...


Du musst dir diese alte Kausalauffassung im ganz umfassenden Sinne vorstellen, sie galt für alles; sie war am Handwerklichen orientiert, an der Bearbeitung eines Werkstücks durch den Handwerker. Als Beispiel für dieses Denken kann man die ersten Worte der Bibel nehmen, "Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde", der antike Mensch nahm an, dass alles, was er sah, von jemandem gemacht sein müsse, so wie ein Tisch, den man vor sich sieht, vom Tischler gemacht ist.
Man kann sich diese Eigenart gut klarmachen, wenn man einmal überlegt, was es in dieser Sicht nicht gab, da wäre die "Fernwirkung" zu nennen; für uns wirkt die Gravitation der Erde auf den Mond ein, so dass er sich um die Erde dreht; Gravitation ist so eine Fernwirkung, die Antike kannte sie noch nicht; für sie fiel der losgelassene Stein auf die Erde, weil er das natürliche Streben "nach unten" hatte; für uns ist es aber eine auf den Erdmittelpunkt gerichtete Fernwirkung.

Für uns ist Kausalität eine Systemeigenschaft, die mit den Zustandsänderungen dieses Systems zu tun hat. Die Begründungen dieser Änderungen kommen vom System selbst heraus, nicht von einem äußeren Beweger. Ein System ist selbstregulierend, "autopoietisch" sagt man manchmal

Die alte Kausalauffassung war bis Newton gültig, kann man ungefähr sagen.
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