quantifacere?

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Re: quantifacere?

Beitragvon Prudentius » So 10. Nov 2019, 17:57

... weil der Setzer in diesem Moment nicht an den Kontext gedacht hat.


Es ist nicht Sache des Setzers, an Kontexte zu denken. Ihr scheint mir seine Rolle zu überschätzen; der Setzer hat nicht das letzte Wort bei der Schaffung des gedruckten Wortlauts, erst das vorletzte; das letzte Wort hat der Korrektur, der mit dem Rotstift die Korekturfahnen durchliest und auf Übereinstimmung mit dem Manuskript prüft; erst wenn er die Korrekturfahne abzeichnet, ist der Text druckreif.

Bei der Zusammenschreibung von "quanti fecerit" könnte eine Assoziation mit magnificare hereinspielen, es ist ja ein bekannter Hymnentext "Magnifict anima mea ...", aus der Kirchenmusik bekannt.
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Re: quantifacere?

Beitragvon mystica » So 10. Nov 2019, 19:20

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Re: quantifacere?

Beitragvon Prudentius » Di 12. Nov 2019, 18:26

Schöne Gregorianik! Es ist noch interessant anzumerken, dass das Magnificat (Lk 1:46-55) als eine Wiederaufnahme des Lobgesangs der Hannah gestaltet ist, der Mutter Samuels, des Vaters Davids (1Sam 2:1-10).In beiden ist eine messianische Visiion dargestellt; Der alte und der neue Bund werden parallel gesehen, "Typologie" hat man das Motiv genannt: das AT ist ein "typos", Urbild, Vorbild für das NT.
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Re: quantifacere?

Beitragvon marcus03 » Mi 13. Nov 2019, 09:53

Typologie, Allegorese u.ä. sind völlig überholte theologische Konstrukte, die mehr Fragen aufwerfen, als
sie Antworten geben. Im modernen Weltbild wirken sie befremdend und höchst seltsam.
Es handelt sich meist mehr um Eisegese denn um Exegese. Mit Fantasie kann man alles Mögliche
in Texte hineinlesen, was diese bei nüchterner und kritischer Betrachtung nicht hergeben.
Dass dabei viel Unsinn rauskam, oft gefährlicher, ist bekannt.
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Re: quantifacere?

Beitragvon mystica » Mi 13. Nov 2019, 10:26

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Re: quantifacere?

Beitragvon Prudentius » So 24. Nov 2019, 11:07

marcus03 hat geschrieben:Typologie, Allegorese u.ä. sind völlig überholte theologische Konstrukte, die mehr Fragen aufwerfen, als sie Antworten geben. Im modernen Weltbild wirken sie befremdend und höchst seltsam.


Wie sie im modernen Weltbild wirken ist eine Sache, und wie sie geschichtlich gewirkt haben, eine ganz andere. Man kann ganz einfach sagen, ohne diese würde es uns nicht geben; die typologische Deutung der 4. Ekloge Vergils stellte diesen neben Isaias/Jesaja als Propheten des kommenden Messias, dadurch wurde Vergil zum Türöffner für die Rezeption des antiken Kulturgutes insgesamt; ohne diese wäre es nicht zu Scholastik, Renaissance und Humanismus gekommen. "... teste David cum Sibylla", wobei die Sibylle in der 4. Ekl. spricht).
Man sieht es ja im Vergleich zur Ostkirche, dort hatten sie keinen Vergil, und die Antike ist ihnen fremd (heidnisch) geblieben.

Die Allegorese wirkte als Klammer, sie ermöglichte den Anschluss des NT an das AT, die Psalmen wurden auf Christus hin gelesen.

Die Allegorese wurde besonders von den Stoikern praktiziert, sie ermöglichte die "Rettung" der überlieferten Religion, indem man in ihr, hinter ihr, die stoischen Lehrsätze erkennen konnte.

"Höchst seltsam" ist aber auch sonst noch manches am "modernen Weltbild" :-D .
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Re: quantifacere?

Beitragvon mystica » So 24. Nov 2019, 20:18

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Re: quantifacere?

Beitragvon marcus03 » So 24. Nov 2019, 20:48

Bei der Allegorese wurde z.T. wild drauflos interpretiert mittels absurder Assoziationen ihrer Benutzer.
Pure abstruse Eisegese, die verzerrt, verfälscht und den Blick auf das Wesentliche verstellt!
Man lese Augustins Kommentar zum Johannes-Evangelium o.ä.
Da stellen sich einem die Haare auf. Hanebüchen, was da mit Bibelstellen gemacht wird.
Man findet sie heute noch in seichten Predigten, gefühlsduselig und voller leerer Phrasen,
die naiven, unkritischen Kirchgängern vorgesetzt werden.
Si tacuissent, ...
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Re: quantifacere?

Beitragvon Prudentius » Mo 25. Nov 2019, 20:24

Marce, "Abusus non tollit usum", so heißt es.

Was die 4. Ekloge anbelangt, so gibt es heute meines Wissens kaum noch Philologen, die hier einen Verweis auf Christus behaupten.


Da hast du recht, und man kann über den Grund nachdenken. Der liegt auf der Hand: man kann erkennen, dass wir im Zeitalter des Positivismus leben, als real gilt nur, was positiv, konkret, erkennbar aufweisbar ist, das ist das nztl. naturwissenschaftliche Modell der experimentellen Erforschung, die von großen Erfolgen gekrönt ist, aber doch auf einen überschaubaren Bereich beschränkt ist. Rationalismus, Empirismus, Positivismus, Kritizismus, Aufklärung ... sind die Stichworte.

Für unseren Bereich ist zu beobachten, dass der Positivismus totalitär auftritt, d.h. dass er sich selbst als den einzig vertretbaren Standpunkt erklären will; und damit übernimmt er sich.

Wir Altphilologen hantieren mit sehr vielen Weltbildern, das ist unser Job, wir sollten uns in dieser Frage nicht festnageln lassen. Unser Altmeister Sokrates, der Urvater des kritischen Denkens, sprach von einem Daimonion, das ihn inspirierte.

Wir sind mit einem ganzen Spektrum von Denkmöglichkeiten beschenkt, wir sollten uns nicht von iregendwem die Flügel stutzen lassen :-D .

Das Mittelalter kannte vier verschiedene Schriftsinne, als ersten den buchstäblichen, dann den allegorischen, den ethischen, den anagogischen. Wir haben noch dieses etwas staubige Adjektiv "erbaulich", von einer Predigt; dabei wurde wirklich gebaut, der eine Schriftsinn auf dem anderen, wobei der 4., der anagogische, in den Himmel führte.
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Re: quantifacere?

Beitragvon Zythophilus » Mo 25. Nov 2019, 23:53

Das Hoffen auf einen Heilsbringer kann man der 4. Ekloge nicht absprechen. Dass Vergil Christus gemeint haben könnte, ist, auch wenn die Motiv so verlockend ähnlich sind, nicht zu erwarten. Ich weiß nicht, wie aktuell noch diskutiert wird, ob jüdische Messias-Erwartungen zumindest indirekt auf die 4. Ekloge wirkten.
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