U=V

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U=V

Beitragvon medicus » Do 25. Jun 2020, 10:10

Salvete collegae peritissimi, die alten Römer schrieben ja U=V; aber wie war es mit der Aussprache dieser Buchstaben? War die auch gleich? :help:
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Re: U=V

Beitragvon Tiberis » Do 25. Jun 2020, 15:54

kommt darauf an:

die Aussprache (ob u oder v) hängt grundsätzlich ab von dem auf V folgenden Laut: Ist dieser ein Konsonant, wird V wie U gesprochen:
MVRVS > murus
ist es jedoch ein Vokal, dann wird das V halbvokalisch (ähnlich dem engl. w in why) gesprochen:
VERVS > verus
Ähnlich verhält es sich ja auch bei I , welches vor Vokalen wie j gesprochen wird:
IANVS > Janus
Somit spricht man IVVENTVS > Juventus
Aber Achtung: nach vorhergehendem Konsonant gilt diese Regel nicht:
PVBLIVS > Publius , ARDVVS > arduus, RVO > ruo, FLVIT > fluit, DVVMVIR > duumvir
jedoch: VIVVS > vivus
Sie gilt jedoch,wenn der vorhergehende Konsonant Teil eines Präfixes ist:
CONVELLO > convello, CONIVRATIO > conjuratio

vgl. ABIES (kein Präfix) > abies
aber:
ABIECTVS > abjectus
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Re: U=V

Beitragvon medicus » Do 25. Jun 2020, 18:12

Danke Tiberis, dann kann ich mir einfach merken, dass entsprechen unserer Schreibweise in Kleinbuchstaben ausgesprochen wurde.
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » Fr 26. Jun 2020, 11:02

Tiberis hat geschrieben:kommt darauf an:

die Aussprache (ob u oder v) hängt grundsätzlich ab von dem auf V folgenden Laut: Ist dieser ein Konsonant, wird V wie U gesprochen:
MVRVS > murus
ist es jedoch ein Vokal, dann wird das V halbvokalisch (ähnlich dem engl. w in why) gesprochen:
VERVS > verus
Ähnlich verhält es sich ja auch bei I , welches vor Vokalen wie j gesprochen wird:
IANVS > Janus
Somit spricht man IVVENTVS > Juventus
Aber Achtung: nach vorhergehendem Konsonant gilt diese Regel nicht:
PVBLIVS > Publius , ARDVVS > arduus, RVO > ruo, FLVIT > fluit, DVVMVIR > duumvir
jedoch: VIVVS > vivus
Sie gilt jedoch,wenn der vorhergehende Konsonant Teil eines Präfixes ist:
CONVELLO > convello, CONIVRATIO > conjuratio

vgl. ABIES (kein Präfix) > abies
aber:
ABIECTVS > abjectus


Salve, Tiberis, salvete omnes!

Danke für den sehr guten Überblick!

Verwirrenderweise wird beispielsweise in dem Wort "lingua" das u regelmäßig konsonantisch gesprochen und eben dennoch (heute) nicht als v geschrieben.
Nach der Überzeugung eines Professoren von mir sollte man auch im Namen "Suetonius" das u als v (bwz. /w/) aussprechen, aber ich weiß nicht, wie gesichert dies ist.

Bene valete!
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Re: U=V

Beitragvon Tiberis » Fr 26. Jun 2020, 13:37

salve, Christiane !

ille ego qui hat geschrieben:Nach der Überzeugung eines Professoren von mir sollte man auch im Namen "Suetonius" das u als v (bwz. /w/) aussprechen, aber ich weiß nicht, wie gesichert dies ist.


er dürfte wohl recht haben. Das u in Wörtern wie (con)suesco, consuetudo, Suebi wurde offenbar halbvokalisch ausgesprochen, vgl. z.B. Ov.Met.2,266:

tollere consuetas audent delphines in auras;

dann ist eine ebensolche Aussprache in Suetonius nur folgerichtig.

ille ego qui hat geschrieben:Verwirrenderweise wird beispielsweise in dem Wort "lingua" das u regelmäßig konsonantisch gesprochen und eben dennoch (heute) nicht als v geschrieben.


noch verwirrender ist ja, dass in Wörtern wie lingua, sanguis, unguis etc. das u halbvokalisch/ konsonantisch gesprochen wird/wurde? , nicht aber in arguo, distinguo u.dgl. Warum das so ist, weiß ich leider auch nicht. :nixweiss:
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » Fr 26. Jun 2020, 14:22

distinguere habe ich bisher immer viersilbig gesprochen. Muss ich tatsächlich umlernen? Eheu! ;)
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » Fr 26. Jun 2020, 22:03

Gibt es da Evidenzen, Tiberis?
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Re: U=V

Beitragvon Tiberis » Sa 27. Jun 2020, 00:44

in distinguere ist das u tatsächlich halbvokalisch: :-o

vero distinguere falsum (Hor.ep.1,10,29)
iam tibi lividos
distinguet autumnus racemos (Hor.c.2,5,10f)

es muss wohl mit dem vorausgehenden -ng - zu tun haben, vgl. lingua
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » So 28. Jun 2020, 15:56

Tiberis hat geschrieben:in distinguere ist das u tatsächlich halbvokalisch: :-o

vero distinguere falsum (Hor.ep.1,10,29)
iam tibi lividos
distinguet autumnus racemos (Hor.c.2,5,10f)

es muss wohl mit dem vorausgehenden -ng - zu tun haben, vgl. lingua



Gratias tibi ago!
Wobei man ja auch sagen muss, dass es Wörter mit offenbar unterschiedlichen Aussprachemöglichkeiten gibt (vgl. silva vs. silua).
Ich weiß auch tatsächlich nicht, ob es - zumal wenn man die Sache unabhängig von der heutigen Schreibkonvention angeht - eine allgemeingültige Regel gelten muss. Mitunter sind linguistische Regeln dieser Art ja auch nur "nachträgliche" Rekonstruktionen.
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » So 28. Jun 2020, 18:42

Marcus Annaeus Lucanus, Bellum Civile 2.51

agmina, Massageten Scythicus non adliget Hister,
fundat ab extremo flauos Aquilone Suebos
Albis et indomitum Rheni caput; omnibus hostes



Hier wohl Su-e-bi.
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » So 28. Jun 2020, 18:44

Hingegen:

Sextus Propertius, Elegiae 3.3.45

stent et Teutonicas Roma refringat opes,
barbarus aut Suebo perfusus sanguine Rhenus
saucia maerenti corpora vectet aqua.
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Re: U=V

Beitragvon Laptop » Mo 29. Jun 2020, 01:38

lingua, sanguis, unguis etc. das u halbvokalisch/ konsonantisch gesprochen wird/wurde? , nicht aber in arguo, distinguo


Tiberis, verstehe ich das richtig, und distinguere wird mit u als Halbvokal gesprochen; hingegen dinstinguo wird mit u als Vokal gesprochen?
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Re: U=V

Beitragvon marcus03 » Mo 29. Jun 2020, 07:08

serpunt et gravidis distinguunt vela corymbis (Ovid)
sḗrpūnt ḗt grăvĭdī́s dīstī́nguūnt vḗlă cŏrȳ́mbis.

quam qui non poterit vero distinguere falsum
quā́m quī nṓn pŏtĕrī́t vērṓ dīstī́nguĕrĕ fā́lsum (Horaz)

quae spatium pleno possint distinguere inane.
quǣ́ spătĭū́m plēnṓ pōssī́nt dīstī́nguĕre‿ĭnā́ne. (Lukrez)
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Re: U=V

Beitragvon Laptop » Mo 29. Jun 2020, 08:14

Ich finde Makron und Breve sollten allein zur Kennzeichnung von Vokallängen verwendet werden, nicht der von Silbenlängen. Dann behält man sich die Option vor hinterher ggf. noch Vokallängen zusätzlich zu kennzeichnen. Denn Vokallängen sind so mit das Schwierigste im Lateinischen, das ist keinesfalls trivial, oder als Kenntnis vorauszusetzen. Selbst Latein-Professoren sind sich bei Vokallängen oft unsicher. Dann schon lieber die Silbenlängen-Kennzeichnung weglassen.
Zuletzt geändert von Laptop am Mo 29. Jun 2020, 08:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: U=V

Beitragvon ille ego qui » Mo 29. Jun 2020, 08:15

@Laptop:

Ich glaube, Tiberis hat sich selbst korrigiert.
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