Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

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Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Sinatra » Di 3. Nov 2020, 18:37

So, 2. Runde:
Was willst Du? Wieso kommst Du in meine Besitzungen?

Direkte Rede
Quid vis? Cur venis in meam possessions

Indirekt: Caesar dicit quid te velle et cur te venire in eius possessiones
Caesar dixit quid te voluisse et cur te venisse in eius possessiones

Richtig?
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon ille ego qui » Di 3. Nov 2020, 19:19

Indirekte Fragesätze stehen im Konjunktiv. Ich frage mich zudem, ob hier nicht ein Verb des Fragens doch näher läge :-)
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon marcus03 » Di 3. Nov 2020, 20:12

Caesar quaerit, quid velis/velim/velit quaque de causa in suas venias/veniam/veniat possessiones.

Caesar quaesivit, quid velles quaque de causa in suas venires p.

Es ist unklar, auf wen sich die indir. Frage beziehen soll.
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Sapientius » Mi 4. Nov 2020, 11:22

Marce, das ist doch klar, auf die angeredete Person bezogen; "quid vellet".
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon marcus03 » Mi 4. Nov 2020, 14:40

Es kommt auch auf die Situation an:

C. fragt, was ich wolle/ du wollest/ er wolle. Alles ist m.E. denkbar.
Wir haben keinen Kontext.
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Sinatra » Fr 6. Nov 2020, 10:42

Vielen Dank für die Vorschläge.

Die Sätze sollen wir - isoliert, d.h. ohne Kontext -als Übung übersetzen zur oratio obliqua im REP Kurs
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Tiberis » Sa 7. Nov 2020, 01:32

marcus03 hat geschrieben:Wir haben keinen Kontext.

Doch, den haben wir: Caes.BG 1,44. Allerdings stammt das, was in unserem Übungssatz Caesar in den Mund gelegt wird, in Wahrheit von Ariovist.
Sinatra hat geschrieben:Direkte Rede
Quid vis? Cur venis in meas possessiones?

Daher muss die Lösung lauten:
Ariovistus (!) dicit: quid velit? cur in suas possessiones veniat?

bzw.: A. dixit: quid vellet? cur .. veniret?

Im übrigen geht es hier um oratio obliqua (!) , und da stehen schon einmal alle Nebensätze in der dritten Person! :wink:
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon ille ego qui » Sa 7. Nov 2020, 02:06

und da stehen schon einmal alle Nebensätze in der dritten Person!


Salvete!

Meistens schon. Aber das liegt - denke ich mir - wohl auch an der narrativen Konstellation der meisten uns überlieferten Texte.
Wenn Cicero beispielsweise in einer Rede von Antonius sich immer wieder persönlich angesprochen sieht und er diese Rede später beim Abendessen entrüstet oder amüsiert Bruder Quintus, Cousin Lucius und vielleicht auch Ehefrau Terentia (ich lese gerade mal wieder Robert Harris ... ;-) ) referiert, dann wäre doch eine zweite Person innerhalb der Oratio obliqua unter Umständen sogar das Natürliche - und auf jeden Fall nicht falsch -, oder?
Um diese Frage zu beantworten, müsste man Stellen finden, in denen eine andere Person als die dritte logisch sinnvoll wäre - und kann sich dann an eine statistische Auswertung machen. ;-)

Valeatis.
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Tiberis » Sa 7. Nov 2020, 16:32

:hmmm:
also ich wüsste jetzt nicht, unter welchen Bedingungen ein Nebensatz in einer indirekten Rede in der 2.Person stehen könnte. Aber man soll nie etwas ausschließen. Vielleicht bringst du uns ein Beispiel ? (ruhig auch auf deutsch)
;-)
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Sinatra » Sa 7. Nov 2020, 17:49

Also da könnte doch so aussehen:
Cicero schreibt mittels oratio obliqua, welche er an Antonius richtet, daß Caesar sich über ihn, also Antonius geäußert hat: "Caesar sagte Du seiest sein Sohn"
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Tiberis » Sa 7. Nov 2020, 21:27

bis jetzt ist das noch keine or.obl., sondern ein schlichter AcI.
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Zythophilus » So 8. Nov 2020, 09:22

Gehört der AcI nicht zur oratio obliqua? Es handlet sich doch um einen in Abhängigkeit geratenen HS:
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Sapientius » So 8. Nov 2020, 10:30

Das würde ich auch sagen; "oratio" bedeutet bei "oratio obliqua" nicht eine konkrete Rede, sondern eine Redeform, abstrakt, oder Redemodus. Das Indirekte besteht darin, dass hier die Wahheitsbehauptung der direkten Rede entfällt; so sehen es wenigstens die Logiker.
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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Willimox » So 8. Nov 2020, 14:28

Salute, salvete, experti sodales,

es dürfte wohl prototypisch und damit Standard sein, dass es in der indirekten Rede zu einer Modus-Tempus-Person-Verschiebung kommt (es sei bei der ersten Kategorie nicht nur Konjunktiv/Indikativ, sondern auch finit/infinit/AcI mitgemeint). Und dass bei der dritten Kategorie die dritte Person dominiert.

Allerdings hängt das damit zusammen, dass in der indirekten Rede meist eine "fremde Gesprächsituation" referiert wird, an der die unmittelbar informierten und informierenden Rezipienten der indirekten Rede eben nicht partizipier(t)en. Ille benennt dies bereits: eine besondere "narrative Konstellation", angeregt von dem famosen Harris.
Zythophilus sieht im AcI eine Kleinform der O.o., einleuchtender Weise. Prudentius erwähnt ebenfalls einleuchtend ein Charakteristikum, dass die Wahrheitsgarantie in der indirekten Rede nicht mehr beim Sprecher liege, im Gegensatz zum Standard der oratio recta. Das hat ein wenig mit der Verschiebung des Personalpronomens zu tun. Diese ist aber wohl nicht zwingend, wenn es darum geht, dass Bezüge sehr verunklart werden, siehe (a).

Daher ist so etwas ohne weiteres möglich, scheint mir:

1. Person:

a) John glaubte: Ich stehe unter Verdacht. Ich soll mich dagegen wehren.
a1) **John glaubte, er stehe unter Verdacht. Er solle sich dagegen wehren.
a2) John glaubte, ich stünde unter Verdacht. Ich solle mich dagegen wehren.

b) Marcus sagte mir, dass ich den Hammer holen sollte.
Und dass ich mich recht ungeschickt anstelle bei Hausarbeiten.

2. Person:
c) Du hast mit deinen Eingaben, man solle Sinemetu zum Leiter der Akademie für angewandten Unfug ernennen, recht viel Zuspruch gefunden: Deine Argumentation sei in jedem Sinne schlüssig.
Andererseits wird zu Recht behauptet, man könne mit den Einlassungen Sinemetus eigentlich nur so umgehen, dass man sie umgehe.

p.s.

Burkhard/Schauer platzieren das Problem marginal, aber immerhin (§ 472) unter "Pronomina und Adverbien in der Oratio obliqua":

d) Markus behauptet, er habe mir den Hund verkauft.
e) Titurius clamitabat aliter Eburones nostri ad castra venturos numquam fuisse (B.G. 5, 29, 1f).

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Re: Oratio obliqua ( für Fortgeschrittene)

Beitragvon Sapientius » So 8. Nov 2020, 16:49

Tiberis hat geschrieben: ich wüsste jetzt nicht, unter welchen Bedingungen ein Nebensatz in einer indirekten Rede in der 2.Person stehen könnte.


Ich könnte es mir so denken: Wenn wir von geläufigem Material ausgehen: "Dicebas quondam solum te nosse Catullum", dann könnte man einen prosaischen Zusatz machen: "quod me amares", weil du mich (angeblich) liebtest.
Die Grammatik sagt nichts über die Person in der indirekten Rede; braucht sie auch nicht, das hängt von der Person des regierenden Verbs ab; meist ist es die 3.
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