Zitat von Seneca

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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon iurisconsultus » Mo 19. Jul 2021, 20:14

Das Wenige, das ich herausfinden konnte, ist: „A“ steht offenbar für den „Codex Ambrosianus“, dem ältesten erhaltenen Manuskript aus dem 11. Jahrhundert. Wenn das tatsächlich so ist, dann lässt sich „perdidimus“ natürlich gut vertreten. Aber warum tun das nicht alle? Offenbar zweifelt man an seiner Zuverlässigkeit.

Spannende Frage, die wir leider nicht lösen können.
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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon mystica » Mo 19. Jul 2021, 20:56

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Zuletzt geändert von mystica am Do 14. Jul 2022, 12:28, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon marcus03 » Di 20. Jul 2021, 09:17

recentiores non deteriores:
Ein Philologensprichwort: “Jüngere (scil. Codices) sind nicht unbedingt schlechter.” Entgegen landläufiger Meinung muss z. B. eine Handschrift des 15. Jhdts. nicht unwichtiger/schlechter sein als eine des 9. Jhdts., denn es kann sein, dass sie auf eine (verlorene) Quelle zurückgeht, die besser war, als die erhaltene Hs. des 9. Jhdts.
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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon iurisconsultus » Di 20. Jul 2021, 16:19

Danke marcus, obwohl mir die blassen Adjektive besser/schlechter nach wie vor unklar sind: Wie kann „perdimus“ schlechter sein als „perdidimus“. Infrage steht ja nur: Was ist die authentische Fassung und da ist eben spannend, warum einige von der ältesten Handschrift abgehen.

Sei‘s drum! :)
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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon Sapientius » Di 20. Jul 2021, 17:19

... für den „Codex Ambrosianus“, dem ältesten erhaltenen Manuskript ...


Schöner wäre: " ... das älteste Manuskript ...", aber das ist der "wuchernde Dativ", das findet man so häufig, dass es wohl schon durch den Usus geheiligt ist.
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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon iurisconsultus » Di 20. Jul 2021, 17:54

Richtig Sapientius! Offenbar tötet bei mir der Dativ auch den Akkusativ. :roll: :lol:

In der Hoffnung, mich vielleicht doch noch exkulpieren zu können, habe ich den Duden befragt, jedoch frustran :lol: :
Gelegentlich wird die Apposition in den Dativ gesetzt, obwohl der Bezugsausdruck in einem anderen Kasus steht: Der Preis für Brot, das / dem Grundnahrungsmittel der Bevölkerung, ist gestiegen. Dies lässt sich am besten am Beispiel Brasiliens, des größten Landes / dem größten Land des Subkontinents, zeigen. Der Dativ ist hier eine Art „Ausweichkasus“. Vor allem in komplexen Nominalgruppen fällt diese Form der Apposition kaum auf, sie gilt aber nicht als standardsprachlich.

Duden, Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle - Richtiges und gutes Deutsch, 8. Auflage (2016) S 92.

ich muss wohl noch ein bis zwei Auflagen warten, bis der „Ausweichkasus“ erlaubt ist. :lol:
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Re: Zitat von Seneca

Beitragvon Sapientius » Sa 24. Jul 2021, 08:21

Der Dativ ist hier eine Art „Ausweichkasus“.


Der Duden bringt hier einen interessanten Begriff, den wir auch bei uns gut gebrauchen könnten: "Ausweichform". Mir fällt eine Menge solcher Ausweichformen im L. ein: der Konjunktiv ist ein Ausweichmodus, mit einem ganzen Register von Ausweichmanövern, mit denen wir den geradlinigen Indikativ modifizieren können: dubitativ, potential, irreal, final, ...

Oder: der Infinitiv ist ein Ausweichmanöver, wenn das Verb nicht voll an ein Subjekt gebunden ist; oder die Tempora sind Ausweichmanöver, wenn man nicht behauptet: "A ist B", sondern nur "A war B".

Oder: die Pronomina sind Ausweichmanöver, wenn man nicht behauptet "A ist B", sondern nur "... ist B".

Aber auch sonst: das Autofahren besteht weitgehend aus dem richtigen Ausweichen (wenn ich mich recht erinnere); die Medizin versucht ein Ausweichen vor Krankheit und Tod, das Rechtswesen ein Ausweichen vor dem Unrecht, die Religion ein Ausweichen vor der ewigen Verdammnis ...
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