ille ego qui hat geschrieben:Daher finde ich gerade für Internetseiten, die sich an Lernenden orientieren, Prosaübersetzungen auf jeden Fall keine schlechte Wahl.
Zweifellos. Und mir ist natürlich bewusst, dass jede Übersetzung, insbesondere jede Übersetzung eines lateinischen Gedichtes, immer nur eine Krücke, eine Art Verständnishilfe sein kann und dem Original niemals annähernd gerecht wird. Zum Glück, könnte man jetzt sagen, denn auf diese Weise ist man genötigt, sich mit dem Originaltext zu befassen.
Dennoch gibt es mehrere Wege, sich auch in der deutschen Sprache diesem Originaltext anzunähern, wobei ich , gerade im Fall eines Horazgedichtes, kein Freund einer Prosawiedergabe bin, die den lyrischen Gesamtcharakter zwangsläufig zerstört. Um Kompromisse wird man ohnehin nicht herumkommen, egal ob man sich für eine Übersetzung in Prosa oder in Gedichtform entscheidet. Karl Vretska, mein Lehrer an der Uni Graz, sagte einst zu uns Erstsemestrigen, dass es praktisch unmöglich sei, lateinische Texte zu übersetzen. Recht hatte er, und wie sehr gilt das erst für eine Horazode!
Trotzdem (oder deswegen?) reizt es mich immer wieder, das Unmögliche möglich zu machen, auch wenn das letztlich zum Scheitern verurteilt ist. Im konkreten Fall gilt mein Versuch also der Ode 3,11 , deren erste beiden Strophen ja schon in Angriff genommen wurden...
(für Kritik bin ich, wie immer, dankbar!
agedum, Christiane! )
XI
Mercuri, - nam te docilis magistro
movit Amphion lapides canendo, -
tuque testudo resonare septem
callida nervis,
nec loquax olim neque grata, nunc et 5
divitum mensis et amica templis,
dic modos, Lyde quibus obstinatas
applicet auris,
quae velut latis equa trima campis
ludit exultim metuitque tangi, 10
nuptiarum expers et adhuc protervo
cruda marito.
Tu potes tigris comitesque silvas
ducere et rivos celeres morari;
cessit inmanis tibi blandienti 15
ianitor aulae
Cerberus, quamvis furiale centum
muniant angues caput eius atque
spiritus taeter saniesque manet
ore trilingui. 20
Quin et Ixion Tityosque voltu
risit invito, stetit urna paulum
sicca, dum grato Danai puellas
carmine mulces.
Audiat Lyde scelus atque notas 25
virginum poenas et inane lymphae
dolium fundo pereuntis imo
seraque fata,
quae manent culpas etiam sub Orco.
Impiae (nam quid potuere maius?) 30
impiae sponsos potuere duro
perdere ferro.
Una de multis face nuptiali
digna periurum fuit in parentem
splendide mendax et in omne virgo 35
nobilis aevom,
'Surge', quae dixit iuveni marito,
'surge, ne longus tibi somnus, unde
non times, detur; socerum et scelestas
falle sorores, 40
quae velut nactae vitulos leaenae
singulos eheu lacerant. Ego illis
mollior nec te feriam neque intra
claustra tenebo.
Me pater saevis oneret catenis, 45
quod viro clemens misero peperci,
me vel extremos Numidarum in agros
classe releget.
I, pedes quo te rapiunt et aurae,
dum favet Nox et Venus, i secundo 50
omine et nostri memorem sepulcro
scalpe querellam.'
o Merkur- du lehrtest ja einst Amphion,
der begabt durch Spielen die Steine rührte -
und auch du, o Laute , geübt mit sieben
Saiten zu klingen:
Arm an Tönen früher und nicht willkommen,
lieben nun die Tische der Reichen und die
Tempel dich. Spiel Weisen, die Lydes taube
Ohren erhören.
Wie auf weiter Flur eine junge Stute
tollt sie ausgelassen und scheut Berührung,
Ledig ist sie, und sie verschließt sich noch dem
drängenden Gatten.
Du vermagst die Tiger, den Wald zu führen,
der dir folgt, und hemmen den Lauf der Bäche.
Deinem Schmeicheln musste des grimmen Reiches
Pförtner erliegen,
Cerberus, selbst wenn dessen wildes Haupt auch
hundert Schlangen schützend bedecken und aus
seinem Mund mit dreifacher Zung’ hervorströmt
grässlicher Geifer.
Selbst Ixion, Tityos mussten lächeln
unwillkürlich, und das Gefäß blieb trocken
kurz, als du mit holdem Gesang berührtest
Danaos’ Töchter.
Möge Lyde von dem Vergeh’n der Mädchen
hören und den Strafen, dem Fass , entleert von
Wasser, das am Boden verrinnt, von ihrem
späteren Schicksal,
das im Orcus ihrem Verschulden drohte.
Ruchlos ( konnten Schlimmeres sie begehen?)
ruchlos haben sie mit dem Schwert getötet
Ihre Verlobten.
Eine nur von vielen erwies der Ehe
würdig sich, sie täuschte den Vater herrlich,
der Versprechen brach, und für immer blieb sie
ruhmreiche Jungfrau.
« Auf ! », so sprach sie zu ihrem jungen Manne,
„Auf, dass nicht , von wo du es nimmer fürchtest.
langer Schlaf dir wird. Flieh' den Schwäher und die
frevelnden Schwestern,
welche ähnlich Löwinnen sind, die je ein
Kalb erjagten –ach! - und zerreißen. Ich bin
sanfter, will nicht töten dich ,will auch nicht dich
eingesperrt halten.
Mag mein Vater mich auch in Ketten legen,
weil ich mild verschonte den armen Gatten,
mag er mich ins ferne Numidien schicken
mit seinen Schiffen:
Geh, wohin dich Wind und die Füße tragen,
jetzt, solang dir Venus und Nacht gewogen,
geh mit Gott und schreib auf mein Grab an uns er-
innernde Klage.