Ich möchte doch noch mal auf diese entlegene Örtlichkeit zurückkommen, auch wenn diese Gründung des Cassiodor kurzlebig war, und auf die Weichenstellung, die damit für die westliche Kirche verbunden war; die Kirche bestimmte ja ein Jahrtausend lang Europa; und dass die Kirche sich der Antike öffnete, war überhaupt nicht selbstverständlich; eine Schlüsselstellung nahm dafür Vergils 4. Ekloge ein, in der in prophetischer Sprache die Herabkunft eines Gottessohnes angekündigt wurde, ca. 40 v. Chr., das ermöglichte eine Parallelisierung von jüdischer Prophetie und gr./l. Antike, so dass dann auch Platon und Aristoteles die Tür geöffnet wurde; damit war der Weg geöffnet für eine Wissensschaftsentwicklung, zunächst, im MA., als Glaubernswissenschaft (Scholastik) und dann unabhängig, als kritische. emanzipatorische Bewegung, die aber auch als solche ihre Herkunft nicht verleugnet.
Die gr., orthodoxe Kirche hat keinen solchen Vergil gekannt, hat keine solche Öffnung zur Antike erlebt, keine wissenschaftliche Theologie entwickelt (über die "Summa theologiae" haben sie nicht schlecht gestaunt), keine solche wissenschaftliche Entwicklung ausgelöst.
Erst die moderne positivistische Religionsforschung hat die Deutung der 4. Ekloge als Vorankündigung von Weihnachten als unbegründet und unsinnig entlarvt - und damit auch sich selbst entlarvt; inzwischen ist man sich ja auch bewusst geworden, dass zu einem literarischen Werk nicht nur das gehört, was der Autor bewusst hineingelegt hat, sondern auch die Wirkung, die das Werk objektiv entfaltet hat.
lgr. P.
