Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :)

Fragen zur Ausbildung rund um die alten Sprachen, ihrer Geschichte und ihrer Archäologie

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Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :)

Beitragvon Sternenkind » Mi 13. Apr 2016, 13:16

Neben dem Grundwortschatz natürlich ;)

Welches Vokabelbuch deckt eurer Meinung nach das ab, was man wirklich wissen MUSS?

Grüße
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon marcus03 » Mi 13. Apr 2016, 15:54

Stomachatus hat geschrieben:Er muss unbedingt viel Primärliteratur im Original lesen.


Was aber ohne einen gewissen, weit über den Schulwortschatz hinausgehenden Grundwortschatz mit viel ungenehmer Nachschlagearbeit verbunden sein dürfte, wenn man keine Übersetzung neben sich liegen hat. ;-)
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Sternenkind » Mi 20. Apr 2016, 13:09

Longipes, von welchem Vonabeltrainer sprichst du?
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Prudentius » Mi 20. Apr 2016, 17:01

Am Rande kann man ruhig erwähnen, es gab in D. den l. Schulaufsatz, bis ihn Kaiser Wilhelm (ab ca. 1890) abschaffte: "Unsere jungen Leute wachsen nicht unter Säulen und Palmen auf, sondern unter d. Eichen", so ungefähr.
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Martinus » Do 21. Apr 2016, 01:23

Das ist eine interessante Fragen. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt Vokabel gelernt habe, nehme aber an, dass das auf der Uni war. Was häufig vorkommt, bleibt ohnehin im Gedächtnis, und da ich die Texte, die ich mit meinen Schülern lese, ohnehin vorher zumindest durchlese, kommt es selten vor, dass ich im Unterricht ein Wort nachschlagen (lassen) muss. Ich sehe allerdings kein Problem darin, auch Worte nachzuschlagen, denn ein Wörterbuch ist dafür da, dass ich selbst keines zu sein brauche.
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Zythophilus » Do 21. Apr 2016, 22:32

Ein generelles Gebot, wie man Vokabel zu lernen hat, ist nicht sinnvoll, da es individuell unterschiedlich ist. Ein guter Teil geschieht sicher durch Lektüre, während der man sich die Wörter im Laufe der Zeit merkt. Die Orberg-Methode mag für Gespräche à la "Die Knaben spielen im Garten" sehr praktikabel sein, wird aber bei Vergil oder einem philosopischem Text versagen. Da hilft nur der Blick ins WB - oder eben sich vorher mit den entsprechenden Wörtern vertraut machen. Das gilt natürlich auch umgekehrt, wobei natürlich ein gefundenes Wort bzw. eine Wendung darauf überprüft werden muss, ob sie tatsächlich im konkreten Zusammenhang passt.
Lateinunterricht ist i.d.R. die Übersetzung und die anschließende Auseinandersetzung mit einem lateinischen Text. Das kann man kritisieren, aber kurzfristig wird es sich nicht ändern. Die verwendeten Texte gehören ab einem gewissen Grad vermutlich etwa dem Sprachniveau B2 an, darunter tut sich bei Originalliteratur nicht viel. Wie viel Stunden braucht man, um dieses Niveau - oder ein höheres - in dieser Sprache auch aktiv zu erreichen?
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Zythophilus » Fr 22. Apr 2016, 15:38

Wie lange es dauert, nicht nur Texte auf einem mindestens dem Niveau B2 der modernen Sprachen entsprechenden Niveau nicht nur zu verstehen, sondern sich auch in diesem schriftlich und mündlich ausdrücken zu können, weiß ich noch immer nicht.
Eine Paraphrase eines Vergiltexts kann tatsächlich viel zum Verständnis des Textes beitragen - aber nur, wenn man sie selber aufgrund der Lektüre des Originals anfertigt.
Sonst hilft eine Inhaltsangabe in leichterem Latein natürlich den Inhalt zu verstehen - das geht anders auch -, schaltet aber eine Zwischenebene ein. So etwas hilft nur bedingt, das Original zu verstehen, da das Wissen um den Inhalt keineswegs mit einem Textverständnis gleichzusetzen ist. Literatur ist mehr als Informationsaustausch. Von Syntax und Grammatik will ich nicht reden. Es ist sicher möglich, auch davon zu profitieren, und vielleicht auch hilfreich, wenn man aktiv Latein beherrschen will, aber der Zeitfaktor wird wohl unterschätzt. Dazu kommt, dass ein Text der nicht so aufbereitet und mit einer Inhaltsangabe in einfachem Latein versehen ist - und das ist die Mehrzahl der Texte -, weiterhin ein Buch mit siegeln Siegeln bleibt.
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 22. Apr 2016, 21:13

Zythophilus hat geschrieben:weiterhin ein Buch mit siegeln Siegeln bleibt.

Da musste ich gerade etwas schmunzeln, Zythophile.. :wink:, aber auch über die Tippfehler im Beitrag zuvor von Stomachatus...
Lingua Latina per se illustrata Pars II enthält wirklich viele Originaltexte (Cicero, Livius, Ovid, Gellius, Sallust usw...)
Meiner Meinung nach kann man nur beurteilen, ob der Übergang Pars I zu II wirklich gut klappt, wenn man Ørberg in der heutigen Schule konsequent praktizieren würde (nicht nur als kurzfristiges Modellprojekt) und zwar über die Lernjahre anstatt bekannter Prinzipien des Lateinlernens. Pars I ist wirklich nicht schlecht zu vermitteln. Ich habe sogar mit meinen Kindern damit gespielt, die alle drei momentan Latein im Gymnasium lernen. Zythophilus hat damit recht, dass die Realität in der Schule halt ne andere ist.
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Medicus domesticus » Sa 23. Apr 2016, 10:04

An meiner Schule dürfen in der Erprobungsstufe - außer dem Vokabellernen - keine Hausaufgaben erteilt werden.

Das ist ja komisch...in unserem Gymnasium ist das nicht der Fall. Bei uns wird im 1. Lernjahr auch noch Deutsch-Latein übersetzt. Ørberg hätte auch bei uns nur Sinn, wenn der Lehrplan frei und generell dafür ausgerichtet wäre. Ob es sich bewährt, müsste man auch erst testen in einem Pilotprojekt, denn nicht alle Schüler gehen so hoch motiviert heran wie bei L. Miraglia. Dementsprechend müssten auch die Lehrer dafür ausgebildet sein.
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon medicus » Sa 23. Apr 2016, 17:24

Longipes hat geschrieben: An vielen Schulen sind ja die Lateiner auch nur noch Zertifikatler.


Was bitte ist ein Zertifikatler?
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon Quintus » Mo 16. Mai 2016, 00:13

Salvete amici,

leider lassen- zumindest in Bayern, aber wohl auch in den anderen Bundesländern - die vom Kultusministerium zugelassenen Schulbücher keine eigenständigen Experimente zu.
Interessant wäre natürlich - entsprechend dem modernen Fremdsprachenunterricht - eine Vermittlung der lateinischen Sprache durch aktives Sprechen der Lehrkraft.
Jedoch darf man nicht vergessen, dass man spätestens in Jahrgangsstufe 9 Originallektüre zu lesen hat. Hierfür muss man als Lehrer also von Klasse 6 bis Klasse 8 bei spätbeginnendem Lateinunterricht die notwendige Grammatik und den Basiswortschatz einführen. Oft fällt dann noch Unterricht aus oder die Kinder haben Nachmittagsunterricht, sodass man - zumindest in Bayern bzw. in meiner Schule :) - keine Hausaufgaben aufgeben darf.
Deshalb ist man oft froh, wenn man als Lehrer das Buch 'durchschafft' oder zumindest den größten Teil, denn man will ja nicht 'gegen' die Schüler unterrichten, nur um alle Kapitel zu schaffen. Dann man hat ja auch nicht nur Überflieger in der Klasse, sondern auch Schüler, die Lernschwierigkeiten haben bzw. gerade aus allen möglichen Gründen (auch fehlender kognitiven Intelligenz) sich mit Latein (und auch anderen Fächern) schwertun.
Als Pädagoge (man ist ja nicht nur Fachwissenschaftler) sollte es jedem Lehrer prinzipiell angetan sein, auch diese Schüler nicht zu vergessen, zumal ja niemand mehr sitzenbleiben darf (von politischer Seite :-) ).
Für die Schüler ist es daher oft Stress, sich in 3 Schuljahren - zumal in der Pubertät - den Stoff reinzuprügeln, um dann in Klasse 9 Originallektüre zu lesen. Selbst gute Schüler erfahren oft den Originallektüreschock, wenn plötzlich jedes sprachliche Phänomen 'drankommen' kann und nicht mehr nur vermehrt der gerade aktuelle Grammatikstoff des jeweiligen Lehrbuchkapitels (vereinfacht gesprochen).
Meine Frage ist, ob man mit einem einsprachigen Unterrichtsmodel wirklich so schnell das Niveau erreichen kann, um wirklich Originallektüre lesen zu können.
Zugegeben, auch mit der derzeitigen Vermittlung der lateinischen Sprache mittels der Unterrichtssprache Deutsch gibt es ja sehr viele Schüler, die in der 9. Klasse im Grunde nicht in der Lage dazu sind.
Oft hat das aber auch damit zu tun, dass in der Lehrbuchphase zu wenig gelernt wurde. Latein ist halt auch ein Lernfach. Wer fleißig ist, wird in der Schule in Latein nie gefährdet sein.
Gibt es denn, amici, bereits erprobte Unterrichtsversuche mit der Olsbergmethode, um in einer gewissen Zeit (3 Schuljahre) ein Niveau zu erreichen, um Originallektüre übersetzen zu können? Und wie gut schneiden dann alle Schüler dieser Lerngruppe ab, nicht nur die Spitzenschüler, sondern auch alle anderen?


Viele Grüße
Quintus
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Re: Wie viele/ welche Vokabeln sollte Lateinlehrer wissen? :

Beitragvon ThomasVulpius » Sa 12. Aug 2017, 14:46

Der Lateinlehrer muss auf alle Fälle Vokabeln kennen, die für das tägliche Leben wichtig sind:

Culīna mea muscārum *drosophilārum plēna est. (Meine Küche ist voller Fruchtfliegen.)

Scapha mea folliculōsa anguillārum plēna est. (Mein Luftkissenboot ist voller Aale.)

Rūpēs *planētoīdēs nōmine Apōphis in terram dēcidet. (Der Asteroid namens "Apophis" wird auf die Erde stürzen.)

*Rebecca *Lee arma ambābus manibus tenet. (Rebekka Lee hält die Waffen in beiden Händen.)

*Gōdzilla officīnās *nucleāriās *Nippōniae dēvorāre amat. (Godzilla liebt es, die Kernkraftwerke Japans zu verschlingen.)

Vermēs rapidī sub humō celerrimē prōrēpunt. (Die Raketenwürmer kriechen unter der Oberfläche sehr schnell voran.)

*Vēmortuus ē fūne *campānālī pendēbat. (Ein Zombie hing am Glockenseil.)

*Vēmortuī eōs, quī obviam factī sunt, laniāre eōrumque intestīna crūda dēvorāre solent. (Die Untoten pflegen die, die ihnen begegneten, in Stücke zu reißen und ihre Eingeweide roh zu verschlingen.)

Aliēnigenae nāvigiīs sīdereīs aut spatium *intergalacticum lūce celerius perlāpsī huic mundō appropinquant aut spatiō caelestī flexō hīc subitant. (Die Aliens durchqueren entweder mit ihren Raumschiffen den intergalaktischen Raum und nähern sich diesem Planeten oder sie sind hier plötzlich da, da sie den Weltraum krümmten.)

Sanguisūgī noctū in vespertīliōnēs mūtātī hūc illūc volitant, ut virginum sanguinem hauriant. (Die Vampire, die sich des Nachts in Fledermäuse verwandelten, fliegen hin und her, um das Blut von Jungfrauen zu trinken.)

Sāgae lūnā plēnā scōpīs montem ruptum (Germānice: "Blockberg") advolāre solent, ut Satanae cūlum ōsculentur. (Bei Vollmond pflegen die Hexen auf Besen den Blocksberg anzufliegen, um den Hintern des Teufels zu küssen.)

Zatoichi, eques *Nippōnicus caecus, copida *Nippōnicam vibrāns plūrēs hominēs dissecāvit parricīdīs multōrum hominum *Amēricānīs. (Zatoichi, der blinde Samurai, zerschnitt mehr Menschen als die amerikanischen Massenmörder, indem er mit seinem Samuraischwert herumfuchtelte.)

Observandum est, num *ectoplasma in brāchiolō sellae haereat. (Man muss aufpassen, ob nicht Ektoplasma an der Stuhllehne hängt.)

*Tēloptērīō eam seriem, quae dē lūdō soliōrum est, spectō. (Ich sehe mir im Fernsehen die Serie "Gama of Thrones" an.)
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