Vergleich zwischen der Antike und der "Jetztzeit"

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Vergleich zwischen der Antike und der "Jetztzeit"

Beitragvon Idealist » Sa 10. Jun 2006, 18:16

Ist so ein Vergleich, wie er im Titel vorkommt, überhaupt zulässig?

Was meint ihr, gibt es überhaupt bzw. wenn es sie gibt, was für Parallelen gibt es zwischen der Antike und dem modernen Europa, vor allem auch in Punkto Ethik, Lebenseinstellung u. ä.?
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Beitragvon Asinus Stultus » So 11. Jun 2006, 12:49

Ein Vergleich zwischen der Antike und heute ist auf jeden Fall zulässig. Man muss ja auch nicht nur Parallelen, man kann ja auch Unterschiede herausarbeiten. Daneben würde es durchaus zur These von der "langen Dauer der Kulturen" von Ferdinand Braudel passen, bestehende Parallelen herauszuarbeiten. Hier bieten sich neben der Ethik z.B. auch Kunst, Literatur (literarische Formen, die in der Antike entstanden), Staatswesen ("Erfindung der Demokratie" im alten Athen), Recht und sogar Religion (im Christentum gibt es viele Vorstellungen und Rituale, die nicht aus dem Judentum, sondern von Römern und Griechen stammen) an.
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Beitragvon gerthans » Fr 23. Jun 2006, 15:32

Oh ja, es gibt Parallelen!

Das heutige Deutschland ist wie das Römische Reich ein Einwanderungsland. Wir bekommen zu wenig Kinder und brauchen deshalb Einwanderung. Auch das Römische Reich krankte an Kinderarmut. Deshalb ließ man vor allem Germanen ins Land, die man als Bauern und Soldaten brauchte.
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Beitragvon romane » Fr 23. Jun 2006, 17:58

gerthans hat geschrieben:Oh ja, es gibt Parallelen!

Das heutige Deutschland ist wie das Römische Reich ein Einwanderungsland. Wir bekommen zu wenig Kinder und brauchen deshalb Einwanderung. Auch das Römische Reich krankte an Kinderarmut. Deshalb ließ man vor allem Germanen ins Land, die man als Bauern und Soldaten brauchte.

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Beitragvon suetonius » Fr 23. Jun 2006, 19:18

bitte was?
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Beitragvon gerthans » So 25. Jun 2006, 11:26

Die Kinderarmut der Römer alarmierte schon Kaiser Augustus so sehr, dass er Gesetze gegen Kinderlosigkeit erließ, zum Beispiel die Lex Papia Poppaea. Ich zitiere dazu etwas aus dem Wikipedia-Artikel zu "Lex Julia et Papia"

Im Jahre 9 n. Chr. kam die lex Papia Poppaea hinzu, mit dem eine Ehepflicht für alle römischen Bürger im heiratsfähigen Alter verfügt wurde. Wer unverheiratet war, verlor das Anrecht auf Erbschaften, kinderlose Ehepaare das Anrecht auf die Hälfte einer Erbschaft. Paare hingegen, die Kinder hatten, wurden durch Privilegien gefördert (Kinderprivileg: ius liberorum).


Außerdem räumte Augustus Verheirateten mit Kindern Privilegien in der Ämterlaufbahn ein.[/quote]
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Beitragvon nighean_neonach » So 25. Jun 2006, 13:19

"Die" Antike und "die" Jetztzeit gibt's ja auch nicht... das ist viel zu pauschal :)
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Beitragvon romane » So 25. Jun 2006, 13:21

gerthans hat geschrieben:Die Kinderarmut der Römer alarmierte schon Kaiser Augustus so sehr, dass er Gesetze gegen Kinderlosigkeit erließ, zum Beispiel die Lex Papia Poppaea. Ich zitiere dazu etwas aus dem Wikipedia-Artikel zu "Lex Julia et Papia"

Im Jahre 9 n. Chr. kam die lex Papia Poppaea hinzu, mit dem eine Ehepflicht für alle römischen Bürger im heiratsfähigen Alter verfügt wurde. Wer unverheiratet war, verlor das Anrecht auf Erbschaften, kinderlose Ehepaare das Anrecht auf die Hälfte einer Erbschaft. Paare hingegen, die Kinder hatten, wurden durch Privilegien gefördert (Kinderprivileg: ius liberorum).


Außerdem räumte Augustus Verheirateten mit Kindern Privilegien in der Ämterlaufbahn ein.
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das Gesetz wurde für die Priviligierten u. Reichen erlassen, nicht für das 'normale' Volk - die herrschende Schicht starb so langsam aus...
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Beitragvon Neni » So 25. Jun 2006, 18:13

ich bezeichne derlei "gemeinsamkeiten" dennoch nicht als allzu erstaunlich *g* in der antike starben menschen ungern, sie suchten halt bei göttern, diebstahl wurde bestraft. ja und?
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Beitragvon Falco peregrinus » So 25. Jun 2006, 18:31

das interessante ist, dass alle großen Kulturen mit denselben Problemen zu kämpfen hatten, denen wir jetzt wieder begegnen.
Geburtenschwund zählt auch dazu.
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Beitragvon gerthans » Mo 26. Jun 2006, 16:04

Romane hat Recht. Die genannten Gesetze des Augustus betreffen Reiche, sind also kein Indiz für Kinderarmut bei den mittleren und unteren Schichten.
Aber was ist mit den agri deserti, den verlassenen Äckern, von denen es in der Spätantike so viele gab? Wenn landwirtschaftliche Flächen nicht mehr bebaut wurden, ist es nicht ein Indiz, dass es wegen Kinderarmut an Bauern fehlte?
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Beitragvon romane » Mo 26. Jun 2006, 18:11

wer sollte von den ausgelauchten Äckern leben, die Großgrundbesitzer im Prinzip nur von Sklaven bebauen ließen?
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Beitragvon gerthans » Mi 28. Jun 2006, 09:04

Romane meint:
wer sollte von den ausgelauchten Äckern leben, die Großgrundbesitzer im Prinzip nur von Sklaven bebauen ließen?


Zum Zusammenhang zwischen agri deserti und Menschenmangel gibt es zwei interessante Stellen bei Ammianus Marcellinus:

Bei dieser so ungemein günstigen Gelegenheit unternahm von Raetien aus der damalige Reiterbefehlshaber Theodosius einen Angriff auf die Alamannen, die aus Furcht vor jenem Volk auseinandergelaufen waren. Viele wurden erschlagen; alle, die er gefangen nahm, schickte er auf Befehl des Kaisers nach Italien. Hier erhielten sie fruchtbare Äcker und besiedeln noch heute heute als zinspflichtige Bauern die Poebene.
Amm. 28,5,15 - Übersetzung: W. Seyfarth


Doch nach dem Tode des vorher so furchterregenden Unruhestifters Farnobius und vieler anderer ließ er sich durch dringende Bitten umstimmen und verschonte die Übriggebliebenen. Er schenkte ihnen das Leben und ließ sie in die Umgegend der italischen Städte Mutina, Regium und Parma bringen und als Bauern ansiedeln.
(Amm. 31,9,6 - Übersetzung: W. Seyfarth)


Also, wenn man reichsfeindliche Barbaren auf den agri deserti ansiedelte, dann hatte man Menschen dringend nötig. Diese Zitate bezeugen eine schrumpfende Bevölkerung für Italien.

Und gibt es Belege dafür, dass viele Äcker ausgelaugt waren? Barbaren wurden ja nicht nur gezwungen, im Römischen Reich als Bauern zu leben. Viele strömten auch als Eroberer ins Reich, um dort als Bauern siedeln zu können. Führt man denn Eroberungskriege um ausgelaugtes Land?

Und in obigem Zitat spricht Aminanus Marcellinus von "fruchtbarem" Land, das die Barbaren zur Bebauung erhielten. Also waren viele gute Äcker wegen Menschenmangel verlassen. Die Kinderarmut muss in der Spätantike auch die Bauern betroffen haben.
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Beitragvon romane » Mi 28. Jun 2006, 12:12

du sprichst sehr richtig von der SPÄT-Antike
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Beitragvon gerthans » Do 29. Jun 2006, 13:06

Ja, mit meinem Vergleich zwischen unserer deutschen und europäischen Jetztzeit und dem Römerreich meinte ich vor allem die Spätantike - das hatte ich nicht richtig deutlich gemacht in meinem ersten Kommentar.

Einer der Hauptgründe für den Untergang Roms war die Kinderarmut. Die Römer hatten nicht genug Soldaten und wurden der Barbaren, die immer mehr ins Reich fluteten, nicht mehr Herr. Die lateinische Sprache erlosch, es entstand etwas anderes: die spanische, italienische, französische und portugiesische Kultur.

Auch wir Deutschen sterben aus. Bald wird Deutsch nur noch eine Umgangssprache neben der arabischen und türkischen Sprache sein. Leitsprache wird dann wohl Englisch werden in der Euroregion Germany. Es wird etwas Neues entstehen.
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