Daumen nach oben? Daumen nach unten? Was denn nun?

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Daumen nach oben? Daumen nach unten? Was denn nun?

Beitragvon professorchen » Sa 12. Mai 2007, 11:38

Hallo zusammen,
in der dritten Satire von Juvenal steht folgendes:
... jetzt aber veranstalten sie selbst Spiele, und wenn der Pöbel es mit erhobenem Daumen befiehlt, lassen sie abschlachten, wen das Volk will.

In den Anmerkungen hinten steht:
Entgegen der verbreiteten Meinung wurde das Zeichen zum Abschlachten des besiegten Gladiators mit an die Brust erhobenem Daumen (verso pollice) gegeben.

In dem Handout eines Referats, das eine meiner Klassenkameradinnen über das Kolloseum gehalten hat, steht allerdings, dass das Zeichen "Daumen nach oben" für Begnadigung, und das Zeichen "Daumen nach unten" für Abschlachten stand.
Was stimmt denn nun genau?
Vielen Dank im Voraus.
Es grüßt,
das Professorchen
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Beitragvon consus » Sa 12. Mai 2007, 12:27

Bei Anfragen sollten die Textstellen genauer angegeben werden. Also:

Iuv. 3, 36s.

et, verso pollice vulgus
cum iubet, occidunt populariter


Maßgebend für Interpretationen ist nur der lateinische Originaltext; denn Übersetzungen sind oft falsch.
Der Ausdruck pollicem vertere heißt den Daumen gegen die eigene Brust wenden (etwa im rechten Winkel, in dem man das Schwert zum Töten ansetzen würde), also nicht eigentlich nach unten halten, wie in der Handreichung („handout“ :twisted: :twisted: ) gesagt.

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Beitragvon professorchen » Sa 12. Mai 2007, 12:37

Salve conse,

vielen Dank für diese rasche Antwort.
Also gab es dieses "Daumen nach unten" eigentlich gar nicht, sondern halt nur "den Daumen im rechten Winkel zur Brust".

Vielen dank nochmals.
Es grüßt,
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Beitragvon Medus » Sa 12. Mai 2007, 14:23

Salvete amici,

hm, aber den Daumen nach oben gab es, oder? Also: Daumen im rechten Winkel zur Brust = Tod. Und: Daumen nach oben = Leben. Oder wie?

Gruß
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Beitragvon consus » Sa 12. Mai 2007, 16:03

Bei Prudentius (Contra Orationem Symmachi 2, 1099) findet sich folgende Formulierung:
pectusque iacentis / virgo modesta iubet converso pollice rumpi

Die Anmerkung dazu in der Ausgabe von H. J. Thomson (Loeb Class. Libr., London/Cambridge Mass. 1961, Bd. 2, S. 93) lautet:
Pollicem vertere describes a gesture by which the spectators indicated their pleasure that a defeated gladiator should be dispatched. What the gesture exactly was is not clear.

Wenn wir ganz streng sein wollen, müssen wir sagen: Ignoramus, ignorabimus; denn weder bei Juvenal noch bei Prudentius wird etwas über die Richtung des Daumens gesagt. Das Lateinisch-deutsche Wörterbuch von Georges (Bd. 2, Sp. 1757) allerdings gibt die von mir schon erwähnte Deutung ("den Daumen gegen die Brust richten").
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Beitragvon professorchen » Sa 12. Mai 2007, 17:01

Salvete amici,

vielen Dank für eure zahlreichen Antworten.
Ich denke, ich habe es jetzt verstanden.

Es grüßt,
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Beitragvon Laptop » Di 22. Mai 2007, 09:39

Daumen geht vorne an der Kehle vorbei um das Aufschlitzen zu imitieren (iugula! iugula!).
kannste aber schlecht aus der Entfernung sehen, daher wurde verwendet:

Daumen geht nach unten um das Erstechen (mit dem Schwert nach unten stechen) zu imitieren.

Beides entspricht "Abmurksen".

erhobene Faust mit gedrücktem Daumen (pollicem premere) entspricht "leben soll er"

Der Gladiator frage "soll ich abmurksen?"

Darauf wurde die die Antwort des Herrschers mit dem entsprechenden Handzeichen erwartet. Das Volk gab vorher natürlich auch sein Urteil ab, um den Herrscher zu "überreden".

Wie interpretieren das "ja, abmurksen" heute als bloßes "ja" oder "ok" oder "gut": :thumbup: eigentlich ziemlich pervers: pollice perverso
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