Wer waren die Trojaner?

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Laptop » Sa 27. Jun 2009, 22:47

Es wird immer wieder vom Krieg der "Griechen" gg. "Troja" erzählt, aber wer waren nun diese Trojaner, wenn nicht Griechen? Sie haben alle griechische Namen und stammen teils von griech. Göttern ab, kämpften da Griechen gg. Griechen? War Troja eine Provinz von Griechenland, die sich abtrünnig machen wollte und deshalb geschleift wurde? Ich konnte bisher nichts wesentliches über die Volkszugehörigkeit der Trojaner finden.
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Archias » Sa 27. Jun 2009, 23:16

Eine sehr interessante Frage. Mythologisch ist dies wohl am einfachsten zu erklären. Dardanos aus dem heutigen Italien ging nach Troas und gründete dort das Volk der Trojaner. Allerdings stammte dieser ja wiederum selbst von Zeus und Elektra ab. Aber das weißt du sicherlich.
Wissenschaftlich weiß ich allerdings nichts darüber. Aber gibt es nicht eine Ausgabe aus der Beck-Reihe "Die Trojaner" oder war das lediglich "Der Trojanische Krieg"? Vielleicht findet sich dort eine wissenschaftliche Erklärung. Diese fand ich in der Ausgabe "Die Etrurier" besonders gut gelungen.
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon chefren » Sa 27. Jun 2009, 23:25

Auch wir Archaeologen stehen da vor einem Raetsel.

Denn in der griechischen Vasenmalerei werden die Trojaner in der Regel, als den Griechen gleichartige dargestellt; ganz im Gegensatz zu Thrakern, Skythen oder anderen Barbaren.
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Laptop » Sa 27. Jun 2009, 23:31

Hallo Archias. Ein Überlegungsansatz von mir war der, daß damals die Griechen sich noch nicht als Volk der Griechen verstanden, sondern zerstritten und zerplittert waren in Stadtstaaten oder Subvölker. So ist ja auch von den Achaiern (nicht von "den Griechen") die Rede, die Troja belagern, evtl. als Teilvolk, wie bei uns die Bajuvaren oder die Hessen. So daß damals Achaier gg. Trojaner kämpften (etwa wie: Bayern gg. Hessen). Wenn aber Troja allein für die Bezeichnung eines Volkes gewählt wird, dann müßte es schon ein großer Stadtstaat gewesen sein, nicht der von Schliemann entdeckte kleine Hügel.
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Archias » Sa 27. Jun 2009, 23:42

Ja ich verstehe was du meinst. Und ich denke dem ganzen würde ich zustimmen. Ich kenne mich in der Archäologie jetzt nicht sonderlich gut aus, aber gibt es schriftliche Überlieferungen von trojanischen Autoren? Oder vielleicht Anzeichen dafür, wie sie sich selbst von anderen abgrenzen?

Welcher Meinung bist du, wenn du über die Größe der Macht der Stadt Troja nachdenkst? Staat/Volk oder Hügel?
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon RM » So 28. Jun 2009, 11:02

Im Wikipedia-Artikel über Troja steht dazu ein bißchen was: http://de.wikipedia.org/wiki/Troja.

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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Medicus domesticus » So 28. Jun 2009, 11:15

Salve Laptop,
Ich habe mir vor nicht allzulanger Zeit ein Buch vom Theiss-Verlag bestellt:
Barry Strauss, Der Trojanische Krieg-Mythos und Wahrheit, Theiss-Verlag, 2008, ISBN 978-3-8062-2154-1.
Aus Zeitmangel bin ich erst bis Seite 29 angelangt, aber das könnte dich interessieren. Der Trojanische Krieg und natürlich auch die Trojaner wird mit Homer´s Schilderungen, Archäologischen Funden, Erzählungen und heutigen Erkenntissen verglichen und nach Mythos und Wahrheit geschaut.

Ich kann dir vielleicht mehr berichten, wenn ich das Buch weitergelesen habe :book:

Schönes Wochenende :)
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon philistion » Do 5. Nov 2009, 10:02

Mich hat gerade folgende Rezension auf der Amazon-Website abgeschreckt:
Obwohl der Autor laut Klappentext Professor einer amerikanischen Elite-Uni sein soll, würde sich ein Professor einer zweitklassigen deutschen Provinz-Uni hüten, ein solches Buch zu publizieren. "Mythos und Wahrheit" Trojas will Barry Strauss analysieren, was dabei herausgekommen ist, ist eine dürre Inhaltsangabe von Homers Ilias. Strauss tut so, als ob Homer ein Dichter der Spätbronzezeit gewesen wäre (daß Homer in der archaischen Zeit ein paar Jahrhunderte später zu verorten ist, ignoriert Strauss einfach), der dazu noch mehr oder weniger Augenzeuge des Krieges um Troja war. Strauss meint, man könne die Ilias eins zu eins in Geschichtsschreibung übersetzten. Dementsprechend kenntnis- und detailreich unterrichtet Strauss seine Leser, die sich des öfteren wundern, woher Strauss das alles so genau weiß: Er weiß zum Beispiel, daß Odysseus von Chryseis Vater "freudig" in Empfang genommen wurde; er weiß, daß Hektor aus Prestigegründen sich weigerte, die Griechen durch einen Guerillakrieg zu zermürben und gibt Ratschläge, mit welcher militärischen Taktik die Trojaner doch noch gewonnen hätten; auch kennt er alle Details, als sich Andromache von ihrem Gemahl Hektor in einer hollywoodreifen Vorstellung verabschiedete. Sie duftete nach Irisöl, Rosen oder Salbei, war in Tränen aufgelöst, griff nach Hektors Arm und bat ihn, nicht in die Schlacht zu ziehen, Hektor hielt seinen Jungen sanft in seinen Armen und hörte seiner Frau nicht richtig zu, streichelte ihr stattdessen die Wange usw. Der kritische Leser muß spätestens hier aufhören zu lesen und diese Seifenoper zuklappen. Die Fragen, die die Troja-Forschung wirklich bewegen, stellt Strauss gar nicht. Zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis zwischen Homers Text und der historischen Wirklichkeit: Besitzt die Ilias einen historischen Kern, wenn ja welchen? Ist der Ort, den Heinrich Schliemann im 19. Jhd. ausgegraben und als "Troja" benannt hat, wirklich der geographische Ort des in der Ilias beschriebenen Geschehens? Oder die Frage, wie der archäologische Befund des heute als "Troja" bezeichneten Ortes zu deuten ist: War der Ort in der späten Bronzezeit nur ein Piratennest an den Dardanellen oder eine antike Weltmetropole? Kurz und gut: Strauss Buch ist es nicht wert, auch nur einen Zentimeter Platz im Bücherregal dafür zu opfern.
Kommentar


Ist dir das (bis jetzt) auch schon so vorgekommen, Medicus, oder übertreibt dieser Rezensent hier etwas?
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Medicus domesticus » Do 5. Nov 2009, 12:32

Hallo clayman,
Ich habe diesen Thread total vergessen :shock:
Eigentlich wollte ich ja etwas dazu schreiben. Die Bewertungen bei amazon.de sind immer mit Vorsicht zu genießen (3 Bewertungen, auch eine mit 5 Sternen).
Ich fand das Buch ganz interessant, aber ich habe auch nicht ein hochwissenschaftliches Buch mit allen Aspekten erwartet. Barry Strauß schreibt ganz angenehm und mixt anschaulichen Erzählstil, wie ein Reporter, der dabei ist, mit Auszügen von Homers Ilias und archäologisch geschichtlichen Hintergründen. Sicher ist manches an der Grenze und mit Phantasie gemixt, aber der Autor versucht immer Anschluß an geschichtlichen/archäologischen Quellen und Stellen von Homers Ilias zu finden. Vielleicht ist für manchen der manchmal lockere Schreibstil nicht immer das Wahre, aber ich fand´s angenehm. Im Text sind kleine Zahlen, die im Anhang auf die Quellen verweisen, da kann man sich dann auch ein Bild machen.
Eine Rezension habe ich gefunden, die das Buch ganz gut beschreibt und am Ende meiner Meinung entspricht (http://www.eurasischesmagazin.de/artike ... D=20080717):
Ein durch und durch angenehm zu lesendes Buch, ergänzt durch Zeittafel und Glossar, Anmerkungen, Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register.


Ich glaube jeder muß sich von dem Buch selbst ein Bild machen. Ich bin auch nicht ein "Detail"-Kenner der Ilias, aber für mich war´s eine nette Anregung sich mal damit zu beschäftigen, auch mal näher mit dem Original. Das viel diskutierte Buch von Raoul Schrott "Homer Ilias", das auch hier im Forum schon mal angesprochen wurde, hat auch mein Interesse geweckt, vielleicht weil es so umstritten ist......(da ich Mitglied der WBG bin, gibt´s das Buch schon für 27,90 statt 34,90)

Gruß vom Medicus :)
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Marcus Hamburgensis » Fr 8. Jan 2010, 00:58

Joachim Latacz (in 'Troja und Homer') ist der Meinung Troja wäre von einer luwisch sprechenden Bevölkerung bewohnt, oder zumindest durch eine luwischsprachige Oberschicht beherrscht worden. Argumente sind der Fund eines luwisch beschrifteten Rollsiegels in Hissarlik und der Umstand, dass einige der nicht-griechischen Namen der Trojaner einen Sinn ergeben, wenn man sie luwisch deutet: z.B. Priamos, (luw.) Priiamuua = "hervorragenden Mut habend".
Latacz stützt sich dabei auf Beiträge von Watkins und Starke:
- Watkins, C., The Language ot the Trojans, in: Mellink, M.J. (Hg.), Troy and the Trojan War. A Symposion held at Bryn Mawr College October 1984, Bryn Mawr 1986, S. 45-62
- Starke, F., Troia im Umfeld des historisch-politischen und sprachlichen Umfeld Kleinasiens im 2. Jahrtausend, in: Studia Troica 7, 1997, S. 447-487.
- ders., Artikel "Luwisch", in Der Neue Pauly, Bd. 5, 1998, Sp. 518-533.

Luwisch ist eine mit dem Hethitischen verwandte Sprache vom anatolischen Zweig der indogermanischen Sprachen. Ein Nachfolger des Luwischen in klassischer Zeit war das Karische.
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon philistion » Fr 8. Jan 2010, 10:29

Kann dieses 1995 gefundene Siegel nicht einfach nur von einem Handlungsreisenden dort hingebracht worden sein?
Man müsste sonst wohl etwas mehr als nur dieses eine Fundstück in luwischer Sprache entdeckt haben, meint Ihr nicht?
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 8. Jan 2010, 10:40

Das paßt vielleicht noch zum Thema:

Vor kurzem war eine Dokumentation (29.12.09) im ZDF zu sehen:
Troja - Die wahre Geschichte

Wer die Sendung versäumt hat, kann sie in der ZDF Mediathek online komplett anschauen:
http://dokumentation.zdf.de/ZDFde/inhal ... 92,00.html
:pc:

Gruß, Medicus
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon Laptop » Sa 9. Jan 2010, 16:21

Zuerst wollte ich die Doku nicht sehen: ZDF Dokumentationen sind ja der Inbegriff der Oberflächlichkeit, aber dann habe ich mich durchgerungen und es gab überraschenderweise doch eine neue Erkenntnis zum mitnehmen: die Trojaner waren angeblich Hethiter. Und das alles bewiesen durch einen einzigen Siegelring? Hm.
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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon RM » Sa 9. Jan 2010, 17:27

Warten wir mal auf den nächsten Siegelring ... :wink:

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Re: Wer waren die Trojaner?

Beitragvon philistion » Sa 9. Jan 2010, 18:21

Ich wollte mir eigentlich mal von dem im Film erwähnten Schweizer Professor Latacz ein Buch über Homer bestellen. Nun bin ich aber wieder etwas davon abgekommen, da ich nicht ein ganzes Buch über diese Hethiter-Hypothese lesen möchte.. kennt jemand das Buch bzw. ist es trotzdem empfehlenswert?

http://www.amazon.de/Homer-Dichter-Aben ... 3538071578
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