Seneca

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Seneca

Beitragvon Elvina » Mo 23. Nov 2009, 18:15

Rom war ja von verschiedenen philosophischen Lehren geprägt. Ein bedeutender Vertreter des Stoizismus war Seneca. Meine Frage hierzu wäre, ob seine stoische Lehre im Widerspruch mit seiner Lebensweise steht?

wäre wirklich dankbar für Antworten!
Elvina
 

Re: Seneca

Beitragvon Quintus » Mo 23. Nov 2009, 20:53

Hallo Elvina,

vor allem wurde Seneca von seinen, auch schon zeitgenössischen Kritikern gerügt, wie er als Stoiker das 'stoische' Postulat der Bedürfnislosigkeit 'predigen' dürfe,obwohl er selbst zu den reichsten Männern seiner Zeit gezählt hat. Deshalb wurde ihm Heuchelei vorgeworfen.
Seneca will aber gerade kein weltfremder Philosoph sein, daher kommt es bei ihm in dieser Frage zu einer Umorientierung dieses stoischen Postulats:
In der stoischen Lehre, wie sie Seneca interpetiert, spielen ebenfalls die äußeren Lebensumstände keine Rolle, also auch Reichtum, nur Inneres zählt, vor allem die innere Entwicklung zur Vollkommenheit hin. Auch für Seneca ist Reichtum daher nicht wichtig, aber er sagt: es ist eher eine Leistung, nicht vom Reichtum abhängig zu sein.
Laut Seneca kann also ein erfolgreicher und reicher Mann in gleicher Weise 'voll moralisch' sein leben führen können, solange er eben nicht vom Reichtum abhängig ist. Daher kann man Seneca eigentlich nicht recht einen 'Heuchler' nennen. Wenn man es tut, macht man es sich mit der Beurteilung Senecas sehr einfach.

Viele Grüße,
Quintus
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Re: Seneca

Beitragvon ille ego qui » Sa 28. Nov 2009, 09:15

Man könnte, in Analogie zum "Luxuslinken", vom "Luxusstoiker" sprechen ;)
@Quintus: ... es ergibt sich damit jedoch der neue Verdacht, ob Seneca SICH vielleicht die stoische Lehre solcherart zurechtbastelt, dass und damit er selbst noch ins Schema passt ;)
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Re: Seneca

Beitragvon romane » So 29. Nov 2009, 10:40

Seneca gibt doch auch zu, dass die Epikureer ihm nicht fern sind.

Warum sollte er SICH SEINE stoische Lehre zurechtgebastelt haben? Behauptet er von sich, ein Stoiker zu sein?
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Re: Seneca

Beitragvon philistion » So 29. Nov 2009, 11:18

Hat er sich nicht auch damit gerechtfertigt, selbst auch nur zu diesem Ideal hin zu streben welches er in seinen Schriften formuliert, gleichzeitig aber auch wissend, dass er dieses nie vollständig erreichen wird?
Er sah also das Streben hin zu diesem Ideal schon als sehr positiv an, auch wenn ihm Kritiker oft vorwarfen dieses selbst noch nicht erreicht zu haben.
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Re: Seneca

Beitragvon romane » So 29. Nov 2009, 15:43

heute sagen wir: der Weg ist das Ziel --- und finden diese Aussage lobenswert
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Re: Seneca

Beitragvon RM » Mo 30. Nov 2009, 00:40

Wir werden ja angesichts der dürftigen Beweislage die politische und sonstige Rolle, die Seneca damals gespielt hat, nie detailliert entschlüsseln können, aber mir scheint, dass sich bei ihm zwischen Reden und Tun gelegentlich Abgründe auftaten, die das bisschen Philosophie dann auch nicht mehr übertünchen konnte.

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Re: Seneca

Beitragvon consus » Mo 30. Nov 2009, 22:41

RM hat geschrieben:... bei ihm zwischen Reden und Tun gelegentlich Abgründe auftaten, die das bisschen Philosophie dann auch nicht mehr übertünchen konnte.
Im Hinblick auf das sog. "bisschen Philosophie" :roll: kleiner Lektürehinweis (zur Einführung in die Philosophie Senecas):
Veyne, Paul : Weisheit und Altruismus . - Dt. Erstausg. . - Frankfurt am Main : Fischer-Taschenbuch-Verl., 1993.
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