Mäuse auf der römischen Speisekarte

[CP]

Salvete!

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (12. Mai 2011) findet sich auf Seite 32 unter dem Titel "Aus die Maus. Keine unschuldige Geschichte: Wolfhard Klein berichtet Grausiges vom ältesten aller Kriege." folgender Satz:

"Erschwerend kommt hinzu, dass der Mensch bis auf wenige Ausnahmen - die Römer wieder einmal - aus Ekelgründen auf Mäusebraten weitgehend verzichtet hat." Hervorhebungen von mir.

Könnt ihr mir Quellen nennen, aus denen hervorgeht, daß die Römer Mäuse goutierten?

Ciao!

[Medicus domesticus]

Salve,
....auf jeden Fall waren Haselmäuse (glires) auf der Speisekarte und wurden extra gezüchtet (siehe Petronius, Satyrica und Apicius)...

Vale.

[Zythophilus]

Auch wenn die Haselmaus einer Maus ähnlich sieht, ist sie keine, sondern mit dem Siebenschläfer verwandt. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Römer Haselmäuse als Delikatesse verzehrten; bei einem Gewicht von max. 40g ist so ein Tierlein keine üppige Speise. Mit glis ist aber der genannte größere Siebenschläfer gemeint, der auch im nach ihm benannten glirarium gehalten wurde, wo er schön fett werden sollte. http://fotoalbum.virgilio.it/alice/gina ... 41515.html
Der Journalist zog es vor, eine originelle Notiz, ungeprüft wiederzugeben. Hätte er recherchiert, wäre er draufgekommen, dass seine Meinung, dass die Römer nicht "auf Mäusebraten" verzichteten, gleich doppelt falsch ist.

[Medicus domesticus]

@Zytho:
Klar,
Ich hatte schon mal ein Rätsel draus gemacht:
viewtopic.php?f=18&t=22595&p=231850&hilit=salvete+amici+Latine+loquentes#p231850

[CP]

Also nichts mit Mus au Chocolat!

Vielen Dank für die Hinweise.

Ciao!

[Laptop]

Wieso "doppelt" falsch?

[Medicus domesticus]

Ich habe gestern einen Scherz draus gemacht,warum das gerne verwechselt wird, aber Zythophilus hat´s gleich gemerkt. Glires sind bei den Römern die Siebenschläfer, die als Delikatesse galten. Die Haselmaus gehört auch zur Familie der Bilche. Beides sind aber keine Mäuse, sondern schauen nur mausähnlich aus.
Das Aufzuchtgefäß für Siebenschläfer in aenigmata steht im Museo Archeologico Nazionale di Napoli und stammt aus dem Vesuvgebiet (1.Jhd.n.Chr).

[Zythophilus]

Quae nobis hodie bona cena placebit? In horto

qui uiuit, citior glis capiendus erit.

[Laptop]

Danke Medicus, für die Ausführungen. Zythophilus meinte wohl „doppelt falsch, da zum einen die Haselmaus keine Maus ist, und zum anderen glis nicht die Haselmaus sondern den Siebenschläfer bezeichnet”(?)


Allerdings glaube ich, daß man es nicht zu verengt sehen darf (=> siehe Möglichkeiten a, b, c, weiter unten). Im OSP wird es in fast allen Ausgaben sogar als Ratte angegeben:

http://books.google.com/books?id=ZKo_AA ... es&f=false

Und der Holzschnitt zeigt auch eine Ratte (langer Schwanz, langgestreckter Kopf, große Ohren, etc.)

Diese Stelle ist auch beachtenswert:

http://books.google.com/books?id=BXs8AA ... 22&f=false

Nun gibt es folgende Möglichkeiten:
a) glis bez. nur die Rellmaus = Siebenschläfer
b) glis bez. allgemeiner alle Bilche (darunter auch die Haselmaus)
c) glis bezeichnet alle mures majores, darunter auch die Ratte

[Zythophilus]

Laut Stowasser ist glis "Haselmaus, Siebenschläfer"; als Autor wird Petron angeführt.
Mag sein, dass beide Tiere denselben Namen hatten, doch musste man den eindeutig größeren Siebenschläfer von der Haselmaus schon unterschieden haben. Für eine kulinarische Verwendung scheint mir nur der erstere in Frage zu kommen. Eine Haselmaus zu füllen - Apicius bietet ein entsprechendes Rezept - wäre doch umständlich.

[Apollonios]

Eine Haselmaus zu füllen - Apicius bietet ein entsprechendes Rezept - wäre doch umständlich.

Bei einer Gesamtlänge von höchstens 40 cm (wovon die Hälfte auf den Schwanz geht) und einem Lebendgewicht von höchstens 150 g dürfte ein großer küchenfertiger Siebenschläfer noch 15 cm lang und 80 g schwer sein. Gefüllt und mit Beilage ist das tatsächlich eine Mahlzeit.
Haselmäuse werden höchstens 40 g schwer und 15 cm lang, bleiben also beim küchenfertigen Tier ca. 5 cm bzw. 15 g, etwa die Größe einer reifen Dattel. Da man Datteln problemlos füllen kann (Apicius tat es auch), müßte das mit Haselmäusen ebenfalls gehen.

Hier ein offenbar vor dem Koch fliehender Siebenschläfer:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... e_2009.jpg

Und so sieht eine wohlgemästete Haselmaus aus:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/c ... n_hand.jpg

[Zythophilus]

Unmöglich ist es nicht, auch Haselmäuse zu füllen. Gibt es nicht irgendwo in ergrabenen röm. Küchen bw. deren Abfällen Knochen solcher Tiere, die eine eindeutige Zuordnung erlauben?

[Laptop]

Das müßten schon Küchen sein, die man heute entdeckt. Zu früheren Zeiten haben die Archäologen ausgekehrt, was nicht nach ars humana aussah.

[Zythophilus]

Einen Hinweis, leider ziemlich ungenau, findet man hier: http://www.glirarium.org/bilch/rezept.html
"Bei Ausgrabungen in York (Nordengland) wurden anstelle der erwarteten Siebenschläfergebeine einige Knochenfragmente des Gartenschläfers (Eliomys quercinus) gefunden."

[Medicus domesticus]

Das müßten schon Küchen sein, die man heute entdeckt. Zu früheren Zeiten haben die Archäologen ausgekehrt, was nicht nach ars humana aussah.

Da schaut man heute schon genauer hin. Stichwort: Archäozoologie.
Ich weiß, dass man bei Ausgrabungen das im Colosseum gemacht hat ...und nicht nur wegen der wilden Tiere, sondern man eruierte auch, was die Zuschauer während der Veranstaltungen so gegessen haben.
Aber da kann unsere Archäologin chefren mehr dazu sagen..