Archäologie der Antike

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Archäologie der Antike

Beitragvon guenterus » Fr 20. Jan 2012, 00:22

Salvete!
Da ich mich u.a. auch für die Archäologie interessiere, frage ich mich ob es in diesem Bereich überhaupt noch neue Erkenntnisse geben kann?
Ist nicht schon alles ausgebuddelt worden? Wie könnte die Zukunft der Archäologie aussehen, frage ich- falls vorhanden - die Kenner ?
gratias vobis ago
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Zythophilus » Fr 20. Jan 2012, 07:49

Ausgegraben ist bei weitem noch nicht alles. Ein auch hier im Forum erwähntes Beispiel sei die Grabung von Kalefeld, die einen Feldzug des Maximinus Thrax belegt, der zwar in manchen Quellen erwähnt wird, aber ohne die archäologischen Befunde angezweifelt wurde.
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon romane » Sa 21. Jan 2012, 11:50

Man nehme nur den Bereich der Unterwasserarchäologie
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » So 22. Jan 2012, 10:39

Da ist sicher noch viel im Boden, von dem wir nichts wissen. Vor einiger Zeit habe ich eine Sendung gesehen über einen Mann, der am Limes wohnt, und fast bei jedem Spaziergang etwas findet.
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon CP » So 22. Jan 2012, 15:34

Nicht vergessen sollte man die zahllosen noch nicht oder nicht richtig ausgewerteten Funde in den Museen weltweit. Die Italiener schlugen vor Jahrzehnen mal vor, zunächst sich mit diesen zu befassen und auf weitere Ausgrabungen, abgesehen natürlich von Notgrabungen, zu verzichten. Auch Neubewertungen schon seit Jahrzehnten ausgegrabener Zeugnisse sollten nicht außer acht gelassen werden.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie das Berufsbild des Klassischen Archäologen in der Öffentlichkeit aussieht. Nur die wenigsten Vertreter dieser Berufsgruppe, von denen ich einige persönlich kenne, wird man nämlich auf Ausgrabungen, wo das Grabungsteam übrigens meistens aus Vertretern verschiedener Berufsgruppen besteht*, finden. Eher in Museen, bei Verlagen usw.

Ich frage mich, inwieweit dieses öffentliche Berufsbild durch - von mit übrigens sehr geschätzte - Bücher wie z. B. "Götter, Gräber und Gelehrte" hervorgerufen wird. Ich besitze zwar zum Glück :roll: kein Fernsehgerät, habe aber den Eindruck, daß einschlägige Sendungen eher abenteuerliche Expeditionen unter Arabiens sengender Sonne oder im dampfgeschwängerten Dschungel Mittelamerikas suggerieren. Funde werden da immer gemacht wenn die Kameraeinstellung stimmt - enorme Zufälle :hammer: Und Indiana Jones läßt grüßen!


Ciao!

* Ich war in den 80er Jahren auf mehreren Ausgrabungen in der Türkei. Die Teams bestanden aus: Archäologen ( nicht nur Klassischen), Architekten (Bauhistoriker), Vermessungsingenieuren (Meßnetz der Grabung), Bauingenieuren (antike Wasserversorgung), Epigraphikern, Paläomedizinern, Paläobiologen (Zoologen), Anthropologen usw. Diese waren zwar nicht ständig vor Ort, waren aber Bestandteil des Teams. Und ich hoffe jetzt keine Berufsgruppe vergessen zu haben.
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Zythophilus » So 22. Jan 2012, 20:08

Ein bisschen etwas von Abenteurer und Schatzsucher hat das Bild des Archäologen schon an sich.
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon CP » So 22. Jan 2012, 22:19

Zythophilus hat geschrieben:Ein bisschen etwas von Abenteurer und Schatzsucher hat das Bild des Archäologen schon an sich.


Ich bin Bauforscher und die Schätze, die ich hebe, lassen sich in Währungseinheiten nicht ausdrücken. Aber das mit dem Abenteuer will ich gar nicht bestreiten, man muß dazu noch nicht mal in den Vorderen Orient, da kann man sogar auf der Schwäbischen Alb und anderswo was erleben. :D

Eines sollte man bei der Berufswahl nicht vergessen: Viele Archäologen, ob jetzt Klassische oder Nichtklassische, enden nach dem Studium in der Arbeitslosigkeit oder gehen Tätigkeiten nach, für die sie eindeutig überqualifiziert sind. So finden sich in meinem Bekanntenkreis ein promovierter Reiseleiter (er hat es wohl noch am besten erwischt), ein Päckchenzusteller und ein Mitarbeiter eines Call Centers, beide M.A. So was ist schon bitter. Und damit keine falschen Vorstellungen entstehen: alle drei waren im Studium überdurchschnittlich gut bis exzellent!

Wer gerne auf Grabungen möchte, sollte sich überlegen, ob er nicht eine Ausbildung als Grabungstechniker, an denen ein gewisser Mangel herrscht, macht. Diese läßt sich dann ja durchaus noch durch ein Fachstudium abrunden :) . Ich sah es immer als Mangel, daß auf den Grabungen, an denen ich in der Türkei teilnahm, kein Grabungstechniker* war, das gehört nämlich nicht zur Ausbildung des Klassischen Archäologen, bei den Vor- und Frühgeschichtlern sieht es meines Wissens anders aus.

Tschüß!

Wenn ich Grabungstechniker oder Archäologe usw. schreibe, dann meine ich damit selbstverstädlich auch Grabungstechnikerinnen und Archäologinnen usw. Nachdem ich dieser Tage als Chauvi, aufgrund politisch nicht korrekter Wortwahl, bezeichnet wurde, und das noch nicht einmal im Scherz, halte ich es für notwendig, hier darauf hinzuweisen.
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » So 22. Jan 2012, 22:32

CP hat geschrieben:Eines sollte man bei der Berufswahl nicht vergessen: Viele Archäologen, ob jetzt Klassische oder Nichtklassische, enden nach dem Studium in der Arbeitslosigkeit oder gehen Tätigkeiten nach, für die sie eindeutig überqualifiziert sind


Schade eigentlich, dass Archäologen so wenig Perspektiven haben, obwohl sie für die kulturelle Erkenntnis soviel beitragen. In meinem Bereich (Gesundheitswesen) gibt es aber Stellen ohne Ende......
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Laptop » Mo 23. Jan 2012, 05:38

Das meiste verrottet oder verschwindet über kurz oder lang, wenn es erstmal ausgegraben ist. Schaut euch mal Pompeji an. Zwar hat die moderne Archäologie ein neues Konzept des „Größtenteils-im-Boden-Lassens“, doch gilt das auch nur für die Fachwelt einiger Staaten. Wird was privat oder in unzivilisierteren Staaten entdeckt, wird schnell geplündert und in gierige Hände verstreut und man liest nicht einmal davon, daß es einen Fund gab. Auch das an sich korrekte „Im-Boden-Lassen“ wirft die Frage auf „wie vor Grabräubern schützen?“. Auf Dauer geht das nicht. Deshalb meine ich umso weniger entdeckt wird desto besser. Optimal geschützt ist eine antike Stätte z. B. unter einer Autobahn (modernes Heiligtum). Überlassen wie neue Fundstätten lieber den Archäologen der Zukunft! :)
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Medicus domesticus » Mo 23. Jan 2012, 09:55

Vieles kann allein aus Kostengründen gar nicht ausgegraben werden. Außerdem gibt es immer mehr technische Möglichkeiten sich ein Bild ohne Ausgrabung zu machen (siehe in Carnuntum durch Bodenvermessung und dann 3D Rekonstruktion). Aber man muß halt Dinge auch zur Altersbestimmung und zur weiteren archäologischen Untersuchung buchstäblich in der Hand haben. (siehe Harzhorn)
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon Zythophilus » Mo 23. Jan 2012, 13:50

Das vom Medicus erwähnte Carnuntum verfügt einerseits über rein virtuelle Rekonstruktionen, daneben wird aber auch massiv gebaut. Dieser Wunsch nach Antike "zum Anfassen" ist verständlich, obgleich es ein bisschen nach Römer-Disney-Land aussieht. Immerhin werden auf diese Weise finanzielle Mittel lukriert.
Stellvertretend für die Problematik neu errichteter antiker Gebäude kann auch ein Beispiel aus dieser Stadt stehen: Jahrelang wurde ein Bauwerk - die Zuweisung war nie unumstritten - als Dianatempel bezeichnet. Jetzt ist es auch offiziell keiner mehr. Eine späte Profanierung?
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon guenterus » Mo 23. Jan 2012, 23:12

Sodales,
da ich diesen schönen dialog über archäologie nunmal etwas provokativ angezettelt habe, noch einige kurze anmerkungen meinerseits: ich habe als " scherbenzeichner " an einer grabung im umfeld eines klosters teilgenommern. ich war fasziniert von der freude der teilnehmenden studenten und der kompetenz mit der alles dokumentiert wurde! seitdem interessiert mich dieser bereich und ich würde mir wünschen dass das bild dieser wichtigen wissenschaft mehr in das bewusstsein der allgemeinheit kommen würde! nescire, quid ante quam natus sis, acciderit id est semper puerum- meint cicero, und ich auch. ansonsten meine ich gehören die artefakte der grabungen direkt in die museen um somit den interessierten zugänglich zu sein! mehr und mehr werden z.zt. die museen frequentiert - warum wohl?
ich würde mich freuen, wenn noch ein wenig hier darüber geredet würde!
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Re: Archäologie der Antike

Beitragvon CP » Di 24. Jan 2012, 15:48

guenterus hat geschrieben:Sodales,
dass das bild dieser wichtigen wissenschaft mehr in das bewusstsein der allgemeinheit kommen würde!


Naja, ob so viele diese Wissenschaft für wichtig halten? Ich bin da eher etwas ernüchtert. Die z. B. in der verwandten Bauforschung zur Verfügung stehenden Mittel werden jährlich kärglicher, in der Archäologie dürfte es nicht anders aussehen.

guenterus hat geschrieben: ansonsten meine ich gehören die artefakte der grabungen direkt in die museen um somit den interessierten zugänglich zu sein!


Wobei die meisten nie zur Ausstellung gelangen, letztendlich auch nicht "ausstellungswürdig" sind. Was man zu sehen bekommt, bildet nur die Spitze des Eisbergs, der große Rest schlummert, oft genug unbearbeitet, in den Archiven.

guenterus hat geschrieben:mehr und mehr werden z.zt. die museen frequentiert - warum wohl?


U. a. weil ganze Schulklassen, die sich über den freien Tag freuen, durch Museen gelotst werden. Ich sehe das Ganze, wie Du siehst, deutlich pessimistischer als Du.


Ciao!
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