clipeus virtutis

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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clipeus virtutis

Beitragvon Brakbekl » Do 23. Feb 2012, 11:01

Hallo,

http://www.vroma.org/images/mcmanus_ima ... peus2a.jpg

gibt man clipeus virtutis bei Google-Bilder ein, erhält man vieles, unter anderem obiges Bild:

Wofür stehen die Buchstaben?
C - concordia
L - wird ja wohl nicht laetitia sein, oder?
V - victoria

Warum sind eigentlich Viktoria und Nike weiblich?
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon consus » Do 23. Feb 2012, 12:00

CL•V > Clipeus virtutis: http://www.socalcoins.com/collection/caesars/pages/AUGUSTUS_ric42a.htm
Νίκη bzw. Victoria stellen im Mythos Personifikationen der fem. Substantive ἡ νίκη bzw. victoria dar.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Laptop » Do 23. Feb 2012, 13:56

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POPVLVSQVE ROMANVS
IMP CAESARI DIVI F AVGVSTO
COS VIII DEDIT CLVPEVM
VIRTVTIS CLEMENTIAE
IVSTITIAE-PIETATIS-ERGA
DEOS PATRIAMQVE

Zu “virtutis”: ist es als “Tüchtigkeit” eine der aufgezählten Tugenden, oder wird es als Hypernym gebraucht?
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Brakbekl » Do 23. Feb 2012, 14:29

Clementia und Pietas - das klingt wie aus dem Katalog der sieben kath. Tugenden.

Auch wenn die Clementia caesaris berühmt war, war das Tugend, im Sinne von virtus - ich meine, es heißt ja nicht feminatio - aber martialisch ist das wohl kaum, eher gelinde!
Justitia, Fortuna, Vis, Animus, fidel etc. etc. das wäre doch altrömisch - martialisch.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Laptop » Fr 24. Feb 2012, 06:00

Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder meint virtus hier A) speziell die Tüchtigkeit, oder aber B) allgemein die vorzügliche Charaktereigenschaft. Auf keinen Fall aber die “Tugend”, wie Döderlein betont, [1].

Möglich wäre, daß auf dem Rundschild vier Charaktereigenschaften aufgezählt werden:
• Tüchtigkeit (Tatendrang)
• Milde (Nachsicht)
• Gerechtigkeit
• Pflichtbewußtsein (i. S. v. Wahrer der Traditionen).

[1] Virtus die Tüchtigkeit. Ich fühle so gut wie jeder andere wie unvollkommen dieses Wort dem lateinischen entspricht; aber Tugend entspricht eben gar nicht. Denn ungerechnet den altmodischen Eindruck, den das durch moralisirende Romane verbrauchte und zu Tode gejagte Wort auf manchen macht, ist eben an sich die moderne und christliche Tugend dadurch, daß sie zunächst in einem Seelenzustand und in der Schuldlosigkeit besteht, spezifisch verschieden von der virtus, welche durchaus Thatkraft und Wirksamkeit nach außen voraussetzt. Der thätigste und tapferste Held hat darum noch keine Tugend, und die frömmste Matrone darum noch keine virtus. Die blose Sittenreinheit heißt niemals virtus, wohl aber ist sie una de virtutibus, mithin auch aliqua virtus; denn virtutes χατ᾿ ἐξοχήν sind allerdings alle Tugenden oder Vorzüge, aber die Tugend sezt der christliche Sinn in etwas ganz anderes als der römische die virtus. Auf ähnliche Weise zählen die Mädchen allerdings unter den Frauen, aber ein Mädchen kann niemals eine Frau heißen.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Zythophilus » Fr 24. Feb 2012, 07:58

Vier positive Eigenschaften werden auf dem Schild aufgezählt, uirtus ist hier eine davon, obwohl dieses Wort natürlich auch als Oberbegriff verwendet werden könnte, da ja clementia etc. zu den uirtutes gerechnet werden kann. Wenn es "Tugend" im Sinn von "sittlich richtigem Verhalten" bedeutet, gibt es eine Überschneidung mit pietas, "Tapferkeit" passt auch nicht ganz. Freilich kann es gut möglich sein, dass man, um nur ja nichts auszulassen, positive Eigenschaften aufzählte, die auch Aspekte der anderen enthielten.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Laptop » Fr 24. Feb 2012, 09:13

@Zythophilus Gut, aber woher nimmst du deine Gewißtheit in dieser Sache? Wenn es so ist wie du sagst, was ich keinesfalls bezweifle, warum nannten die Römer den Rundschild “clipeus virtutis”, was ja in Wirklichkeit nur eine Verkürzung wäre, ganz wie der Name “Nunc dimittis …” für das Gebet. Zu erwarten wäre ein Name wie clipeus augustianus o. dgl.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 24. Feb 2012, 09:46

Vielleicht eine kleine Anregung zu diesem Thema:
http://books.google.de/books?id=y6QM6l9 ... is&f=false
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Brakbekl » Fr 24. Feb 2012, 10:35

Laptop hat geschrieben:[1] Virtus die Tüchtigkeit. Ich fühle so gut wie jeder andere wie unvollkommen dieses Wort dem lateinischen entspricht; aber Tugend entspricht eben gar nicht. Denn ungerechnet den altmodischen Eindruck, den das durch moralisirende Romane verbrauchte und zu Tode gejagte Wort auf manchen macht, ist eben an sich die moderne und christliche Tugend dadurch, daß sie zunächst in einem Seelenzustand und in der Schuldlosigkeit besteht, spezifisch verschieden von der virtus, welche durchaus Thatkraft und Wirksamkeit nach außen voraussetzt. Der thätigste und tapferste Held hat darum noch keine Tugend, und die frömmste Matrone darum noch keine virtus. Die blose Sittenreinheit heißt niemals virtus, wohl aber ist sie una de virtutibus, mithin auch aliqua virtus; denn virtutes χατ᾿ ἐξοχήν sind allerdings alle Tugenden oder Vorzüge, aber die Tugend sezt der christliche Sinn in etwas ganz anderes als der römische die virtus. Auf ähnliche Weise zählen die Mädchen allerdings unter den Frauen, aber ein Mädchen kann niemals eine Frau heißen.


Laptop, ich finde diesen Abschnitt 19. Jahrhundert. Tugend ist einfach Tauglichkeit und die Tugenden sind Tauglichkeiten. Die Darstellung des Begriffes Tugend auf (inzwischen weitgehend aufgegebene Moralvorstellungen bez. der Geschlechtlichkeit) war immer eine unzulässige Verengung. Sittenreinheit, man muß heute aufpassen, bei positiver Verwendung des Wortes, sich keinen Rassismusvorwurf einzufangen, meinte ja damals vorzüglich die das Geschlechtsleben betreffenden Sitten, nicht die Ernährungs- und sonstigen Sitten eines Volkes äh- einer Population. Sittenreinheit - welch schönes Wort - ist in diesem Sinne nur eine Tugend, wenn auch eine hervorragende. Gomes Davila meinte einmal sinngemäß, daß der ungeheure Effort Preussens im 19. Jahrhundert allein auf der "Sittenstrenge" der diesen Staat tragenden landjunkerlichen OffiziersKaste beruhe, und damit meinte er genau jene oben zitierte sich auf das Geschlechtliche beziehende "Sittenreinheit", die später Fontane in L'adultera und Effi Briest so bloßstellte.

Es ist interessant zu sehen, wie gewisse Kreise in Deutschland, die tendentiell immer für ein "Niederreißen" "überkommener" "Moralvorstellungen" sind, beredt schweigen, wenn mekkaorientierte Einwanderer aufgrund "überholter Moralvorstellungen" die Sittenreinheit ihrer Töchter bis in den Tod (sog. "Ehren"- Mord) zu bewahren suchen. Also, wer gegen Preußen und Überholtes und überhaupt gegen Moralvorstellungen ist, müßte eigentlich auch auf Demonstrationen gegen Ehrenmord zu finden sein.

Von hierher wird auch deutlich, warum Clipeus virtutis. Die Tugenden allgemein sind ein Schirm und Schild in den Fährnissen des Lebens. Tugenden sind ja nur Abstraktionen von Verhaltensweisen. Und gewissen Verhaltensweisen haben offensichtlich konfliktminderne bzw. vermeidende Wirkung.

Man hat heute leider den Eindruck, daß der Jugend bewußt der clipeus virtutis vorenthalten, ja daß sie vorsätzlich in konfliktgenerierende Situationen geschupst bzw. in konfliktproduzierenden Verhaltensweisen unterrichtet werden, unter dem Ziel, wer mit sich zu tun hat, bleibt unpolitisch und die Beseitigung bzw. Überwindung der in der Jugend injizierten Lügen kostet Geld, produziert mithin abschöpfbare Geldströme.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Laptop » Fr 24. Feb 2012, 12:33

brakbekl hat geschrieben:Tugend ist einfach Tauglichkeit und die Tugenden sind Tauglichkeiten.
Im ursprünglichsten und allgemeinsten Sinne vielleicht. Aber wir gehen ja von unserem heutigen Begriff der “Tugend” aus, und die trägt den christlich-moralischen Sinn, nicht den Althochdeutschen. Das DWB bestätigt hier nochmal Döderlein: «die dem deutschen worte eigene grundbedeutung, tugend als ein 'tüchtigsein', entspricht also genau der antiken tugendauffassung.»
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Zythophilus » Sa 25. Feb 2012, 23:41

clipeus uirtutis ist eben kürzer als alle vier Elemente aufzuzählen. Tatsächlich mag hier auch die Ambivalenz des Wortes mitspielen, uirtus als einzelne positive Eigenschaft unter mehreren und als Überbegriff, sodass im Namen des Schildes tatsächlich der zweite Aspekt stärker hervortritt.
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Re: clipeus virtutis

Beitragvon Laptop » So 26. Feb 2012, 12:04

Zythophilus hat geschrieben:clipeus uirtutis ist eben kürzer als alle vier Elemente aufzuzählen. Tatsächlich mag hier auch die Ambivalenz des Wortes mitspielen, uirtus als einzelne positive Eigenschaft unter mehreren und als Überbegriff, sodass im Namen des Schildes tatsächlich der zweite Aspekt stärker hervortritt.


Danke Zytho, das wollte ich klären.
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