Mittelbarkeit des Grunds bekannt?

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Mittelbarkeit des Grunds bekannt?

Beitragvon Laptop » Do 20. Dez 2012, 10:00

Gibt es in der antiken Logik schon Kenntnis darüber, daß ein Grund mittelbarer bzw. unmittelbarer sein kann, und wie hat man das terminologisch erfaßt?

Bspw. auf die Frage “warum ist es im Winter bei uns kälter als im Sommer?” kann man drei Gründe nennen, je nach Betrachung der Ursache, oder der Folge, so
der Urgrund: die Erdachse steht schief (abgeneigt) zur Sonnenachse
.... darauf folgt in Konsequenz ...
der mittelb. Grund: im Winter verläuft die Sonnenbahn flacher am Himmel (Sonne steht tiefer)
.... darauf folgt in Konsequenz ...
der unmittelb. Grund: durch die Atmosphäre dringt weniger Wärmestrahlung

Gab es sowas wie causa principialis, c. medialis, c. proxima, od. dgl.? Ganz ähnlich sieht die Lage auch in der Medizin aus, wo Krankheiten eine Art “Kausalkette” von Gründen und Folgen (Symptomen) aufzeigen.
Zuletzt geändert von Laptop am Sa 22. Dez 2012, 01:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mittelbarkeit des Grunds bekannt?

Beitragvon Prudentius » Fr 21. Dez 2012, 21:23

Ich würde die drei Begründungen gar nicht so zusammenordnen, würde sie lieber als drei gleichberechtigte Sichtweisen verstehen, Kausalerklärungen sind ja subjektive Konstrukte, man wählt ein Naturgesetz aus, das die Form eines generellen Konditionals hat ("Wenn ein Körper von der Sonne bestrahlt wird, erwärmt er sich"), und wendet dieses auf einen speziellen Fall an ("Weil die Erde im Winter weniger bestrahlt wird,...").
(Ich würde sagen, "unmittelbar" kann man nicht steigern, es sagt ja, dass nichts in der Mitte ist, da gibt es kein mehr oder weniger.)

Unterscheidung von Gründen hat es in der Antike gegeben, am bekanntesten ist die Stelle bei Thukydides 1:23, wo er bei der Darstellung der Kriegsgründe den unmittelbaren Anlass (aitia, "casus belli", wie wir sagen) von der tieferen, eigentlichen Ursache (prophasis) unterscheidet, der Befürchtung der Spartaner, die athenische Machterweiterung bedrohe sie.

Aristoteles entwickelte eine "4-Ursachen-Lehre", die ja bis ins MA. beherrschend blieb, daher sind die Bezeichnungen auch im scholastischen Latein verbreitet: darunter die "causa efficiens", Wirkursache, und die "causa materialis", die könnte man in deinem Sinne verstehen, die Bodenbeschaffenheit ist ja eine mittelbare Ursache für das Gedeihen einer Pflanze; die Steinstruktur für das Aussehen der Statue; und die "causa finalis"; ein Grund für die Arbeitsgänge beim Autobau ist ja, "damit es fährt".

Soviel fällt mir zu dem Thema ein, es soll keine vollständige Antwort sein,

Gruß P. :)
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Re: Mittelbarkeit des Grunds bekannt?

Beitragvon Laptop » Sa 22. Dez 2012, 01:33

@Prudentius Danke soweit. Das Modell Aristoteles’ deckt sich m. E. nicht mit unserem Verständnis von Kausalität. Die einzige seiner vier Kategorien (Substanz, Anordnung, Wirkung, Zweck), die auch in die Schublade paßt, wie wir als “Grund” betiteln, ist die Wirkung. Mir geht es um die Ausdrückbarkeit der Erkenntnis, daß Wirkungen/Faktoren/Gründe direkteren oder indirekteren Einfluß auf das Akzidenz haben, “ferner” od. “näher” liegen, wie dieses Bild veranschaulicht:
Bild
Wobei mir auch unsicher bin, wie wir Deutschen diesen Sachverhalt ausdrücken. Ich kenne lediglich unbeholfene Ausdrücke wie “der Ansatz ist oberflächlich”, “das packt das Problem nicht an der Wurzel”, “Symptombehandlung”, “das greift nicht systemisch”, u. dgl.
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Re: Mittelbarkeit des Grunds bekannt?

Beitragvon Prudentius » Do 27. Dez 2012, 18:35

Vielleicht sollte man das begriffliche Umfeld von "Grund" einbeziehen, man sagt, A ist der Grund von B, wenn alle A B sind, d.h. wenn es einen allgemeinen Satz (Gesetz) gibt in der Form: "Wenn etwas A ist, ist es B", man ordnet das Besondere unter ein Allgemeines ein; worauf es hier ankommt, ist, dass diese Sätze einen genau abgesteckten Geltungsbereich haben müssen. Es kann nun sein, dass dieser Geltungsbereich sich nicht mit den Grenzen des Systems deckt, aus dem die Beispiele genommen sind.

Ausdrücke wie “der Ansatz ist oberflächlich”, “das packt das Problem nicht an der Wurzel”, “Symptombehandlung”, “das greift nicht systemisch”


Das könnte man so erklären; Bsp.: "Amicus hat den Genitiv auf -i, weil es auf -us endet", das ist oberflächlich im Ansatz, denn man kann Gegenbeispiele (corpus) bringen, das packt das Problem nicht an der Wurzel. Das Gesetz "Wörter auf -us bilden den Genitiv auf -i" ist nur in einem beschränkten Bereich gültig, man kann es universal gültig machen durch Vorschalten eines Satzes: "Für die o-Deklination gilt:".

Mir ist nicht klar, was du mit dem "Akzidenz" meinst.
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