antike Kochkunst

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon philistion » Do 16. Apr 2009, 16:59

Gute Beschreibung, lädt zum Nachkochen ein! :)

Mir ist da allerdings was aufgefallen:

Noctua hat geschrieben:...das ich danach entsorgt habe.

Hätte das nicht schon viel gutes Fleischaroma angenommen und somit gut zur Sauce gepasst?
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Re: antike Kochkunst

Beitragvon RM » Do 16. Apr 2009, 18:04

Wichtige Regel: Olivenöl, das man zum Anbraten verwendet hat, wegwerfen, da unbekömmlich!

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Marcus » Mo 20. Apr 2009, 19:41

RM hat geschrieben:Und hier mal wieder ein "normales" Rezept:
Vitellina fricta (Apic. 8,5,1): piper, ligusticum, apii semen, cuminum, origanum, cepam siccam, uvam passam, mel, acetum, vinum, liquamen, oleum, defritum.
Gebratenes Kalbfleisch: Pfeffer, Liebstöckel, Selleriesamen, Kümmel, Oregano, getrocknete Zwiebel, Rosinen, Honig, Essig, Wein, "Garum", Öl, Traubensirup.
Zutaten für 15 Personen (man kann einen solchen Rinderbraten nicht für 4 Personen machen):


warum nicht? :)
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Re: antike Kochkunst

Beitragvon RM » Mo 20. Apr 2009, 19:57

Bezieht sich die Frage auf die 4 Personen?

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Marcus » Mo 20. Apr 2009, 19:58

ja ;)
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Re: antike Kochkunst

Beitragvon RM » Mo 20. Apr 2009, 21:52

Naja, für 4 Personen macht man halt eben eine Art Fiorentina (Rinderfiletsteak) statt des Bratens. Bei einem Braten sollte man aber mindestens 1,5-2kg am Stück haben, damit er saftig bleibt.

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Noctua » Mi 22. Apr 2009, 10:57

RM hat geschrieben:Naja, für 4 Personen macht man halt eben eine Art Fiorentina (Rinderfiletsteak) statt des Bratens. Bei einem Braten sollte man aber mindestens 1,5-2kg am Stück haben, damit er saftig bleibt.

8) RM

Wenn es dir zu viel erscheint und Du aber dennoch gern den Braten machen möchtest: entweder man lädt sich ein paar nette Freunde ein (das war für mich die Gelegenheit das Rezept auszuprobieren :wink: ), oder: man kann das Fleisch auch kalt essen. Wir hatten ein paar Scheiben übrig und sie waren kalt sehr lecker. Man könnte das restliche kalte Fleisch in dünne Scheiben schneiden und mit Salat und Balsamico servieren. Oder man erwämt noch etwas von der restlichen Sauce und richtet es damit an, dazu Olivenciabatta. Oder wie wärs mit Vitello tonnato?

clayman hat geschrieben:Mir ist da allerdings was aufgefallen:
Hätte das nicht schon viel gutes Fleischaroma angenommen und somit gut zur Sauce gepasst?

Das Aroma der Sauce kommt durch die Gewürze und den Rotwein/Olivenölsud.
Dass Olivenöl unbekömmlich wird, wußte ich bisher nicht, aber es verliert den Eigengeschmack. Wenn Du Gemüse andünstest (oder Fisch...) und es beispielsweise mit Nudeln servieren möchtest und anstelle von Sauce den Geschmack des Olivenöls haben möchtest, dann gibst Du auch erst ganz kurz vor Bratende viel Olivenöl zum Gemüse (und dabei nicht geizen!) und läßt es nur warm werden. Zum einen wird das Essen nicht so matschig, weil es beim braten/dünsten in Öl geschwommen ist, und zum anderen behält das Öl dann seinen Geschmack.

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Procopius » Do 23. Apr 2009, 22:21

Salvete,
ich war sehr verwundert, als ich neulich bei Ammian über Kaiser Constantius folgende Stelle las (21, 16, 7 f.):

quod autem nec os tersisse umquam vel nares in publico nec spuisse nec transtulisse in partem alterutram vultum aliquando est visus nec pomorum, quoad vixerat, gustaverit, ut dicta saepius praetermitto.
Dinumeratis carptim bonis, quae scire potuimus, nunc ad explananda eius vitia veniamus, cum esset
eqs.

Warum sah man es als einen Vorzug (virtus) an, daß dieser Mann in seinem Leben wohl niemals Obst gegessen hat?
Mir ist das dunkel.

:help:
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Re: antike Kochkunst

Beitragvon RM » Do 23. Apr 2009, 22:44

Hmmm ... ich würde zunächst mal schauen, ob "pomum" bei Ammianus nicht vielleicht eine ganz spezielle Bedeutung hat. Es könnten vielleicht Kirschen gemeint sein, denn in 22, 8, 16 finden wir et Cerasus, unde advexit huius modi poma Lucullus. Kirschen waren damals sicher noch ein Luxus, und vorher war davon die Rede, daß er sparsam war.

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Procopius » Sa 25. Apr 2009, 22:50

^^^^^^^^
Lieber RM,
wir kommen nicht weiter in dieser für die Eßkultur der späteren Antike interessanten Frage. Dein Zitat besagt doch eigentlich nichts weiter, als daß Kirschen eben eine Obstsorte sind.
Inzwischen habe ich auch nachgeschaut im Index verborum Ammiani Marcellini von Maria Chiabò
und im
Ammiani Marcellini rerum gestarum Lexicon von Ioannes Viansino.
Beide geben leider keine Wortbedeutungen an, sondern sind Stellenverzeichnisse.
Es wäre nett, wenn Du die Frage "im Hinterkopf behältst.
Gruß
P.
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De Constantii virtutibus

Beitragvon consus » So 26. Apr 2009, 00:08

Salve, Procopi.
Nahm gerade jetzt erst rein zufällig, da ich mich wegen meiner nicht sehr ausgeprägten Fähigkeiten im Bereich der Kochkunst nur selten hier aufhalte, deine Anfrage zur Kenntnis. Da fiel mir ein, doch einmal in den Sextus Aurelius Victor zu schauen. Vermutlich hängt Constantius' Verzicht auf poma mit seiner asketischen Lebensweise zusammen. Das lässt den Schluss zu, dass poma zu den üppigeren Tafelfreuden (etwa beim Nachtisch) gehörten. Vgl. Aur. Vict. Caes. 42, 23: cibi omnis libidinis atque omnium cupidinum victor bzw. epit. Caes. 42, 18: a cibo vinoque et somno multum temperans. Zu poma u. a. Petron. 60, 4ff.
Bene vale.
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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Procopius » So 26. Apr 2009, 22:53

Lieber Consus,
ich glaube, Du hast das Problem wieder einmal gelöst. Heute tagsüber las ich darüber auch noch im Neuen Pauly nach, der mehrere - teilweise leider schlecht dokumentierte - Artikel über Ernährungsfragen enthält (z.B. Ernährung, Obst, Obstanbau, Eßkultur). Danach sei Obst allgemein teuer und der Verzehr eher in höheren Gesellschaftsschichten verbreitet gewesen; andererseits sei es aber auch in größerem Maße gegessen worden als heute. Beides stimmt zu dem, was Du sagst.
Vielleicht haben ihn (Constantius II.) ja auch die Christen ein wenig heroisiert, weil er ein großer Wegbereiter war ihres endgültigen Sieges.
Und ich dachte schon, ich hätte einen neuen Grund für den Untergang des Römischen Reiches entdeckt: Vitaminmangel.
Ha, Ha, Ha! :lol:
Gruß
P.
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Re: antike Kochkunst

Beitragvon RM » Mo 27. Apr 2009, 22:05

Was die Preise betrifft, kann man hier ein wenig nachlesen: http://www.hs-augsburg.de/~harsch/dio_intr.html
Mir kommen jetzt die Preise für Obst nicht so exorbitant vor, daß man im 4. Jhdt. von einem wirklichen Luxusgut hätte reden können - natürlich haben sich die unteren Schichten recht einseitig und oft von Getreidebrei u.ä. ernährt, davon dürfte Constantius jedoch weit genug entfernt gewesen sein. Der Erfolg der zu dieser Zeit entstandenen Apicius-Ausgabe zeigt, daß einiges an Obst bekannt war und zur Verfügung gestanden haben muss. Die vorher zitierte Petron-Stelle (60,4) kann man da natürlich nicht ganz ernst nehmen, da sie ja gerade die überhöhte Pervertierung römischer Geschmacksverirrungen an einem ungebildeten aber reichen Emporkömmling zeigen soll. Oder was würdet ihr normalerweise über mit Safran gefüllte Feigen, Kirschen und Pfirsiche sagen? :cry: Aber Anthimus - o.k., war ein wenig später - zählt eine Menge "poma" auf, nämlich Quitten, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, Aprikosen, Kirschen, Maulbeeren, Feigen, Kastanien, Haselnüsse, Mandel, sogar Pistazien, Datteln, karische Feigen, Rosinen und Trauben. Obst war also jede Menge bekannt. Schon Cato importierte Feigen aus Karthago ... Ich glaube daher nicht, daß es an der generellen Exklusivität oder Extravaganz gelegen hat, wenn unser guter Constantius keine "poma" aß. Ich halte es auch nicht für besonders heroisch, darauf zu verzichten, da der Tafelluxus sich eher in anderen Speisen ausdrückte, z.B. Saueuter, Austern, Seeigel etc. In dem Festmahl mit den Vestalinnen, von dem Macrobius berichtet, finden wir eine schöne Aufzählung für diese Art von Sterneküche. Auf jeden Fall tauchen in diesen Aufzählungen eher Fleischgerichte und Meeresfrüchte als Obst auf. Obst stand sicherlich in Schalen einfach herum (manche Wandmalerei erzählt davon), so daß man sich nehmen konnte, was man wollte. Aber vielleicht mochte Constantius einfach keines, soll's ja auch geben. Daß seine Zeitgenossen das merkwürdig fanden, ist logisch.

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Re: antike Kochkunst

Beitragvon Procopius » Di 28. Apr 2009, 00:33

Vielen Dank, RM, für Deine weiteren Hinweise.

Aber auch Ammian betont den Asketismus des Constantius. Kurz zuvor (21,16,5 sq.) schreibt er:

In vita parca et sobria edendi potandique moderatione valetudinem ita retinuit firmam, ut raros colligeret morbos, ... . somno contentus exiguo, ... perque spatia ... longissima ... castus ... .
^
:klatsch:

P. :)
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Amm. 21, 16, 7.

Beitragvon consus » Di 28. Apr 2009, 09:25

Salve, Procopi.
Wenn Obst "sicherlich ... einfach", wie behauptet wird, herumgestanden haben sollte* und Constantius trotzdem immer die Finger davon ließ, dann scheint er frei vom Laster der ligurritio gewesen zu sein, was ganz gut ins Bild passt**. Hier sei u. a. des Kontrastes wegen Vitellius als princeps gulae parens genannt: Suet. Vit. 13. Im Übrigen erschließt sich der Stellenwert jener Notiz Ammians, die in die Kategorie der dicta saepius gehört, erst aus einer ins Einzelne gehenden Gesamtinterpretation von 21, 16. Es ist doch auffallend, dass sie den Teil des Kapitels 16 abschließt, auf den Ammianus beim Übergang ad explananda eius [sc. Constantii] vitia mit den Worten dinumeratis carptim bonis zurückweist. Aber das hat jetzt wahrlich nichts mehr mit antiker Kochkunst zu tun.
Bene et feliciter vale.
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* Vgl. die Früchtekörbchen auf dem Dionysosmosaik aus dem Triclinium eines römischen Peristylhaues in Köln.
** Morgen werde ich in der Sem.Bibl. einmal nachschauen, was Pieter de Jonge (Philological and Historical Commentary on Ammianus Marcellinus, Bd. 21. XXI, Groningen 1948) schreibt.
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