εἰς τὸ δέον

Das Forum für professionelle Gräzisten und Studenten der Griechischen Philologie

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εἰς τὸ δέον

Beitragvon Bitmap » Do 5. Mär 2009, 10:49

Liebe Expertengemeinschaft :-)

Das vorweg: Ich besuche dieses Forum schon seit einiger Zeit, auch wenn ich bisher nie selbst etwas geschrieben habe. Ich habe den Eindruck, dass hier einige klassisch sehr bewanderte und intelligente Leute mit am Werk sind - deshalb wende ich mich mit der Frage an euch.

Ich bin beim Schreiben einer Hausarbeit über Athen in klassischer Zeit auf eine Stelle bei Plutarch gestoßen, in der es heißt

Plut. Per. 23 hat geschrieben:τοῦ δὲ Περικλέους ἐν τῷ τῆς στρατηγίας ἀπολογισμῷ δέκα ταλάντων ἀνάλωμα γράφαντος ἀνηλωμένων εἰς τὸ δέον (...)


Hier geht es wohl um Perikles, der für einen Feldzug 10 Talente aufgelistet hat für "notwendige Ausgaben", wie man es gemeinhin übersetzt findet.

Mein Graecum ist zwar noch nicht so lange her, aber ich kann mir trotzdem nicht mehr so richtig herleiten, wie dieses "εἰς τὸ δέον" zu verstehen ist und habe auch gerade keine Grammatik zur Hand. Kommt das von δεῖ (man muss / es ist nötig)? Wenn ja, ist diese -ov Form so etwas wie das lateinische Gerundivum? Und gibt es eine direktere Übersetzung als "für notwendige Ausgaben"? Das scheint ja so nicht ganz dazustehen.

Vielen Dank an alle, die sich die Mühe machen sollten, mir das kurz zu erklären :-)
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon consus » Do 5. Mär 2009, 11:29

Servus. Kurzantwort:
τò δέον: Part. Prs. Neutr. des unpers. δει: das, was sein muss > das Erforderliche u.dgl.
εις dient der Angabe eines Zieles bzw. Zwecks: zu, im Hinblick auf ...
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Bitmap » Do 5. Mär 2009, 14:01

Oh, das ist ein Partizip Neutrum. Dann wirkt meine Frage wohl gleich noch blöder, denn da hätte man ja auch von selbst drauf kommen können *g
Zumindest ergibt das jetzt Sinn für mich. Vielen Dank für die schnelle Antwort :-)
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Bitmap » Do 5. Mär 2009, 17:31

Es gibt noch eine Stelle, mit der ich nicht ganz zurecht komme.

Plut. Per. 22 hat geschrieben:οἰ Λακεδαιμόνιοι τὸν μὲν βασιλέα χρήμασιν ἐξημίωσαν


Dazu hab ich gleich 2 Fragen:
1. Ich kann ἐξημίωσαν nicht im Wörterbuch finden. Weder unter ἐξε- noch unter ἐξη- noch unter ἐξα- finde ich irgendein Verb, das dem Wort ähnlich sieht. Wo muss ich nachschauen?
2. In Zieglers Übersetzung steht, die Lakedaimonier hätten ihren König mit einer Geldbuße belegt. Kann man das auch anders verstehen und übersetzen? Ich kenne χρημάτα als Güter/Besitz. Ich kenne mich nicht gründlich mit den Lakedaimoniern aus, aber soweit ich weiß, hatte Sparta auch eine künstlich zurückgefahrene Wirtschaft, um soziale Unterschied möglichst gering zu halten, verbunden mit einer eigentlich wertlosen Eisenwährung. Wäre da eine Geldstrafe nicht sinnlos?
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Beitragvon consus » Do 5. Mär 2009, 22:00

Servus.
Die Verbform heißt εζημίωσαν (mit ζ) und kommt von ζημιόω (= bestrafen). Zum Historischen sollten andere etwas sagen.
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Bitmap » Do 5. Mär 2009, 23:17

ich scheitere an den einfachsten Sachen :-(

Trotzdem vielen Dank :)
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Procopius » Do 5. Mär 2009, 23:46

Ich warne davor, die Übersetzung Zieglers anzuzweifeln. Der Vorgang wird auch sonst erwähnt.
Falls Du dem nachgehen willst:
a) Scholien zu Aristophanes, Nubes, 859
b) Thukydides, Buch V, 16,3. Danach wurde die Strafe, die mit einer Ächtung verbunden war, 19 Jahre später wiederaufgehoben.
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Bitmap » Sa 7. Mär 2009, 10:47

Hallo Procopius,

vielen Dank für die Verweise auf Thukydides und Aristophanes. Allerdings ging es mir gar nicht darum, dieses Ereignis anzuzweifeln. Meine Frage ist nur, ob man sich statt einer Geldstrafe auch so etwas wie eine Enteignung vorstellen kann (oder zumindest teils teils). Die direkte Übersetzung dieses Satzes, den mir consus dankenswerterweise berichtigt hat, ist doch, dass die Lakedaimonier ihren König mit/durch χρημάτα bestraften, oder? Und die umfassen Besitz/Güter, davon abgeleitet aber natürlich auch Geld... nur war Geld in Sparta ja ohnehin nichts wert ... oder doch?
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Domingo » Sa 7. Mär 2009, 14:47

Vermögensstrafen werden in gr. Rechtsinschriften immer mit einer Wertangabe in Geld bestimmt, also "Wer XYZ tut, muss (zum Beispiel) 100 Krateren zahlen". Ich würde es schon als Hinweis auf Geld in unserem Sinne, zumindest auf Edelmetall sehen. Wenn Du meinst, in Sparta sei es anders gewesen, dann bist Du nach meiner Ansicht selber in der Beweispflicht.

Gruß
Domingo
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Procopius » So 8. Mär 2009, 01:25

@ Bitmap
Nein, Geld war in Sparta nicht wertlos. Einzelne Spartaner brüsteten sich sogar mit ihrem Reichtum. Darüber kann man bei Xenophon im "Staat der Lakedaimonier" nachlesen. Wäre es anders, hätte die "Anti-Luxus-Gesetzgebung" keinen Sinn gemacht.
Einiges dazu findest Du bei: Stefan Link, Der Kosmos Sparta, Darmstadt, 1994, vgl. das Register dort unter "Geld".
In diesem Buch wird übrigens auf S. 82 f. auch Deine Stelle mit mehreren weiteren Literaturangaben besprochen. Danach soll es Ziel dieser (hohen) Strafe gewesen sein, den König aus Sparta zu vertreiben, weil von vorneherein klar gewesen sei, daß er die Summe nicht würde aufbringen können. Jedoch ist das streitig.
(Bei der ganzen Frage muß man natürlich auch die verschiedenen Epochen der spartanischen Geschichte unterscheiden.)
Viele Grüße
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Bitmap » So 8. Mär 2009, 21:05

Vielen Dank für die umfangreiche Antworten. Damit ist für mich eigentlich alles geklärt :-)
Warst du meinetwegen extra in der Bibliothek, Procopius? Vielen Dank für den Aufwand und die Literaturhinweise :)
Bitmap
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Re: εἰς τὸ δέον

Beitragvon Procopius » Mo 9. Mär 2009, 01:12

Nein, ich hab' das Buch zu Hause.
:) :book:
Viel Erfolg bei Deiner Arbeit, Bitmap!
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