lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Diskussionen zu den antiken Philosophen, ihren Ideen und ihrer Rezeption

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lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon lateinisches ich:P » Mo 28. Sep 2009, 17:32

Hallo:)

ich will niemandem umstände machen, aber vllt kann mir ja jemand helfen oder wenigstens einen tipp geben?!...

ich möchte dieses jahr in Latein eine GFS halten (10.klasse) mein thema ist:
das atommodell des lukrez..

zunächst fand ich das wirklich eifnach aber mein lehrer meinte ich soll bespiele bringen was uns lukretz zeigen will..
z.B. dass er uns die angst vor dem tod, dem zorn der götter und dem fegefeuer nehmen will indem er sagt dass die seele nichts stirbt und die götter nichts mit der materie zu tun haben.. (so etwas in der art)..

ich wäre echt dankbar wenn mir jem (wenn auch nur ein bisschen) helfen könnte..
ich kann jedes wissen gebrauchen:)

viielen dank♥
lg
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon RM » Mo 28. Sep 2009, 19:11

Ich würde zuerst Beispiele für die Beweise bringen, mit denen Lukrez seine Atomtheorie belegt, also z.B. den Vergleich, wie Öl und Wein durch ein Sieb fließt (2, 389):
quare, nisi luminis illa minora
corpora sunt quam de quibus est liquor almus aquarum?
et quamvis subito per colum vina videmus
perfluere, at contra tardum cunctatur olivom,


Das mit den Göttern ist zwar relevant für die Argumentation des Lukrez, hat jedoch mit der Atomtheorie nur nebenbei zu tun. Interessant ist die Wechselwirkung der Götterwelt mit den Menschen über besonders kleine "Atome" - wenn überhaupt. Daraus ergibt sich, daß die Götter keinen direkten Einfluß auf das Weltgeschehen nehmen können (s. z.B. 1, 44):
omnis enim per se divum natura necessest
immortali aevo summa cum pace fruatur
semota ab nostris rebus seiunctaque longe;


und in 2, 646 noch einmal etwas Ähnliches:
omnis enim per se divom natura necessest
inmortali aevo summa cum pace fruatur
semota ab nostris rebus seiunctaque longe;
nam privata dolore omni, privata periclis,
ipsa suis pollens opibus, nihil indiga nostri,
nec bene promeritis capitur neque tangitur ira.
terra quidem vero caret omni tempore sensu,
et quia multarum potitur primordia rerum,
multa modis multis effert in lumina solis.


und wieder ab 5, 146:
Illud item non est ut possis credere, sedes
esse deum sanctas in mundi partibus ullis.
tenvis enim natura deum longeque remota
sensibus ab nostris animi vix mente videtur;
quae quoniam manuum tactum suffugit et ictum,
tactile nil nobis quod sit contingere debet;
tangere enim non quit quod tangi non licet ipsum.
quare etiam sedes quoque nostris sedibus esse
dissimiles debent, tenues de corpore eorum;
quae tibi posterius largo sermone probabo.

(und folgende Zeilen)

Sehr wichtig die Stelle über Seele, Geist und Körper und deren Wechselwirkungen ab 3, 134 (ist zu lang, um sie hier zu zitieren). Fundamental ist folgender Satz (3, 161): Haec eadem ratio naturam animi atque animai corpoream docet esse;

Darauf folgt die Hypothese über die Natur der Atome, die die Gedanken erzeugen (3, 183):
Nil adeo fieri celeri ratione videtur,
quam si mens fieri proponit et inchoat ipsa;
ocius ergo animus quam res se perciet ulla,
ante oculos quorum in promptu natura videtur.
at quod mobile tanto operest, constare rutundis
perquam seminibus debet perquamque minutis,
momine uti parvo possint inpulsa moveri.


Das alles sind ausgesprochen moderne Gedankengänge, die den Lukrez im Zuge der neuen Elementarteilchenphysik etc. sehr aktuell machen.

Grundsätzlich erklärt Lukrez die Welt bzw. die Naturgesetze über Teilchen und Wechselwirkungen, ganz so, wie wir das in der modernen Physik machen. In einer solchen Welt haben die Götter keinen direkten Platz mehr, sie können mit den Dingen nicht mehr wechselwirken, da sie selbst nicht "dinglich" sind. In diesem Kontext werden viele Elemente der Religion zum Aberglaube und hinfällig. Dennoch ruft er zu Beginn Venus an, die einzige Kraft, die in einer solchen Natur ihren Platz findet, da sie die Anziehungskraft verkörpert.

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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon lateinisches ich:P » Mo 28. Sep 2009, 19:47

okay:) viiielen dank... die texte und so find ich total super.. dann hab ich auch belege..
nur weißt du auch zuifällig noch eine seite mit übersetzungen?

lg
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon RM » Mo 28. Sep 2009, 19:52

Übersetzung? Am besten kaufst du dir eine, aber eine gute, dann hast du was für's Leben. Such dann dort aber auch selbst nach Belegen!

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Lukrezübersetzung von Hermann Diels

Beitragvon consus » Mo 28. Sep 2009, 20:07

Auf Hermann Diels, der u. a. auch die große Ausgabe der Fragmente der Vorsokratiker besorgte, geht eine Übersetzung von Lukrezens Lehrgedicht De rerum natura zurück. Sie steht, mit hilfreicher Gliederung versehen, auch im Netz: http://www.textlog.de/lukrez-natur-prinzipien.html.
:book:
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon RM » Di 29. Sep 2009, 00:51

Tja, aber leider ohne Zeilennummern und ohne Originaltext, schade, schade ... :eek:

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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon romane » Di 29. Sep 2009, 07:16

wo ist das Problem?

lat.: www.thelatinlibrary
-----------
alles kopieren und dann mit Zeilen-Nr. versehen.
Die Freiheit ist ein seltsames Wesen - wenn man es gefangen hat, ist es verschwunden

www.mbradtke.de
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon RM » Di 29. Sep 2009, 08:06

Ich habe damit kein Problem, bei mir steht Lukrez in mehreren Ausgaben im Regal :)
Aber thelatinlibrary ist auch keine Lösung für die fehlenden Zeilennummern der Dielsschen Übersetzung.

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Lukrez-Übersetzung von Knebel

Beitragvon consus » Di 29. Sep 2009, 11:30

Auch Karl Ludwig von Knebel, ein Zeitgenosse Goethes, übersetzte Lukrez. Die Übersetzung ist mit Zeilennummern, Einführung und detaillierten Inhaltsangaben versehen (im Netz zu finden mit books.google.com).
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon lateinisches ich:P » Di 29. Sep 2009, 19:22

okay.. vielen dank an alle.. :)
nur noch einmal.. um nochmal nachzuhaken..

lukrez nimmt ja den römern die angst vor dem tod und der hölle und den strafen der götter usw indem er erklärt, dass die seele sterblich ist..

gibt es noch so etwas das er erläutert.. mit dem er den römern zu einem "leichteren leben" verhelfen will..

ich habe gelsen:
"Das Ziel von Lukrez war es also zu einem befreienden Leben zu führen. Ein Leben ohne Zwang und Übel. Sei es im politischen oder im gesellschaftlichen Leben."

Weiß also jem ein bseispiel wie er den Römern versucht das politische und gesellschaftliche Leben anhand des atommodells (oder so wie mit den göttern und der sterblichen seele) zu vereinfachen?

lg und schonmal und nochmal vielen dank^^
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon RM » Di 29. Sep 2009, 20:47

Naja ... also ehrlich gesagt: Wer versucht, Lukrez auf die Auffassung zu reduzieren, dass er den Menschen die Angst vor dem Tod und den Göttern nehmen und sie zu einem "befreienden Leben" führen wollte, der sollte De Rerum Natura noch einmal lesen :wink:
Wichtig für die Zielsetzung des Lukrez ist die Passage ab 1, 45:
Humana ante oculos foede cum vita iaceret
in terris oppressa gravi sub religione,
quae caput a caeli regionibus ostendebat
horribili super aspectu mortalibus instans,
primum Graius homo mortalis tollere contra
est oculos ausus primusque obsistere contra;
quem neque fama deum nec fulmina nec minitanti
murmure compressit caelum, sed eo magis acrem
inritat animi virtutem, effringere ut arta
naturae primus portarum claustra cupiret.

Es geht ihm um die Durchsetzung eines neuen Weltverständnisses, die Erklärung der natürlichen Phänomene durch ein einziges Wirkprinzip, dem sich auch die Götter unterzuordnen haben. Er verbannt Unerklärliches und Zauberei in das Reich der Geschichtenerzähler. Nebenbei entwirft er eine praktisch monotheistische Religion mit Venus, der Stammmutter des römischen Volkes, an der Spitze - sehr clever.
Zur Sterblichkeit der Seele lese man z.B. 3, 830:
Nil igitur mors est ad nos neque pertinet hilum,
quandoquidem natura animi mortalis habetur.
und die darauf folgenden Verse.

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Lukrezens Anliegen

Beitragvon consus » Di 29. Sep 2009, 22:01

Lukrezens außerordentliches Interesse an der Darstellung einer die gesamte Außenwelt (Makrokosmos) und die Innenwelt des Menschen (Mikrokosmos) umfassenden naturwissenschaftlichen Theorie ist entschieden dem Ziel untergeordnet, den Menschen durch die Beseitigung von Unwissenheit den Weg zum inneren Frieden zu weisen: tranquillitas animi.
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon lateinisches ich:P » Mi 30. Sep 2009, 18:19

danke..
jaaa.. ich will ihn ja nich darauf reduszieren:D
um ehrlich zu sein hab ich lukrez nie gelesen..
ausschnitte natürlich aber nie das ganze.. erst als ich jetz diese gfs thema bekam habe ich mich gefragt was er außer dem(:P) noch gezeigt hat..

lg
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Re: lukrez und sein atommodell (freue mich über jede hilfe)

Beitragvon RM » Mi 30. Sep 2009, 21:58

Von Schülern der 10. Klasse verlangt man ja auch nicht, daß sie Lukrez schon gelesen haben. :wink: Richtig lohnen wird sich die Lektüre auch erst dann, wenn man sich mit der modernen Physik beschäftigt und das Atommodell des Lukrez mit modernen Vorstellungen des Mikrokosmos vergleichen kann.

Was jetzt die "tranquillitas animi" angeht, so wird sie zwar von Lukrez selbst als Ziel angeführt, aber es gibt noch einen weiteren, mindestens ebenbürtigen Grund für die Atomtheorie, den Lukrez nennt, nämlich ... sed eo magis acrem
inritat animi virtutem, effringere ut arta
naturae primus portarum claustra cupiret.
(1, 69)
Darin ist Lukrez ganz Naturwissenschaftler, der Atomtheorien ja nicht entwirft, um den anderen Menschen inneren Frieden zu bringen - so wenig wie die "tranquillitas animi" heute ein Grund wäre, sich mit Naturwissenschaft, speziell Physik, zu beschäftigen (eher im Gegenteil ...), vielmehr ist es dieses faustische Element, der unbändige und unbedingte Wille zu erkennen, "was die Welt im Innersten zusammenhält". Gleichzeitig ist die Atomtheorie des Lukrez ein Manifest für eine der großen Strömungen in der europäischen Naturwissenschaft, nämlich das ausgesprochen erfolgreiche Monokausalitätsprinzip, das uns auch heute noch nach einer einzigen allgemeingültigen "Weltformel" suchen läßt, mit der sich - wenigstens in der Theorie - die Natur komplett beschreiben läßt.

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Lucr. 1, 69-71

Beitragvon consus » Do 1. Okt 2009, 09:55

Die zitierte Stelle Lucr. 1, 69-71 ist im Zusammenhang des Absatzes 1, 62-79* zu lesen und zu verstehen. Diese Verse weisen letztendlich eben nicht auf ein eigenständiges naturwissenschaftliches Interesse hin. Lukrez preist Epikur als Sieger über den Aberglauben. Dieser Graius homo (Grieche) und mit ihm Lukrez übernehmen weitgehend die Atomlehre Demokrits, weil sie geeignet schien, „übernatürliche Kräfte aus der Welterklärung auszuscheiden“, die „dem Menschen seine Gemütsruhe rauben“**. Damit wird Lukrezens bahnbrechende naturwissenschaftliche Leistung keineswegs geschmälert. Es ist aber eines der Kennzeichen hellenistischer Philosophie, dass Logik, Erkenntnistheorie und Physik nicht um ihrer selbst willen betrieben werden, sondern der Ethik dienen***. Diese Art zu philosophieren steht damit gewissermaßen in der Nachfolge des Sokrates, der sich von der Naturphilosophie abwandte und den Menschen in den Mittelpunkt seines Denkens rückte. Im Übrigen bleibt es aber (quis vetat?) naturwissenschaftlich interessierten Menschen unbenommen, sich auf je ihre eigene Weise mit Lukrez zu befassen. So haben denn auch weder Literaturwissenschaftler noch Historiker der Philosophie Scheu, bei interpretatorischen Fragen Naturwissenschaftler um Rat anzugehen.

______________________________________________________________________
* http://www.textlog.de/lukrez-natur-preis.html
** Karl Vorländer, Geschichte der Philosophie I, Philosophie des Altertums, rde, 1966, S. 149f.
*** ebd.
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