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Obwohl der Autor laut Klappentext Professor einer amerikanischen Elite-Uni sein soll, würde sich ein Professor einer zweitklassigen deutschen Provinz-Uni hüten, ein solches Buch zu publizieren. "Mythos und Wahrheit" Trojas will Barry Strauss analysieren, was dabei herausgekommen ist, ist eine dürre Inhaltsangabe von Homers Ilias. Strauss tut so, als ob Homer ein Dichter der Spätbronzezeit gewesen wäre (daß Homer in der archaischen Zeit ein paar Jahrhunderte später zu verorten ist, ignoriert Strauss einfach), der dazu noch mehr oder weniger Augenzeuge des Krieges um Troja war. Strauss meint, man könne die Ilias eins zu eins in Geschichtsschreibung übersetzten. Dementsprechend kenntnis- und detailreich unterrichtet Strauss seine Leser, die sich des öfteren wundern, woher Strauss das alles so genau weiß: Er weiß zum Beispiel, daß Odysseus von Chryseis Vater "freudig" in Empfang genommen wurde; er weiß, daß Hektor aus Prestigegründen sich weigerte, die Griechen durch einen Guerillakrieg zu zermürben und gibt Ratschläge, mit welcher militärischen Taktik die Trojaner doch noch gewonnen hätten; auch kennt er alle Details, als sich Andromache von ihrem Gemahl Hektor in einer hollywoodreifen Vorstellung verabschiedete. Sie duftete nach Irisöl, Rosen oder Salbei, war in Tränen aufgelöst, griff nach Hektors Arm und bat ihn, nicht in die Schlacht zu ziehen, Hektor hielt seinen Jungen sanft in seinen Armen und hörte seiner Frau nicht richtig zu, streichelte ihr stattdessen die Wange usw. Der kritische Leser muß spätestens hier aufhören zu lesen und diese Seifenoper zuklappen. Die Fragen, die die Troja-Forschung wirklich bewegen, stellt Strauss gar nicht. Zum Beispiel die Frage nach dem Verhältnis zwischen Homers Text und der historischen Wirklichkeit: Besitzt die Ilias einen historischen Kern, wenn ja welchen? Ist der Ort, den Heinrich Schliemann im 19. Jhd. ausgegraben und als "Troja" benannt hat, wirklich der geographische Ort des in der Ilias beschriebenen Geschehens? Oder die Frage, wie der archäologische Befund des heute als "Troja" bezeichneten Ortes zu deuten ist: War der Ort in der späten Bronzezeit nur ein Piratennest an den Dardanellen oder eine antike Weltmetropole? Kurz und gut: Strauss Buch ist es nicht wert, auch nur einen Zentimeter Platz im Bücherregal dafür zu opfern.
Kommentar
Ein durch und durch angenehm zu lesendes Buch, ergänzt durch Zeittafel und Glossar, Anmerkungen, Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register.
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