Das Lateinstudium

Fragen zur Ausbildung rund um die alten Sprachen, ihrer Geschichte und ihrer Archäologie

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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Laptop » Do 6. Jun 2013, 01:41

Wenn ich meiner Rolle gerecht werden will, muss ich euch zu bedenken geben: überlegt einmal, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine Klasse zu schnellem L-Lesen und Sprechen zu führen! Ein Fundament an Grundkenntnissen muss da sein, die Flexionsformen müssen gut eingeübt sein, die unregelmäßigen Verben müssen sitzen, die Kasuslehre, PC-Konstruktionen, ein großer Wortschatz muss zur Verfügung stehen …
Lieber Prudentius, du selbst bist das Gegenbeispiel zu dem was du sagst. Schon bevor du wußtest was Flexionsformen sind, Kasuslehre, PC-Konstruktionen, schon lange zuvor hast du deine Muttersprache auf hohem Niveau beherrscht, darf ich dir das unterstellen? ;-) Und Lehrer, die Unheil anrichten? ich sehe es so wie die grauen Männer in Momo. Ich war einmal bei einem Interview mit dem von mir sehr geschätzten Garri Kasparov, es ging um Fehler im Leben. Kasparov sagte auch die intelligentesten Menschen begehen grobe Fehler; was das für Fehler wären, fragte die Moderatorin überrascht; und er antwortete: “wasting time without beeing aware of it”. Wenn man das Unheil nennen möchte, so sei es das. Die Kinder haben nur eine Schulzeit, und was sie dort nicht lernen wird ihnen u. U. später schwerer fallen. Ich leide noch darunter, daß meine Klasse nie die richtige Aussprache im Lateinunterricht gehört hat. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemand bspw. "benne" (bene) oder "itta" (ita) gesprochen hat. So fällt es mir heute schwer die von mir zusammengereimte, falsche Aussprache aus meinem Gedächtnis zu streichen. Wenn man das “angerichteten Schaden” nennen will, so sei es das. Ich sage immer gern: Sprache kommt nicht von schreiben oder lesen, sonst würde man sie “Schreibe” oder “Lese” nennen. Insofern vertrete ich den Standpunkt: Die korrekte Aussprache sollte im Lateinunterricht kein dem Textverständnis nachgeordnetes Ziel sein. Von Anfang an, d. h. schon in der Unterstufe. Wenn man nur die häufigsten 300-400 Wörter im Lateinischen korrekt sprechen kann, ist schon viel zum späteren Nutzen getan.
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Zythophilus » Do 6. Jun 2013, 06:50

Wenn man im Lateinunterricht aktive und passive Sprachbeherrschung vermitteln will, so wird man auf das Lesen von Lektüre weitgehend verzichten müssen. Mit der derzeit in Österreich vorgesehenen Stundenanzahl soll man beim 6-jährigen Latein die Grundgrammatik in zwei Jahren durchgearbeitet haben, beim 4-jährigen Latein, das in der Lektürephase allerdings geringere Ansprüche stellt, theoretisch eineinhalb Schuljahre, praktisch meist auch zwei. Aktive Beherrschung mag gewisse positive Aspekte bringen, aber wie weit wird man in der vorhandenen Zeit kommen? Das Passiv wird in der 4-jährigen Form nicht mehr drin sein.
Zum Vergleich: Der österr. Lehrplan verlangt, dass Schüler nach vier Lernjahren in Englisch das Sprachniveau A2 oder B1 erreichen. Ich glaube nicht, dass man viele lateinische Texte findet, die - blenden wir einmal den aktiven Part aus - nicht über ein Niveau, das B1 bei modernen Sprachen entspricht, hinausgehen.
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon RM » Do 6. Jun 2013, 08:33

Zythophilus hat geschrieben:Wenn man im Lateinunterricht aktive und passive Sprachbeherrschung vermitteln will, so wird man auf das Lesen von Lektüre weitgehend verzichten müssen.

Genau das bestreite ich entschieden, ganz im Gegenteil: Wenn man, wie ich vorgeschlagen habe, den Basisunterricht in 3 Jahren + 4 Wochen intensives Sprechtraining absolviert, wird man im anschließenden Lektüreunterricht um Größenordnungen schneller vorangehen können. Natürlich werden dann immer noch ein paar Vokabeln fehlen, aber die Grammatik wird so weit sitzen, dass die Schüler mittelschwere Texte bereits ohne Übersetzung intuitiv verstehen können. Aber man wird Texte auch einmal lesen können, ohne sie zu übersetzen. Verstehen Abiturienten nach 7-9 Jahren Lateinunterricht denn heute literarische Texte, wenn sie sie ohne Anleitung übersetzen? Die meisten wahrscheinlich nicht. Die meisten werden es auch gar nicht versuchen, da sie von Latein nach dem Abitur nichts mehr wissen wollen. Und warum? Weil es ihnen vorkam wie eine sinnfreie, ziemlich langweilige, intellektuelle Übung. Ich kenne nur sehr wenige Leute, die nach ihrer Schulzeit von Seneca oder Cicero geschwärmt haben.
Aber ich schlage ein Experiment vor: Schickt eure 14-16 Jahre alten SchülerInnen in unsere Lateinwochen und schaut, ob ihnen Latein leichter fällt, nachdem sie bei uns waren. :)

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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Prudentius » Do 6. Jun 2013, 11:10

Hallo RM,

ex war sicher für dich ein Glücksfall, dass du die richtige Methode für dich gefunden hast, aber du kannst es nicht verallgemeinern, weitaus nicht alle Lateiner wollen und können schnell lesen und sprechen lernen.

Caesar wird spätestens ab dem Buch 4 etwas langweilig, weil er eigentlich immer dasselbe macht


Es genügt ja, den Helvetierkrieg zu lesen. die Commentarii sind ja auch nüchterner Bericht, keine Literatur, schon gar nicht als Schullektüre gedacht. "Eroberungsdrang": das ist doch Großmachtpolitik, das geht gar nicht anders, Großmächte umgeben sich mit einem "Glacis" von abh. Staaten, für uns klassisches Beispiel Ostblock und Nato, "Sicherheitspolitik" nennt man es, die Römer fühlten sich von Gallien her bedroht, die Kimbern unfd Teutonen waren nicht vergessen; die Germanen waren dabei, sich in Gallien festzusetzen, bevor Cäsar auf den Plan trat.

Was die fragwürdigen "humanistischen Werte" angeht: bei der Entscheidung für die Fächerwahl der Kinder spielen die in der Gesellschaft vorhandenen Vorstellungen die entscheidende Rolle, weniger die konkreten Ereignisse; Rom ist für Europa von großer geschichtlicher Relevanz.
Die Überlegungen zur Kollegstufe in Bayern damals führten zu der Einsicht: wir müssen uns absetzen, wir müssen ein eigenes Profil vorweisen können, wir können im L. nicht hinter den Neusprachlern hinterherlaufen.

Übrigens wird bei uns nie eine Schönfärberei betrieben, das Bild von Augustus war schn immer zwiespältig, der Friedensbringer und der blutrünstige Gewaltherrscher, schon bei Tacitus heißt es ja nach der Aufzählung seiner Verdienste: contra dicebatur (Ann. 1:10 glaube ich).

Jetzt mach ich Schluss, wäre noch viel zu sagen,

lgr. P. :)
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon RM » Do 6. Jun 2013, 18:48

Prudentius hat geschrieben:ex war sicher für dich ein Glücksfall, dass du die richtige Methode für dich gefunden hast, aber du kannst es nicht verallgemeinern, weitaus nicht alle Lateiner wollen und können schnell lesen und sprechen lernen.

Hast Du die Schüler mal gefragt, ob sie lieber langsam übersetzen oder schnell lesen können wollen? Fragst Du die Schüler, ob sie Latein sprechen lernen wollen? Bringst Du es ihnen bei, wenn sie ja sagen? Hast Du die Schüler gefragt, ob sie gerne mal etwas aus Buch 7 lesen wollen statt nur den Helvetierkrieg - oder vielleicht mal einen Brief von Caesar an Cicero? Wissen Deine Schüler, dass es so etwas gibt? Die meisten erfahren von ihren Lateinlehrern nichts davon.
Mein Angebot steht: Schick ein paar Schüler zu unseren Lateinwochen und wir werden sehen, was dabei herauskommt. Wenn sie nachher nicht Latein können, werden sie wenigstens interessante Leute aus ganz Europa und mit etwas Glück auch aus anderen Teilen der Welt kennengelernt haben. Aber von vorherein zu sagen "bringt nichts, geht nicht, wollen wir nicht" ist nicht die richtige Lösung. Und sich abzusetzen von den modernen Sprachen, was soll das bitte bewirken außer Frust? Unsere Kinder können wesentlich besser Englisch als Latein, und sie lesen auch mehr englische Bücher. Warum? Was bitte soll an der lateinischen Sprache so anders sein als an der englischen, französischen oder italienischen, außer dass es die einen nur seit ca. 1000 Jahren gibt, die andere seit ca. 2500?
Ich bleibe dabei: Die kulturell für uns, für den modernen Europäer wesentlichen Dinge, die auf Latein geschrieben wurde, stehen nicht in der Rede gegen Verres, auch nicht in Vergils Eklogen, sondern in solch inzwischen in der Schule völlig vernachlässigten Werken wie denen von Vitruv (Architektur + Ingenieurswesen), Columella (Landwirtschaft), Celsus (Medizin), Plinius d. Ä. (Geographie, Botanik, Metallurgie etc.), in den Digesten (Rechtswissenschaften), bei Kopernikus und Newton (Astronomie), bei Daniel Bernoulli und Leonhard Euler (Mathematik) und vielen anderen, von denen die meisten Schüler von ihren Lehrern nicht einmal erfahren, dass es sie alle gibt.

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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon colocynthis » Do 6. Jun 2013, 21:22

omnibus sal.
ein paar Schüler zu unseren Lateinwochen und wir werden sehen, was dabei herauskommt

mögen auch die intensiven lateinwochen die akt. u. pass. Sprachkompetenz fördern, aber wie geht es dann weiter? nach den sommerferien ist wohl der größte teil des gelernten wieder vergessen; oder glaubst du, dass lateinschüler zur erhaltung ihrer fertigkeiten in den ferien selbständig lateinlektüre betreiben oder irgendwie die sprache weiterhin aktiv praktizieren?
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon SursumDeorsum » Do 6. Jun 2013, 21:57

RM hat geschrieben:Ich bleibe dabei: Die kulturell für uns, für den modernen Europäer wesentlichen Dinge, die auf Latein geschrieben wurde, stehen nicht in der Rede gegen Verres, auch nicht in Vergils Eklogen, sondern in solch inzwischen in der Schule völlig vernachlässigten Werken wie denen von Vitruv (Architektur + Ingenieurswesen), Columella (Landwirtschaft), Celsus (Medizin), Plinius d. Ä. (Geographie, Botanik, Metallurgie etc.), in den Digesten (Rechtswissenschaften), bei Kopernikus und Newton (Astronomie), bei Daniel Bernoulli und Leonhard Euler (Mathematik) und vielen anderen, von denen die meisten Schüler von ihren Lehrern nicht einmal erfahren, dass es sie alle gibt.


Ist es wirklich so verwunderlich, dass die genannten Werke vernachlässigt werden? Selbst manchen Studenten sind sie (und da spreche ich auch eigener Erfahrung) nicht geläufig. Columella? Kühe sind doch lila und Brot gibt es im Supermarkt. Ulpian? Gaius? Schauen wir lieber Barbara Salesch. Kopernikus? Astronomie? Ist das nicht das mit den Karten, was die auf AstroTV immer machen? Von Vitruv brauchen wir erst gar nicht reden. Wer sich als Student nicht selbständig mit diesen Werken beschäftigt, wird es auch als Lehrer nicht tun, und kaut stattdessen zum x-ten Mal mit seinen Schülern die richtige Technik zum Fangen von Rentieren durch - darauf zielt die Schmalspurausbildung doch ab... und die meisten Studenten gehen darauf ein, ohne mal einen Blick nach links und rechts zu werfen. Deine Vorschläge in Ehren, aber ich halte sie für zu idealistisch für diese gar nicht idealistisch denkende Welt.
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon RM » Do 6. Jun 2013, 22:30

colocynthis hat geschrieben:mögen auch die intensiven lateinwochen die akt. u. pass. Sprachkompetenz fördern, aber wie geht es dann weiter?

Vielleicht entwickeln einige von ihnen Spaß an der Sache? Das Wichtigste ist auf jeden Fall, bei solchen Gelegenheiten interessante Leute kennenzulernen - ich meine nicht nur Lateinlehrer oder -professoren, sondern auch andere, die Latein zu ihren Hobbies zählen - sind gar nicht so wenige.

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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon RM » Do 6. Jun 2013, 22:49

SursumDeorsum hat geschrieben:... und kaut stattdessen zum x-ten Mal mit seinen Schülern die richtige Technik zum Fangen von Rentieren durch.
...
Deine Vorschläge in Ehren, aber ich halte sie für zu idealistisch für diese gar nicht idealistisch denkende Welt.

Das Fangen von Rentieren ist für uns zum Glück keine wesentliche Kulturtechnik geblieben - Odin sei Dank!
Die Frage ist, wo wir heute ohne all die Visionäre und Idealisten wären. Noch in unserer Höhle? Hätten wir Amerika entdeckt? Wären wir zum Mond geflogen? Hätten wir überhaupt das Fliegen erlernt? Besonders weit gekommen wären wir wahrscheinlich nicht.

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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Pyrrha » Do 6. Jun 2013, 23:36

Gut, man muss vielleicht nicht gleich das Rad neu erfinden, es gibt vielleicht auch einen Mittelweg. Vielleicht ist es auch gar nicht sooo nötig, direkt zu sprechen, meiner Meinung sollte es reichen, das lateinische Schreiben wieder in den Unterricht einzubauen. Prudenti, du weist mit Recht darauf hin, dass gründliche Grammatikkenntnisse nötig sind, um Originalautoren lessen zu können, aber ich dachte, es sei pädagogisches Allgemeinwissen, dass man leichter lernt und Erlerntes nicht so schnell wieder vergisst, wenn man es nicht nur passiv absorbiert, sondern aktiv einsetzt. Es ware z.B. keine große Schwierigkeit, regelmäßig auch in den Anfängerjahren ein paar Übungsaufgaben zu stellen, die auf Lateinisch formuliert und auf Lateinisch zu beantworten sind, nach dem Motto "Ubi habitat Claudia?" - "Claudia Romae habitat." - "Quot fratres et sorores habet Claudia, et quae sunt nomina eorum?" - "Claudia habet duos fratres, Marcum et Lucium, et unam sororem, Claudillam." "Unde venit Bissula ancilla Claudiae?" - "Bissula e Germania venit." Das ist zwar nicht Ciceronianisch, aber je mehr die Schüler formulieren, desto besser werden sie die Formen beherrschen. Man sieht doch, wie oft da Grundlegendes übersehen wird und die Übersetzung von ein paar erratenen Vokabeln aus interpoliert wird, eben weil die Grammatikkenntnisse nicht ausreichen und die Schuler nicht wissen, wie sich ein Akkusativ "anfühlt".

Zytho, du sagst, auch in modernen Fremdsprachen kommt man nicht in vier Jahren nicht über B2 oder A1 hinaus, und damit ist es zugegebenermaßen auch in den modernen Fremdsprachen. Aber welchem Standard entsprechen die Lateinkenntnisse von Schülern, die vier Jahre Latein gelernt haben? Ist das wirklich B2? Und das Argument, dass Cicero nun einmal nicht auf Niveau B2 geschrieben hat, verfängt nicht: Wenn ich nach drei oder vier Lehrjahren einem Französischschüler Moliere vorsetze, versteht er von sich aus auch nicht viel, aber mit einer sprachhistorischen Einführung und Wörterbuch könnte er sich wahrscheinlich durcharbeiten, und zwar sicherlich effizienter als der Lateinschüler bei Caesar - bei einem Lesetempo von drei Sätzen pro Stunde verstehe ich jeden, dem das keinen Spaß macht. Davon abgesehen gibt es gerade in der Renaissance zahlreiche Texte, die ausdrücklich für Anfänger verfasst worden sind und meiner Meinung nach auf den Lehrplan gehören, vor oder noch besser statt Caesar.
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen?
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Laptop » Fr 7. Jun 2013, 02:50

Davon abgesehen gibt es gerade in der Renaissance zahlreiche Texte, die ausdrücklich für Anfänger verfasst worden sind und meiner Meinung nach auf den Lehrplan gehören, vor oder noch besser statt Caesar.
Salve Pyrrha, kannst du Namen nennen, was schwebt dir vor?
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Re: Der Übersetzungsfrust

Beitragvon Prudentius » Fr 7. Jun 2013, 10:47

Liebe Teilnehmer, ich habe mein ganzes Berufsleben als Lateinlehrer verbracht, bin allerdings schon lange (1997) aus dem aktiven Dienst heraus, bekomme schon graue Haare, bin überrascht über eure Klagen, habe solchen Frust nie erlebt, vllt. liegt es daran, dass wir hier in Bayern auf einer Art Insel der Seligen leben, solchen langweiligen Lektüreunterricht gibt es ja seit 40 Jahren nicht mehr, wir haben durch die Kollegstufe eine sehr detaillierte Unterrichtsorganisation bekommen, die sogen. "kurrikularen Lehrpläne", mit Semesterthemen und verschiedenen Projekten, wir haben immer viel übersetzt, aber immer themenbezogen, und nach jedem Absatz kam die Auswertung, Besprechung, Diskussion; wir müssen ja die Schüler auf die Abitur-Klausur vorbereiten, bei der die Ü. 2/3 der Bewertung ausmacht. Die Themenbereiche haben eigentlich immer Interesse gefunden, Witz, Satire, Verfassungsformen, röm. Staatsauffassung; wir haben auch neue Bereiche einbezogen; Cena Trimalchionis, Seneca als Satiriker (Apokolokyntosis), vor allem "Römisches Recht", es gab immer interessante Themen, die Stunden waren immer ausgewogen zwischen Texterschließung (Übersetzen) und Auswertung.
Das Programm für die Auswertung der Texte war sehr detailliert ausgearbeitet, es gab eine Stufenleiter von Fähigkeiten, die der Schüler erlernen sollte; die Fragetypen im Abitur waren: Nennen Sie, finden Sie, bestimmen Sie, Vergleichen Sie, Nehmen Sie Stellung!...

Dort wo Klagen über solchen Übersetzungsfrust bestehen, hat man offensichtlich die Zeit verschlafen, es liegt am einzelnen Lehrer aber doch wohl eher noch an der Schulverwaltung, die da Abhilfe schaffen könnte.

Hallo RM, die Fragen, die du mir vorschlägst zu stellen, habe ich alle nicht gestellt, wir waren ja alle, die Schüler und ich, eingebunden in die Organissation, durch die wir an das ersehnte Ziel des Abiturs kommen sollten.

Mit der Übersetzungsmisere sollte man sich nicht abfinden, dein Vorschlag soll wohlwollend geprüft werden (beachte die diplomatische Formulierung :-D ), es bedarf aber weiterer Diskussion (während ich schon darüberschwebe),

lgr. P. :)
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Zythophilus » Fr 7. Jun 2013, 15:46

Ad Pyrrham: Wenn Englisch-Schüler in Österreich gemäß dem Lehrplan ein Niveau von A2 oder B1 erreichen sollen, dann mag es natürlich sein, dass sie mit Hilfen auch Autoren, deren Niveau darüber liegt, lesen können. Der bei den modernen Sprachen sehr wichtige Teil der aktiven Sprachbeherrschung ist freilich in dieser Zielsetzung nicht darüber angesiedelt.
Es wäre also ein nettes Experiment, eine realistisch zusammengestellte Klasse von Schülern - also nicht solche, die freiwillig noch Zusatzkurse und Lateinwochen in ihren Ferien besuchen - in vier Jahren mit derselben Stundenanzahl auf ein Niveau B1 in Latein zu bringen. Das wäre vielleicht gerade möglich, hieße aber einen Verzicht auf so viel Grammatik, dass Originaltexte praktisch nicht mehr gelesen werden könnten, weil Konstruktionen wie AcI, Gerundiv und manch anderes - vom Konjunktiv will ich gar nicht - einfach noch nicht vorgekommen wären.
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Zythophilus » Fr 7. Jun 2013, 17:19

Ad RM: Die Entdeckung Amerikas war ein Zufall, den Entdeckten brachte sie jedenfalls wenig Positives,und auch der Entdecker hatte zwar Ruhm, aber sonst nicht viel davon.
Das Erlernen einer Sprache ist nichts gänzlich Neues und in den letzten 2000 Jahren hat es genug gegeben, die Latein nicht als Muttersprache erlernt haben. Die vorgeschlagene Methode ist sicher nicht schlecht, nicht unbedingt neu, aber auch nicht der Stein der Weisen. Mit der knapp bemessenen Zeit, die im Lateinunterricht an einer Schule zur Verfügung steht, wird sie leider nicht viel bringen. Nach vier Jahren werden wir Schüler sehen, die zwar relativ gut im Perfekt und Präsens sich über einfache Dinge unterhalten können, vom Konjunktiv aber bestenfalls gehört haben. Literatur, die nicht durch Erklärungen bzw. Übersetzungen für jedes zweite Wort überfrachtet ist, wird schlicht unverständlich bleiben.
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Re: Das Lateinstudium

Beitragvon Zythophilus » Fr 7. Jun 2013, 17:19

Ad RM: Die Entdeckung Amerikas war ein Zufall, den Entdeckten brachte sie jedenfalls wenig Positives,und auch der Entdecker hatte zwar Ruhm, aber sonst nicht viel davon.
Das Erlernen einer Sprache ist nichts gänzlich Neues und in den letzten 2000 Jahren hat es genug gegeben, die Latein nicht als Muttersprache erlernt haben. Die vorgeschlagene Methode ist sicher nicht schlecht, nicht unbedingt neu, aber auch nicht der Stein der Weisen. Mit der knapp bemessenen Zeit, die im Lateinunterricht an einer Schule zur Verfügung steht, wird sie leider nicht viel bringen. Nach vier Jahren werden wir Schüler sehen, die zwar relativ gut im Perfekt und Präsens sich über einfache Dinge unterhalten können, vom Konjunktiv aber bestenfalls gehört haben. Literatur, die nicht durch Erklärungen bzw. Übersetzungen für jedes zweite Wort überfrachtet ist, wird schlicht unverständlich bleiben.
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