GROß- oder kleinschreibung?

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GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon guenterus » Sa 20. Jul 2013, 23:46

Sodales,
irgendwie fällt mir beim chatten in diverversen foren oft die verschiedenen schreibweisen auf.Abgesehen
von der teilweise abstrusen wortwahl, würde mich euere meinung interessieren. Was spricht gegen das
durchgehende kleinschreiben, wie im lateinischen, und was dagegen? Freund Tiberis schreibt z.b. in der
regel " klein ", andere im klassischem deutsch " groß u. klein ", wie es sich gehört? Ich bin gespannt auf
ein pro und contra - und verbleibe als euer
Günter
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Tiberis » So 21. Jul 2013, 01:14

salve, Guentere ! (eigennamen schreibe sogar ich groß :D )

da du mich sozusagen direkt angesprochen hast, will ich kurz erläutern, warum ich die (sog. "gemäßigte") kleinschreibung befürworte (und praktiziere):
vor allem deshalb, weil mich bislang noch niemand von einer allfälligen sinnhaftigkeit der großschreibung überzeugen konnte. eine (angeblich) höhere lesegeschwindigkeit bei großschreibung wird jedenfalls durch die höhere schreibgeschwindigkeit bei kleinschreibung sofort wettgemacht; an den teilweise völlig unlogischen und verwirrenden regeln der großschreibung mögen sich pedantische schulmeister erfreuen - ihre sinnhaftigkeit erschließt sich mir nicht.
warum also großschreibung? weil sie "typisch für die deutsche sprache" sei, wie man immer wieder hört? wie sollte eine vorwiegend auf die barockzeit zurückgehende schreibgewohnheit "sprachtypisch" sein?
dazu kommt, dass durch die völlig undurchschaubaren groß/kleinschreibregeln für alle jene, die deutsch als fremdsprache lernen, zusätzliche und , wie ich meine, höchst überflüssige hürden aufgebaut werden.
ein wirklich triftiger grund für die beibehaltung der großschreibung fällt mir beim besten willen nicht ein. nicht umsonst wurde sie in so gut wie allen ländern, wo sie eine zeitlang praktiziert wurde, wieder abgeschafft.

(ist aber eher ein thema für "sonstige diskussionen" ;-) )
Zuletzt geändert von Tiberis am So 21. Jul 2013, 01:19, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Laptop » So 21. Jul 2013, 01:25

Meine persönliche Meinung. Prinzipiell spricht nichts gegen eine konsequente Kleinschreibung, sofern es sachlich-motiviert ist, und man Eigennamen großschreibt, wie es international üblich ist. Es gibt aber einen soziologischen Aspekt bei der Sache, unter uns Deutschen. Wenn nämlich jemand konsequent kleinschreibt, der ansonsten sehr sorgfältig und fehlerlos schreibt, und auch eine gewisse Reputation genießt, wie Grimm z. B., dann kann man es nicht als Liederlichkeit auslegen: es wird als sachlich-motiviert akzeptabel. Umgekehrt ist es auch so, daß jemandem, der sich nach der dt. Sprachnorm bemüht groß- und kleinzuschreiben, der ein oder andere Rechtschreibfehler nachgesehen wird. Denn es ist Sorgfalt und Bemühen erkennbar. Wenn du aber alles kleinschreibst, und noch dazu Rechtschreibfehler machst, dann wird dir auch die Kleinschreibung als Liederlichkeit ausgelegt. Und das sieht in den Augen anderer dann im Gesamtbild übel aus, sprich die Konsequenz ist Verächtlichkeit seitens deiner Umwelt. Deshalb rate ich “dem normalen Mann” davon ab. Ich selbst habe mich nach einiger Überlegung dazu entschlossen nicht die umständlichen Pfade der dt. Sprachnorm zu verlassen. Denn ich weiß, daß ich selbst bei sorgfältiger Schreibung noch genug kleine Fehler mache, auch inhaltliche gehören dazu, und es mir nicht leisten kann die Fackel der Reform zu tragen. Übrigens ist der Thread-Titel Murks, da ein Eszett in Versalien zu “SS” wird. Zugegeben, eine Kleinigkeit, aber solche Kleinigkeiten werden dann besonders auffällig, you see?
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Medicus domesticus » So 21. Jul 2013, 08:48

Meine Meinung dazu:
Ich schreibe in der normalen Schreibweise. So ist es halt Usus und ich bin daran gewöhnt. Kleinschreibung kann man schon machen, aber ich stutze jedesmal, wenn ich diese durchgehende Kleinschreibung lese. Mir ist es lieber, wenn so geschrieben wird, wie es der Duden vorgibt. Jeder Text, ob Fachzeitschrift, Buch oder Zeitung, ist ja auch nicht anders geschrieben. Wenn man schnell schreiben kann, macht diese eine Taste für die Großschreibung auch nicht viel aus, was die Schreibgeschwindigkeit anbetrifft.
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon consus » So 21. Jul 2013, 10:10

Vielleicht ist es ganz interessant, sich einmal mit der diesbezüglichen dänischen Reform von 1948 zu befassen.
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Zythophilus » So 21. Jul 2013, 10:58

Da es nun einmal die Regeln gibt, die für den offiziellen Gebrauch verpflichtend sind, halte ich es für etwas verwirrend, die Großschreibung generell bis auf Eigennamen abzuschaffen, wenngleich es nicht moralisch verwerflich ist, Texte so zu verfassen. Es ist ein bisschen wie Links- oder Rechtsverkehr, wenngleich die Nichteinhaltung gewisser Regeln der Schreibung natürlich nicht gefährlich ist: Beide Varianten mögen ihre Vor- und Nachteile haben, aber eine gewisse Regelung ist nötig. Ich will nicht dauernd umdenken, daher will ich die bestehende Version beibehalten, wenngleich nicht alle Regeln wirklich logisch sind. Die letzten Rechtschreibreformen samt den Reformen der Reformen etc. lehren uns, dass eine Reform zunächst über viele Jahre hinweg nicht Vereinfachung - wenn überhaupt - sondern Chaos gebiert. Für Lernende mag es eine gewisse Vereinfachung sein, allerdings bietet das Deutsche den großen Vorteil, dass man mit wenigen Ausnahmen den einzelnen Buchstaben eine ziemlich eindeutige Aussprache zuordnen kann. Im Französischen ist der Lernaufwand da viel größer, im Englischen muss man sich ohnedies zu jedem Wort die Aussprache unabhängig von den Buchstaben zusätzlich einprägen. Da ist die Großschreibung sicher das geringere Problem, noch dazu wo ohnedies Rechtschreibprogramme die meisten Fehler ausbessern.
Auch bei Eigennamen ist die Situation in anderen Sprachen keineswegs so einheitlich: Würden von Eigen- bzw. Ländernamen abgeleitete Adjektive dann groß (wie im Englischen) oder klein (wie im Französischen) geschrieben?
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Zythophilus » So 21. Jul 2013, 11:04

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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon romane » So 21. Jul 2013, 11:49

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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Medicus domesticus » So 21. Jul 2013, 13:28

Da sieht man die Verwechslungsmöglichkeiten der Kleinschreibung. Danke dafür, Zythophile. :-D
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Zythophilus » So 21. Jul 2013, 13:29

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Re: "Usus magister optimus"

Beitragvon Prudentius » So 21. Jul 2013, 15:47

Die Zahl der lästigen Doppelgänger, die wir uns durch die Kleinschreibung einhandeln, ist unermesslich: floh/Floh, fliegen/Fliegen, klang/Klang, summen/Summen, band/Band, sucht/Sucht, fallen/Fallen, arbeiten/Arbeiten, gaben/Gaben, krallen/Krallen, spiele/Spiele, bogen/Bogen, strecken/Strecken, liege/Liege, schreie/Schreie, rufe/Rufe, winke/Winke ...

Die Zweifelsfälle lassen sich sehr eingrenzen: eigentlich sind solche Quantorenwörter wie "alles, nichts, vieles, manches" auch Substantive, aber man hat sich auf die Kleinschreibung festgelegt; es gibt eine ganz engbegrenzte Zahl von Grenzfällen, wie "im vorhinein", die kann man eigentlich nur richtig schreiben :-D .

an den teilweise völlig unlogischen und verwirrenden regeln der großschreibung mögen sich pedantische schulmeister erfreuen


Lassen wir ihnen doch ihre Freude!

Es gab ja schon einmal einen großangelegten Versuch in dieser Richtung, das war um 1900, ausgehend von dem berühmten Münchner "George-Kreis" um den Dichter Stefan George, den Geisteswissenschaftler Friedrich Gundolf; nahestehend war auch Hofmannsthal, der Dichter des "Jedermann". Aber sie haben sich nicht durchgesetzt.

Hallo Günter, ich muss monieren: wenn du "groß" großschreiben willst, musst du GROSS schreiben, denn ß ist ein Kleinbuchstabe, passt nicht neben die großen! :-D

lgr P. :)
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon guenterus » So 21. Jul 2013, 19:21

Salvete!
Danke für die interessanten Beiträge!
Ehrlich: ich hatte zuerst GROSS geschrieben und fand es komisch!
Natürlich sehe ich meinen Fehler ein :sad: G.
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Christophorus » So 21. Jul 2013, 20:16

Früher habe ich im Netz auch immer kleine Buchstaben verwendet, bin aber wieder zur Großschreibung übergegangen, da ich es wie Zytophilus halte: Im Netz so und im Alltag anders zu schreiben ist mir zu verwirrend.


Laptop hat geschrieben: Ich selbst habe mich nach einiger Überlegung dazu entschlossen nicht die umständlichen Pfade der dt. Sprachnorm zu verlassen. Denn ich weiß, daß ich selbst bei sorgfältiger Schreibung noch genug kleine Fehler mache, auch inhaltliche gehören dazu, und es mir nicht leisten kann die Fackel der Reform zu tragen.


Bis auf das von dir liebevoll gepflegte "daß", auf das ich dich schon einmal angesprochen, aber darauf keine Reaktion erhalten habe. ;-)


Zythophilus hat geschrieben:PS: Sie haben liebe genossen.
"Sie haben liebe Genossen." - "Sie haben Liebe genossen."


Da hab ich auch noch einen: Den bekannten vögeln helfen.


guenterus hat geschrieben:Salvete!
Danke für die interessanten Beiträge!
Ehrlich: ich hatte zuerst GROSS geschrieben und fand es komisch!
Natürlich sehe ich meinen Fehler ein :sad: G.


Nach den Regeln der Aussprache müsste es dann auch schnell gesprochen werden, daher kam es dir wahrscheinlich komisch vor.
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Tiberis » So 21. Jul 2013, 20:20

ich habe mir eben eine entsprechende debatte im sogenannten "deutschen schriftstellerforum" angesehen.. :shock: (http://www.dsfo.de/fo/viewtopic.php?t=33754&postdays=0&postorder=asc&start=0
dort geht man mit den häretikern, die vom glauben an die alleinseligmachende großschreibung abgefallen sind, keineswegs zimperlich um, sei es in form haltloser unterstellungen ( kleinschreiber seien "rücksichtslos", "egoistisch", "der rechtschreibung nicht mächtig", "heimliche revoluzzer" usw) oder - vereinzelt - sogar mittels androhungen physischer gewalt (" ..würde ich gerne mal abends in einer dunklen gasse antreffen").
ignorante aussagen wie "sowas lese ich erst gar nicht" sind da noch relativ harmlos. die heftigkeit, mit der die gralshüter der großschreibung dabei zu werke gehen, läßt einen ideologischen hintergrund vermuten. menschen, die sich die freiheit nehmen, althergebrachtes in frage zu stellen und institutionen und normen nicht als unveränderlich anzusehen, waren der mehrheit immer schon suspekt. dabei schreckt man selbst vor den dümmsten "argumenten" nicht zurück: wenn man schon für die kleinschreibung sei, heißt es da, könne man ja genauso gut auf das dehnungs- h verzichten oder punkt und komma weglassen (!).
aber wie auch immer. niemand derer, die die großschreibung für gut und richtig halten, wird von jenen, die das anders sehen, angefeindet oder irgendwelcher negativer charaktereigenschaften bezichtigt. ich würde mir wünschen, dass dies auch im umgekehrten falle so wäre. :sad:
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Re: GROß- oder kleinschreibung?

Beitragvon Medicus domesticus » So 21. Jul 2013, 20:37

Angefeindet hat dich hier auch noch keiner...
Ich persönlich denke nur, dass du die Kleinschreibung hier im Forum machen kannst. Aber wie ist es als Lateinlehrer oder in sonstigen schriftlichen Äußerungen? Da wirst du sicher anders schreiben oder geschrieben haben. Eine Art zu schreiben, die 99,9% der anderen Leute nicht machen, ist halt nicht sehr zukunftsweisend. Da müsste sich ein allgemeiner Konsens abzeichnen, den ich aber in näherer und mittlerer Zukunft nicht sehe.
Interessant für mich ist nur, dass du es mit Latein, insbesondere dem klassischen, sehr genau nimmst - ohne Kompromisse, aber mit der eigenen Muttersprache und ihrem schriftlichen Ausdruck eine "Ungenauigkeit" kein Problem ist.
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