I. Praefatio:
Kein Heil ohne die Taufe oder den Wunsch nach Taufe - katholische Denknormen und das Partikel "aut"
II. Disputatio: Das "Oder-Problem"
1. Seelenheil und Seelenheilverlust: Zur Notwendigkeit von faktischer Taufe oder Begierdetaufe
2. Ohne Papier oder Bleistift schreiben können - das additive "oder" oder das richtige "und"
III. Conclusio:
3. Kreuzgang-Chef Robert Ketelhohn spricht zu philologischen Daten und theologischen Konsequenzen der "oder-Formel" 0. Praefatio: (Katholische) Denknormen und das Partikel "aut"
Marions Fragen nach dem Stellenwert von "sine x aut y"
führen mitten in soziokulturelle Horizonte, in mehr oder weniger repräsentatives
katholisches Denken.
Hier ein Versuch, solche Horizonte anzuskizzieren.
Auch die Mentalität des katholischen Kreuzgang-Forums (Robert Ketelhohn)
mag hierbei - an charakteristischen Textpassagen - ein wenig fassbar werden.1.Seelenheil und Seelenheilverlust: Zur Notwendigkeit von faktischer Taufe oder BegierdetaufeNun ja, in der fraglichen normkatholischen Passage
Cap. 4. descriptio iustificationis impii, et modus eius in statu gratiae (D1524)
Quibus verbis iustificationis impii descriptio insinuatur,
ut sit translatio ab eo statu,
in quo homo nascitur filius primi Adae,
in statum gratiae et "adoptionis filioram" (Röm 8,15) Dei,
per secundum Adam Iesum Christum Salvatorem nostrum;
quae quidem translatio post Evangelium promulgatum
sine lavacro regenerationis aut eius voto fieri non potest,
sicut scriptum est:
"Nisi quis renatus fuerit ex aqua et Spiritu Sancto, non potest introire in regnum Dei“ (Io 3,5).
Die Rechtfertigung (...) ist die Überführung aus dem Stand,
in dem der Mensch als Sohn des ersten Adam geboren wird,
in den Stand der Gnade und der Annahme zum Gotteskind durch den
zweiten Adam, Jesus Christus, unseren Heiland.
Diese Überführung kann nicht geschehen
ohne die Taufe oder den Wunsch nach dieser Taufe.
vgl. Konzil zu Trient; 6. Sitzung, 4. Kapitel; in: Neuner-Roos, Nr. 794
geht es darum, dass zur Abwehr der Höllenverdammnis (Konsequenz der adamitisch weitergegebenen Erbsünde) entweder die katholische Taufe oder - bei einem schwerwiegenden Hindernisgrund - der Wunsch nach katholischer Taufe vorliegen muss.
Da der Wunsch erst ab einem bestimmten Alter glaubhaft geäußert werden kann und somit ungetaufte Kinder kaum in der Lage sind, den Wunsch zu formulieren, folgt, dass ungetaufte Kinder der Hölle oder der Vorhölle anheim fallen - dem Limbus nämlich - vgl. dazu den - in diesem Fall - guten Wikipedia-Artikel . So jedenfalls
eine Lehr-Tradition innerhalb der katholischen Kirche, allerdings nicht erst seit Joseph Ratzinger als weniger verbindlich eingeschätzt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Limbus_(Theologie)Was nun "
sine lavacro aut eius voto" angeht, so lässt sich vorsichtig formulieren:
Das "aut" hat hier ausschließenden Charakter, die faktische Taufe oder zumindest der Wunsch danach sind notwendige Bedingung ewigen Heiles, der Wunsch danach aber sicher nur dann, wenn es eben keine rechtzeitige Möglichkeit zur Verwirklichung gegeben hat. Das heißt die beiden durch "oder" verknüpften Voraussetzungen haben nicht die gleiche Dignität. Das zweite Element hat nur dann die entsprechende Gültigkeit, wenn das erste Element ohne Verschulden ausbleiben muss.
Auch ein "vel" - es ist weniger ausschließend als das "aut" - ist hier nicht recht am Platz. Der Fokus der Formulierung liegt ja gerade darauf, dass die beiden Elemente nicht gleichzeitig wahr sein können, wie es ein "vel" im Sinne von "und/oder" implizieren würde: Zwar mag man sich eine Taufe wünschen und sie dann eventuell aus nicht selbst verschuldeten Gründen nicht empfangen. Aber eine Taufe faktisch empfangen zu haben lässt sich schwer mit dem Wunsch vereinbaren, die Taufe zu empfangen. Es sei denn, man fasst "wünschen" im weitesten Sinn auf als die Wertschätzung von etwas, das man noch nicht hat oder schon besitzt.
2. Ohne Papier oder Bleistift schreiben können - das additive "oder" oder das richtige "und"Ein Satz wie "
ohne Papier oder Bleistift kann man nicht schreiben" ist sprachlich sicherlich anzweifelbar ausgedrückt. Man mag einwenden, hier verstehe man den fraglichen Satz im Sinne von "O
hne Papier und Bleistift kann man nicht schreiben". Allerdings ist dann zu fragen, warum man nicht gleich diese Form der Adjunktion sprachlich unmissverständlich ausdrückt.
Gewiss aber ist für das richtige Verständnis einer solchen Formulierung mit "oder" das Weltverständnis zuständig: Da man weiß, dass im Standardfall ein Schreibgerät und eine aufnehmende Fläche notwendig sind, narkotisiert man das Normalverständnis von "aut/oder".
Nun mag man noch einwenden, dass in der "oder-Formel" eben der Gedanke virulent ist, es gebe auch andere Schreibmittel als Papier und Bleistift.Also sei das "oder" ein Hinweis auf die Auswahlfülle und mithin geredhtfertigt. Immerhin sei auf jeden Fall bei austauschbaren Füllungen für die Elemente Schreibgerät und Schreibfläche eine Kombination von beiden Elementen eine notwendige und wohl auch hinreichende Voraussetzung.
Aber auch dann ist die Formulierung wohl eher unglücklich. Man müsste zumindest deutlicher signalisieren, dass man auf zwei Ressourcen des Schreibens und deren in der Kategorieschublade austauschbare, aber in der Kombination der Kategorien unverzichtbare Elemente abhebt. Aus den gleichen Überlegungen ist ein "vel" zwischen Bleistift und Papier nicht gerade zielführend. Es signalisiert eben nicht die zwingende Kombination, auch wenn es ein "und/oder" impliziert.
3. Kreuzgang-Chef Robert Ketelhohn spricht zu philologischen Daten und theologischen Konsequenzen der "oder-Formel"3.1 Robertus grammaticae artis magister locutusDie beiden auf latein.at beantworten gar nichts und argumentieren auch nicht philologisch. Verlassen könntest du dich da auf Consus und erst recht auf Tiberis. (Oder Ketelhohn, der aber schon ewig nicht da war.)
Was des Kreuzgangs Chef-Urteil über Prudentius (Prudentius hat nach Willimoxens Meinung alle sprachlichen Möglichkeiten präzise benannt) oder (sic) Laptop oder Consus oder Tiberis angeht:
Die Wertung ist so aggressiv wie selbstverliebt und furorkatholisch.
3.2 Robertus theologicae artis peritus locutusZum Thema, inwieweit man in die Hölle kommt, wenn man nicht katholisch getauft ist, findet man im Kreuzgang eine Gleichnisdeutung aus der Diözese Linz zitiert. Ein gewisser Pater Heer nimmt da eine vorsichtige und - schreckliches Wort -
aufgeklärte Haltung ein:
Baum und Vögel des Himmels: Reich Gottes und Völker mit ihren Religionen
Besondere Beachtung schenkt Pater Heer dem Baum im Senfkorn-Gleichnis. Dieser Baum ist nicht nur als Gegensatz zum kleinen Senfkorn gebraucht, sondern von ihm wird gesagt, dass „die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten“. Pater Heer sieht hier einen Bezug zur prophetischen Literatur (Ez 17,23; 31,6; Dan 4,1-30). Auch hier wird von Bäumen gesprochen, die so groß werden, dass die Vögel des Himmels Platz haben. Der Baum gilt in diesen Texten als Sinnbild für ein großes umfassendes Reich, während die Vögel für die vielen Völker stehen, die mit ihren Kulturen und Religionen in diesem großen Reich zusammenleben.
Wenn Jesus nun dieses Bild aufgreift und auf das Reich Gottes bezieht, meint er damit: „Wenn der eine Gott am Jüngsten Tag sein Reich vollendet, wird er allen Völkern mit ihren Religionen (= Vögel des Himmels) Raum geben (= Baum), dass sie sich ihr Nest, ihre Heimat bauen. Dieser ‚Jüngste Tag‘ wird ja in biblischer Sicht die Offenbarung Gottes vor allen Menschen bringen: Gott wird dann als Richter alle, die ihn suchen, aufrichten, seien sie Juden oder Christen, Hindus oder Buddhisten, Muslime oder anderes.“
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php? ... um#p697447
Was meint Robert Ketelhohn dazu?
Meiner Meinung nach sind solche Urteilsgeber, seien sie nun getauft oder nicht, im Limbus nicht fehl am Platz, dort, wo man die "Ex-Cathedra-Speaker" versammelt. Der Aufenthalt dort mag dann - ohne teuflische Einflußnahme - allein schon "ipsa re et ipso loco" ein recht qualvoller sein. Man vergleiche dazu piktorial die entsprechende Szene in des göttlichen Dante Commedia:
3.3 Causa finita?Aber es sei zugegeben: Eine solche Platzierung mag vielleicht doch nicht ganz gerechtfertigt sein. Wer von uns Menschen nämlich könnte sich des Irrtums/von Irrtum gänzlich frei wissen und so in seinem Urteil tadellos sein? Niemand.
Es sei denn, er wäre gottgleich oder sei zumindest Gottes Sprachrohr auf Erden und hat die Wahrheit in religiösen und anderen Dingen gepachtet (und heißt Robert K.)?