chairete,
nein, so einfach ist es nicht…
Erstmal noch einmal die Situation: Die Waffen wurden noch nicht ausgeliefert, sie sind noch beim Sprecher und seiner Mannschaft. Ein Irrealis scheidet also aus, es wird lediglich die hypothetische Möglichkeit bzw. auch die abgemilderte Aussage entwickelt.
Wie auch sonst im Griechischen ist auch beim Potentialis (ob als echter GS mit finitem Verb oder als Inf. /Part) der Aspekt entscheidend, wenn es um die Wahl des Tempusstammes geht, ein relatives Zeitverhältnis muss für die dt. Übers. aus dieser Information erst erschlossen werden, also etwa linear, Präsenspartizip-> gleichzeitig zum HS. Eine klare Zuordnung von Aspekt bzw. Tempusstamm und Zeitverhältnis gibt es n i c h t.
Demgemäß kann also auch ein Inf. Aorist gleichzeitig sein, zum Beispiel wenn er einen effektiven Sonderaspekt bezeichnet, nämlich punktuell das Ende einer Handlung. Sonst ist der Aorist eben aufgrund des momentan-faktisch-punktuellen Aspekts oft schon abgeschlossen, wenn sich der HS vollzieht, also vorzeitig, in eben geschildertem Fall aber nicht.
Daher kann man bei einem potential gefärbten Inf. mit an nur aufgrund des Zusammenhangs ein Zeitverhältnis herstellen:
χÏῆσθαι ist Präsens und ohne Zweifel gleichzeitig (eine Vorzeitigkeit beim Präs. ist vor allem dann nur möglich, wenn ein lang andauernder Zustand geschildert werden soll, der zeitlich aber zum HS schon abgeschlossen ist!), στεÏηθῆναι ist Aorist, doch haben wir es ja potential gedeutet, und eine halbwegs zuverlässige Zuordnung von Tempusstamm und Zeit, nämlich Präsens->Gegenwart Aor.-> Vergangenheit finden (was sich dann oft auch auf die Infinitive überträgt, wenn eine abhängige Formulierung vorliegt) wir außerhalb des Indikativs lediglich beim Irrealis, nicht beim Optativ!
στεÏηθῆναι kann also gleichzeitig oder vorzeitig sein. Nun macht es meiner Ansicht nach durchaus Sinn, die oben genannte Sonderbedeutung "effektiv" anzusetzen, es geht ja nicht um etwas, das schon abgeschlossen ist, sondern um etwas, das in seinem Endpunkt akzentuiert werden soll, das "Leben verlieren=sterben. In dieser Deutung ist natürlich das relative Zeitverhältnis der Gleichzeitigkeit impliziert, das Partizip Aorsit aber ist immer noch vor dem Inf. abgeschlossen (logische Handlungsabfolge!) und bleibt freilich vorzeitig, sodass ich insgesamt würde hierzu neigen würde:
.. sollten wir übergeben haben, dürften wir verlieren.
Diese Einschätzung teilen offenbar auch die meisten Übersetzer.
"...wenn wir diese ausgeliefert hätten, müssten wir fürchten, unser Leben zu verlieren".
Dass die Waffen noch da sind, steht für alle außer Frage, bei G. und C. überlegen sie, was passieren würde, wenn sie die Waffen ausliefern würden (Potentialis). Bei R. überlegen sie, was ihnen nun bevorstehen würde, falls sie die Waffen schon ausgeliefert hätten (Irrealis).
Nein, so eben nicht, das habe ich versucht, mit der "Ambiguität des Konjunktivs im Deutschen" zu umreißen:
Ich denke nicht, dass der Übersetzer vom Pot. in den Irr. "gesprungen" ist, sondern sich der Konjunktive bediente, die eigentlich den Irr kennzeichnen,
um den Pot auszudrücken[b][/b].
Diese Eigenart findet sich in zahlreichen Ausgaben, die dort, wo im Griechischen Pot. steht, einen scheinbaren!, nur formal identischen Irrealis konstruieren.
Dann wird aber einem, der des Griechischen nicht mächtig ist, die feine, zum Teil spitzfindige temporomodale Schattierung des Originals überhaupt nicht vermittelt!
Daher plädiere ich - auch wenn es stilistisch sicher nicht immer angenehm ist- für eine klare Assoziation des Pot. mit dt. Modalverben und/oder Partikeln.
Sie stehen vor einer schicksalhaften Entscheidung: A oder B? Beide Alternativen werden konditional durchgespielt, man kann sagen, es sind "Planspiele", im Gr. Potentialis, wir haben keinen und brauchen keinen, "wohl" oder Hilfsverben sind nicht nötig.
Au, mi optime Prudenti, das ist aber gewagt, man denke nur an die Rückübersetzung, wie soll man einen Realis von einem Pot. da noch unterscheiden
Du hast ja recht, der Redner stellt nur eine Möglichkeit dar, und die wird im Griechischen eben mit dem Pot, im D oft mit einem einfachen Indikativ ausgedrückt, nur sollte man in diesem Fall doch etwas mehr vom präziseren Griechisch herüberretten.
Die Grammatikregel ist sehr einsichtig: "Wenn ein Satz mit ἂν in die Infinitivkonstruktion tritt, nimmt das Verb das ἂν mit"
Genau, für den Opt. als Pot. gilt das ebenso wie für den Indikat. als Irr, sicherlich indirekt auch für den Pot. der Vergangenheit und den Iterativ der Vergangenheit.
zu Glis' "solange": Auch möglich, da solange ebenso wie während einen gleichzeitigen temp. Adverbialsatz einleitet, in dem eben eine gewisse Parallelität ausgedrückt wird, ich denke das hat im D auch noch eine stark Konditionale Bedeutung, i.S.v. solange= wenn (nur).
Das wären meine Ergänzungen, in aller Eile verfasst, sollten sich noch grundlegend neue Erkenntnisse ergeben, teile ich sie euch selbstverständlich mit, verbunden mit der gleichen Bitte an euch, überhaupt, weitere Ausführungen immer erwünscht
LG
Sokrates