Prädikativum oder Adverbial?

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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Prudentius » Fr 3. Okt 2014, 20:26



Hallo iur.,

an den Dr. Kremser erinnere ich mich noch, er hat ja eine online-Grammatik geschrieben, (s. Link), und ich fragte ihn, warum in dem Inhaltsverzeichnis wichtige Begriffe wie Satz, Subjekt, Nominativ, gar nicht vorkommen; da antwortete er: Das weiß doch jeder, was das ist. Daraufhin waren wir beide voneinander enttäuscht und haben nichts mehr voneinander gehört. :-D
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Sa 4. Okt 2014, 10:51

Hallo Prudentius!

Ich bin auch kein großer Freund seiner Online-Grammatik, doch kenne ich leider keine andere mit vergleichbarem Umfang; und ständig mit Menge und RHH herumzulaufen, ist auch nicht sinnvoll. :D

Sonnige Grüße aus Linz an der Donau!
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Zythophilus » Sa 4. Okt 2014, 13:57

Die wichtigste Aufgabe der Grammatik - zumindest der in geschriebener Form - ist es, einfache Sachverhalte möglichst unverständlich darzustellen und mit philosophischen Abhandlungen zu versehen. Diesen Eindruck habe ich.
Im konkreten Fall erwarte ich mir von einem gramm. Werk eine Information, ob ein Römer das, was ich im Deutschen mit "Die Kinder singen fröhlich." beschreibe, mit Pueri laeti cantant. oder Pueri laete cantant. ausdrücken würde oder ob beides möglich ist. Wie das jeweils genannt wird, ist sekundär.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Tiberis » Sa 4. Okt 2014, 16:55

Zythophilus hat geschrieben:Die wichtigste Aufgabe der Grammatik - zumindest der in geschriebener Form - ist es, einfache Sachverhalte möglichst unverständlich darzustellen und mit philosophischen Abhandlungen zu versehen. Diesen Eindruck habe ich.

so gesehen, würden auch einige beiträge aus unserer bisherigen diskussion gut in eine solche grammatik passen. :lol:
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Sa 4. Okt 2014, 17:34

Tiberis hat geschrieben:so gesehen, würden auch einige beiträge aus unserer bisherigen diskussion gut in eine solche grammatik passen. :lol:

Also, ich fühle mich da jetzt nicht angesprochen, zumindest war ich bemüht, mich möglichst verständlich auszudrücken. :-D

Und ich habe gelernt, dass man Sätze wie "liberi laeti cantant", soweit sie prädikativ gemeint sind, besser nicht adverbial mit "die Kinder singen fröhlich", obwohl das in einigen Grammatiken steht, sondern eher mit "die Kinder singen und sind (dabei) fröhlich" zu übersetzen ist. Dafür hat sich das alles (zumindest für mich) schon ausgezahlt. :-D
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Tiberis » Sa 4. Okt 2014, 18:43

iurisconsultus hat geschrieben: besser nicht adverbial mit "die Kinder singen fröhlich", obwohl das in einigen Grammatiken steht, sondern eher mit "die Kinder singen und sind (dabei) fröhlich"

naja, warum einfach, wenn es auch kompliziert geht ? :roll:
du würdest also z.b. statt "begeistert brachen sie auf" (alacres .. proficiscuntur Caes.BG.7.76.5) lieber sagen "sie brachen auf und waren dabei begeistert" ?
und BG 6.37.3 " inopinantes nostri re nova perturbabantur" sollte man also "besser nicht" übersetzen : unvermutet gerieten unsere leute..in verwirrung, sondern "eher" : ja, wie eigentlich?
ich weiß nicht, warum man nicht einfach zur kenntnis nehmen kann, dass im deutschen dort, wo im lat. ein prädikatives adjektiv steht, eben das adverb genommen wird.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Prudentius » Sa 4. Okt 2014, 18:51

"Im konkreten Fall erwarte ich mir von einem gramm. Werk eine Information, ob ein Römer das, was ich im Deutschen mit "Die Kinder singen fröhlich." beschreibe, mit Pueri laeti cantant. oder Pueri laete cantant. ausdrücken würde oder ob beides möglich ist. Wie das jeweils genannt wird, ist sekundär."


Hallo Zytophile,

deine persönliche Erwartung ist ja voll berechtigt, aber du musst bedenken, dass die Aufgaben einer L-Grammatik sehr viel weiter gesteckt sind; wir sitzen ja nicht nur vor einem L-Satz, sondern stehen mit unserem Fach in Konkurrenz zu den modernen Sprachen; diese haben einen Standard gesetzt für das, was heute Grammatik heißen kann; und nicht nur das, wir stehen in der wissenschaftlichen Welt da mit einem logisch aufgebauten Gedankensystem; also auf dem Prüfstand stehen wir, wir müssen noch erst beweisen, dass wir auf der Höhe der Zeit stehen; da hinken wir gewaltig hinterher; unsere Standard-Grammatik, Menge, ist bald 150 Jahre alt; nichts von all dem, was sich in dieser langen Zeit entwickelt hat, ist von uns rezipiert worden. Zur Illustration braucht ihr nur hier einmal nach oben zu schauen: auf meinen Vorschlag zu neueren Sichtweisen wurde als Entgegnung einfach ein Menge-Text hingesetzt, ohne jede Kautel wegen des hohen Alters, es wird einfach als gültig akzeptiert (Ich hab jetzt indirekt auf die Beiträge geantwortet, wollte eigentlich direkt darauf eingehen, aber ich sehe schon, ich komme einfach nicht dazu, es kommen ständig neue Gesichtspunkte auf).

Man sollte sich vor Augen halten: es gibt zweierlei Grammatik, deskriptive und normative Grammatik; die deskr. beschreibt nur, die norm. bietet Vorschriften, wie es sein muss. Der Unterschied ist der, dass die deskr. Gr. keine Antwort gibt auf die Frage, was etwas ist, und warum es so ist; dazu braucht es die normative Grammatik; diese muss nach heutigem Verständnis ein deduktives System darstellen; einfacher gesagt: die Grammatik muss grammatisch erklären ( :) leuchtet ein, nicht wahr?). Falsch ist also "Der Konditionalsatz nennt eine Bedingung", weil Bedingung nicht erklärt wird; und "Dauer" ist auch kein grammatischer Begriff.

Die L-Grammatiken, einschl. Menge, stellen deskriptive Grammatiken dar, sie bieten aber normative Sätze: das geht nicht; aus dem was ist, kann man nicht auf das schließen, was sein muss (ein bekannter Fehlschluss).

Jetzt hab ich mich richtig verausgabt, da mache ich Schluss :-D , ich wünsch euch einen schönen Sonntag,

lgr. P. :)
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Sa 4. Okt 2014, 19:23

Tiberis hat geschrieben:ich weiß nicht, warum man nicht einfach zur kenntnis nehmen kann, dass im deutschen dort, wo im lat. ein prädikatives adjektiv steht, eben das adverb genommen wird.

Ich habe mich zu allgemein ausgedrückt, insbesondere weil das Tippen am Mobiltelefon anstrengend ist. :) Ich ergänze also wie folgt: Wenn die Übersetzung mittels eines Adverbs mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch verstanden würde (bpsw.: "die Kinder singen fröhlich" - jeder deutsche Muttersprachler wird hier fälschlicherweise ausschließlich einen adverbialen Sinn unterstellen), dann erscheint es mit redlicher, (irgend-)eine eindeutige Formulierung zu wählen, mag sie auch sperriger sein. In deinen Beispielsätzen scheint mir diese Gefahr prima vista nicht in dieser Schärfe zu bestehen.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Tiberis » Sa 4. Okt 2014, 20:12

Prudentius hat geschrieben:; unsere Standard-Grammatik, Menge, ist bald 150 Jahre alt

nur zur richtigstellung: der "alte" Menge wurde vor gerade einmal 14 jahren! von Burkhard / Schauer völlig neu bearbeitet.daraus stammt auch die von mir zitierte passage .
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Medicus domesticus » So 5. Okt 2014, 09:41

Ja, es sind aber nur wenige, die sich diese Mühe machen. Wenn man Recherchearbeit in der lateinischen Philologie betreibt, findet man häufig nur "alte" Informationen, d,h. von Philologen aus dem 19./20.Jhd. Ich denke da müsste eine Erneuerung stattfinden. Stroh hat mal bemängelt, dass es keinen modernen Kommentar zu De Inventione gibt..(Macht der Rede, S.362) ..:roll:
Zuletzt geändert von Medicus domesticus am So 5. Okt 2014, 10:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon ille ego qui » So 5. Okt 2014, 10:32

zwei kurze Anmerkungen:
auch im deutschen können bisweilen Attribute eine Art "prädikativen Sinn" haben: Der junge Goethe war hemmungslos subjektiv / Der wütende Lehrer hörte nicht auf zu schimpfen.
umgekehrt können im lateinischen wohl Prädikative ganz dauerhafte Eigenschaften betreffen, wenn diese etwa einen Sachverhalt begründen: "Weil er X war, tat er Y"
noch ein Hinweis für den Fragesteller: es gibt bei Prädikativen eine gewisse verstärkte Tendenz zur Distanzstellung vom Bezugswort.

valete.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Zythophilus » So 5. Okt 2014, 20:24

Ich glaube, dass die Diskussion etwas mehr Ernsthaftigkeit verlangt.
https://scontent-a-vie.xx.fbcdn.net/hph ... e=54CED9BF
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Mo 6. Okt 2014, 11:41

Zythophilus hat geschrieben:Ich glaube, dass die Diskussion etwas mehr Ernsthaftigkeit verlangt.
https://scontent-a-vie.xx.fbcdn.net/hph ... e=54CED9BF

Hercle! Immerhin ist der kleine Adrian ein ausgesprochen höflicher Knabe. :lol:
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon Laptop » Mo 6. Okt 2014, 14:25

Was wäre denn die richtige Antwort gewesen? Ich würde sagen Adrians Oberstübchen ist soweit in Ordnung.

Was mich etwas wundert ist: es ergibt ja durchaus Sinn grammatikalische Fremdwörter durch - für Kinder - verständlichere dt. Bezeichnungen zu ersetzen, wie “Grundform” statt “Infinitiv”. Warum aber inkonsequent “Infinitiv” durch “Grundform” ersetzen, aber “Prädikat” nicht durch “Satzaussage”. Das ist inkonsequent.
Zuletzt geändert von Laptop am Mo 6. Okt 2014, 14:31, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Prädikativum oder Adverbial?

Beitragvon iurisconsultus » Mo 6. Okt 2014, 14:30

Laptop hat geschrieben:Was wäre denn die richtige Antwort gewesen? Ich würde sagen Adrians Oberstübchen ist soweit in Ordnung.

Wirklich? Besagter Knabe hat auf die Frage, wie man nach dem Prädikat fragt, geschrieben:
darf ich bitte denn prädikat haben

Meine Wenigkeit hätte geschrieben: Was tut jemand oder etwas? Aber die Schulzeit ist auch lange her bei mir. :lol:
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