Die Sache ist einfacher, analysis und synthesis, l. constructio, sind Gegensätze, die sich ergänzen; das Ganze, das Eine. auf der einen Seite, das Einzelne und Viele auf der anderen, das sind Grundbegriffe bei Platon, ihr werdet ja von diesem Übervater der altphilologischen Zunft wissen, der in überirdischen Höhen als Geist über der vergänglichen Welt schwebt, gelegentlich allerdings konkret greifbar wird, wie jetzt gerade hier; Platon untersucht das Zusammenspiel dieser Gegensätze; ihre Übergänge sind diese beiden:
- der Übergang vom Ganzen und Einen zum Einzelnen und vielen heißt analysis, und
- der Übergang vom Einzelnen zum Ganzen heißt synthesis.
Das kann man jetzt auf den Übersetzungsvorgang anwenden; beim Vorlesen bekommen wir den Satz als Einheit vorgesetzt, und wir nehmen ihn auseinander, zerlegen ihn in seine konstituierenden Bestandteile, Subjekt usw., wir machen eine Satzanalyse, das ist ja auch eine Abituraufgabe.
Umgekehrt kann man in der Schulstube, wenn es beim Übersetzen hakt, den Lehrer sagen hören: "Du musst konstruieren!", damit ist gemeint, du musst die beziehungslosen Wörter zu einem Beziehungssystem zusammenbringen: Synthese.
Richtig bedacht, sind ja die beiden Vorgänge untrennbar: man kann nur analysieren, wenn man schon konstruiert hat; und man kann nur konstruieren, wenn man schon analysiert hat. Das nennt man den "hermeneutischen Zirkel", und darüber kann man tiefsinnige Gedanken anstellen.
Also von diesem Kipf habe ich noch nichts gehört, aber vllt. ist er der Erfinder des Kipferls
, was in Österreich etwas Essbares ist
;
lgr. P.