Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Fragen zur Geschichte und Archäologie des griechisch-römischen Altertums

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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon RM » Do 12. Mär 2015, 22:47

Halte ich für ein wenig an den Haaren herbeigezogen - das typisch europäische monokausale Denken halt.
Eine Malaria-Epidemie hätte dazu wahrscheinlich nicht ausgereicht, zumal sie nicht gleichzeitig das gesamte römische Reich betroffen hätte, aber Freunde und Feinde gleichermaßen. So wie es aussieht, hatte die Malaria Italien aber erst relativ spät im Griff. Es gibt bei einigen Schriftstellern zwar Hinweise auf solche oder ähnliche Erkrankungen, jedoch kann es sich ebenso um andere Infektionskrankheiten gehandelt haben.
Um Rom herum wurde die Malaria erst im 20. Jhdt. durch das Trockenlegen der Pontinischen Sümpfe (da, wo jetzt Kiwis und Eukalyptusbäume wachsen) ausgerottet. Allerdings war ein einfaches Mittel, die sumpfigen Niederungen zu meiden und in die höheren Regionen zu ziehen. Dieses Verhalten setzte sich in Italien aber erst viel später durch. Daher glaube ich nicht, dass Malaria-Epidemien wirkliche Bedrohungen darstellten.
Die eigentliche Bedrohung war meiner Meinung nach die zu niedrige Geburtenrate in der Mittel- und Oberschicht und die unter anderem daraus resultierende zu niedrige Anzahl von Legionen, die noch aus "echten" Römern bestanden. Dadurch ließen sich ganz einfach die Grenzen nicht mehr halten.

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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon Zythophilus » Fr 13. Mär 2015, 07:58

Für die Stadt Rom - vielleicht auch größere Teile Italiens - mag eine Malaria-Epidemie im 5.Jh. plausibel sein, aber da war sie ohnedies nicht mehr das Machtzentrum. Außerdem ist ein Skelett kein Beweis für eine großflächige Ausbreitung. Die Malaria war wohl ein Mosaikstein im Zusammenspiel der Gründe für den Untergang, aber wesentlich wichtiger war sicher der militärische und wirtschaftliche Niedergang, der schon vor dem 5. Jh. und einer allfälligen Malaria-Epidemie einsetzte.
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon Zythophilus » Fr 13. Mär 2015, 08:11

Wenn es um das beginnende 5. Jh. geht, was man, wenn die Angabe 'vor 1500 Jahren' aus dem Artikel relativ wörtlich nimmt, vermuten kann, dann war sicher die Schlacht am Frigidus 394 , in der der damals zumindest de facto unabhängige Westen seine wichtigsten Armeeeinheiten verlor, der direkte Hauptgrund, dass Italien und auch andere Teile Westroms im 5.Jh. mehr oder weniger schutzlos waren.
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon iurisconsultus » Sa 14. Mär 2015, 13:03

Gerade gestern habe ich dazu Folgendes gelesen:
Es gibt einen weiteren Grund für das Ende des Römischen Reiches: die Malaria. Ihr Siegeszug beginnt damit, dass die Römer ihre Wälder abholzen und alte Bewässerungsanlagen verkommen lassen. So entstehen Sümpfe, in denen sich unzählige Mücken als Überträger der tödlichen Erreger vermehren. Das von der Krankheit dezimierte und geschwächte römische Heer wird von den germanischen Westgoten besiegt. Deren König Alarich I. (um 370 – 410), der schon griechische Kulturstätten verwüstet hatte, zieht im August 410 mit seinen Soldaten drei Tage lang plündernd durch Rom. Noch im selben Jahr stirbt auch er an der Malaria, ebenso wie große Teile seines Volkes.
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon marcus03 » Sa 14. Mär 2015, 15:08

Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf oder schickt deren Feinden die richtigen Mücken zur rechten Zeit. ;-)
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon Zythophilus » Sa 14. Mär 2015, 15:46

Dass die Malaria im beginnenden 5. Jh. in der Gegend Roms aus den genannten Gründen sich ausbreitete, ist gut denkbar. Dort stehen aber nicht die für die Verteidigung des Imperiums essentielle Einheiten; das italische Kernland ist generell nicht mehr so wichtig, Gallien, Spanien und auch Nordafrika sind bedeutender. Alarich weiß insofern Bescheid, als er ja auf oströmischer Seite am Vernichtung der Comitatenses in der Schlacht am Frigidus beteiligt war. Wechselnde Allianzen und mangelnde Versorgung geben eher den Ausschlag, einen großen Ausfall theoretisch vorhandener römischer Truppen durch die Malaria sehe ich weniger.
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon iurisconsultus » Sa 14. Mär 2015, 18:08

Das Buch bietet nur eine recht knappe Zusammenfassung verschiedenster Themen. Sein Inhalt ist daher notwendigerweise ungenau. Umso verwunderter war ich deshalb, dass darin die Malaria überhaupt zur Sprache kommt, denn in allen (auch neueten) Büchern, die ich bisher zur Geschichte gelesen habe, fehlte dieser Hinweis vollständig. Der Autor zitiert leider keine Quellen. Das Buch stellt eben auch keine wissenschaftlichen Ansprüche.

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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon Zythophilus » Sa 14. Mär 2015, 18:48

In diesem Artikel steht Genaueres über das Kindergrab aus dem 5. Jh., in dem Malaria identifiziert wurde http://www.bbc.co.uk/history/ancient/ro ... a_01.shtml
Natürlich sind auch schon vorher Epidemien möglich, doch die Opfer dieser stammen ungefähr aus dem 450, und da war Westrom auch aus diversen anderen Gründen am Ende.
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon Laptop » So 15. Mär 2015, 00:28

Wie RM schon geschrieben hat, der typische heutige Trend den monokausalen “Auslöser” zu suchen ist schon ziemlich debil. Der Fund ist ein weiterer Beweis dafür, daß es damals schon Malaria gab. Nicht mehr und nicht weniger.
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Re: Malaria und der Untergang des Römischen Reichs

Beitragvon Zythophilus » So 15. Mär 2015, 12:33

Eine Erklärung, die der Malaria die alleinige Schuld am Untergang Westroms zuweist, ist nicht seriös; sie wird aber in der Wissenschaft nicht wirklich vertreten. Dass in der Spätantike sich Seuchen stärker ausbreiteten, ist freilich unbestritten, und so ist das Kindergrab in der Nähe Roms nur der archäologische Beweis für etwas, um das man ohnedies wusste; nicht umsonst spricht man von "römischen Fieber". Mit dem Jahr 450 ist das sogar ziemlich spät. Verschiedene Faktoren verursachten Roms Ende, und diese Faktoren beeinflussten einander auch; die Malaria war einer davon, aber wohl kaum der Hauptgrund.
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