Hallo Laptop,
...dann meinst du damit, daß man neuerdings eine pauschale Bewertung der literarischen Qualität nach Epoche, wie es im Begriff “Goldene Latinität” steckt, verworfen hat
Ja, und ich würde diese Unterscheidung gar nicht ernstnehmen, sie entstammt ja einer längst vergangenen Zeit, als man den Humanismus als Klassikerkult verstand; es war noch die Zeit der rein geistesgeschichtlichen Betrachtungsweise, die Ära von Goethe und Hegel, der "d. Idealismus"; bis dahin verehrte man die Klassiker, und ab dann erforschte man sie, das ist ein großer Unterschied; den Wechsel kann man ganz gut zeitlich festmachen, Hegel + 1831, das Kommunistische Manifest 1848, Marx "stellte Hegel vom Kopf auf die Füße", das ist gut gesagt, Industrialisierung und Naturwissenschaften traten mehr und mehr in den Vordergrund. Die Philologie ging mit und wandte sich den "Realien" zu. Die Autoren wurden vom Podest geholt und in ihr historisches Umfeld hineingestellt.
...fragt sich: woran wird die Bewertung festgemacht? Nach welchen Kriterien wird beurteilt, ob ein Autor hell leuchtet oder dunkel? Schreibstil hat auch etwas mit Geschmack zu tun und über Geschmack soll man nicht streiten.
Ich versuche, kurz zu antworten: der Geschmack ist es am wenigsten; du solltest zwei Begriffe dabei beachten:
- den Kanon, und
- das Klassische.
Unter Kanon versteht man eine Liste oder Verzeichnis, in die literarische Werke aufgenommen werden; es gibt irgendwie eine Autorität oder eine Kommission, die den Kanon festlegt; am Anfang war das wohl die Bibliothek in Alexandrien, das "Museion", das einen solchen Kanon herausgab; also es gibt seitdem den "Kanon der attischen Tragödie", der enthält drei Namen mit je 7 Tragödien, wobei allerdings Euripides den Rahmen sprengt; es gibt auch einen Lyrikerkanon, usw.
Das Klassische war in der Antike eine Art Richtlinie oder Leseempfehlung: wer zum Kanon gehörte, war ein Klassiker, wurde bevorzugt ediert und an den Schulen gelesen,
diese literarischen Bewertungen besaßen "auctoritas", kann man vllt. sagen, mehr als Empfehlungen, aber weniger als verbindliche Vorschriften.
Also die Klassizität des Horaz sichtbar machen - das schaffe ich heute vormittag nicht mehr; aber bedenke, bei allem Formalismus bot er in seiner Lyrik diesen Slogan "Carpe diem", den einzigen Originalspruch, der unmittelbar in der Gesellschaft Eingang gefunden hat,
lgr. P.