von Prudentius » Sa 25. Apr 2015, 16:15
Das ist eine zu weitgespannte Fragestellung: drei Jahrtausende philologischer Arbeit, verschiedene Nationen, verschiedene Geschmäcker, ständig wechselnde geistige Strömungen; was soll man da sagen?
Aber ein paar Festpunkte könnte man markieren: die Neuzeit beginnt mit dem Humanismus der Renaissance, die grundlegenden Editionen kommen heraus; in D. kommt es im 18./19. Jh. zu einem "2. Humanismus", geprägt von dem Dreigestirn Schiller-Goethe-Hölderlin, der eine Verherrlichung der Griechen und eine Abwertung der Römer brachte; diese hielt lange an.
Eine Wendung brachte dann im 19. Jh. das Aufkommen des positivistischen Wissenschaftsideals, eine Ernüchterung und Konzentration auf das Faktische; mit dem Schwärmen der Humanisten war es nun vorbei; es ist eine Ironie der Geschichte, aber diese nüchterne, auf das Faktensammeln gerichtete Forschung trat zuerst dem Humanismus feindlich gegenüber, veränderte aber die philologische Arbeitsweise von Grund auf; von nun an begann man überhaupt erst, die Autoren zu erforschen, Biographien und Werkkommentare zu erarbeiten, große Sammelwerke zu organisieren.
Ab ungefähr 1900 begann eine Neuentdeckung und -bewertung der Römer, wenigstens in D.; Althistoriker arbeiten die Eigenarten des Römischen heraus, auch Wortforschungen typischer Begriffe, wie fides, auctoritas; glanzvolle Leistungen kamen aus der Berliner Uni; es gab die "religionsgeschichtliche Schule", die viel für das Verständnis der römischen Religion leistete; der glänzendste Name ist Eduard Norden, sein Hauptwerk der Kommentar zum 6. Buch der Äneis, auch über "Agnostos theos" und Weihnachtsfest.
In den 30er Jahren war 2000-Jahr-Feier Vergils, es erwachte neues Interesse, programmatisch ein Aufsatz von Klingner "Die Wiederentdeckung eines Dichters", in dem Band "Römische Geisteswelt", sicherlich eine der von dir gesuchten Glanzleistungen.
Aus neuerer Zeit könnte man ANRW nennen, Aufstieg und Niedergang der r. Welt, ein Sammelwerk mit vielen Bänden, verschiedene kompetente Verfasser zu sehr vielen Bereichen.