Ovid: warum Konjunktiv?

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon SonnyCorleone » Di 8. Dez 2015, 21:14

Hallo,

ich habe eine Frage zu Ovids Metamorphosen, genauer zu der Geschichte mit Daphne und Appoll (1,452-567):

An zwei Stellen setzt Ovid einen Konjunktiv, dessen Funktion mir nicht ganz klar ist:

Vers 512: cui placeas, inquire tamen

Vers 514f: nescis, temeraria, nescis,quem fugias, ideoque fugis

Beim ersten lasse ich es mir noch irgendwie einreden: "Wem du gefallen SOLLST, erfrage wenigstens". Aber beim zweiten: "Du weißt nicht, Unwissende, du weißt nicht, vor wem du fliehen SOLLST, und deswegen fliehst du" - warum ist hier ein Konjunktiv? In den meisten Übersetzungen die man so im Netz findet ist der Konjunktiv auch nicht als solcher übersetzt, gibt es da irgendeine Regel, die mir nicht bekannt ist?

Danke und lg, Sonny
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon marcus03 » Di 8. Dez 2015, 21:19

Es handelt sich um indirekte Fragesätze. Diese verlangen immer den Konjunktiv. :)

PS:
Der dt. Konjunktiv lässt sich mit dem lat. Konj. nicht vergleichen. Er hat eine andere Funktion und wird daher oft auch mit Indikativ übersetzt.
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon Prudentius » Mi 9. Dez 2015, 09:00

marcus03 hat geschrieben:Diese verlangen immer den Konjunktiv. :)


Hallo Marce! Warum verlangen sie? Bedrängt dich nicht die Frage?

Ich versuche zu antworten: Der Unterschied zwischen den beiden Fragearten besteht darin, dass die direkte einen Appell an den Gesprächspartner enthält, eine Angabe zu machen, und die indirekte Frage nicht; die direkte Frage lässt sich mit dem aktivierten Eingabefeld vergleichen, und die indirekte mit dem deaktivierten; so kann man den Unterschied nachvollziehbar machen. :)
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Dez 2015, 09:55

Prudentius hat geschrieben: Warum verlangen sie?


So wird es einem in der Schule meist ohne nähere Erklärung verklickert.
Um sich den Sachverhalt einzuprägen allerdings reicht das für Otto-Normal-Schüler völlig aus, meine ich. :)
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon SonnyCorleone » Mi 9. Dez 2015, 15:29

Oh, indirekte Fragesätze!!! Darauf hätte ich auch selber kommen können :shock:
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Dez 2015, 15:35

SonnyCorleone hat geschrieben:Darauf hätte ich auch selber kommen können


Si hoc in mentem tibi venisset, non quaesisses. ;-)

-issem, issem, birotae catena ! :lol:
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon ille ego qui » Do 10. Dez 2015, 09:37

Prudentius hat geschrieben:
marcus03 hat geschrieben:Diese verlangen immer den Konjunktiv. :)


Hallo Marce! Warum verlangen sie? Bedrängt dich nicht die Frage?

Ich versuche zu antworten: Der Unterschied zwischen den beiden Fragearten besteht darin, dass die direkte einen Appell an den Gesprächspartner enthält, eine Angabe zu machen, und die indirekte Frage nicht; die direkte Frage lässt sich mit dem aktivierten Eingabefeld vergleichen, und die indirekte mit dem deaktivierten; so kann man den Unterschied nachvollziehbar machen. :)


da musste ich ja selbst drüber nachdenken ;) vielleicht hilft man dem schüler doch mehr, indem man schlichtweg erklärt, dass und in welcher Weise eine indirekte Frage eine bloß zitierte / indirekt wiedergegebene Frage ist (vgl. AcI, indirekte Rede, innerliche Abhängigkeit, obliquer Konjunktiv)
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon romane » Do 10. Dez 2015, 13:21

eigentlich müsste das schon im Deutschunterricht geschehen sein.
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon Prudentius » Do 10. Dez 2015, 21:51

marcus03 hat geschrieben:So wird es einem in der Schule meist ohne nähere Erklärung verklickert.
Um sich den Sachverhalt einzuprägen allerdings reicht das für Otto-Normal-Schüler völlig aus, meine ich. :)


Das ist ja eben die Misere mit der grammatischen Lethargie in der Schule, es werden immer die schablonenhaften Formulierungen herumgereicht, sie haben etwas einschläferndes, "Danke für die Auskunft", ... Man muss versuchen, aus diesen Spurrillen herauszukommen, selbständige Formulierungen zu erproben, es einmal anders ansehen, in einem anderen Licht erscheinen lassen; und zuerst muss man überhaupt Aufmerksamkeit erwecken; man kann verschiedenes versuchen, auch mal Knallfrösche loszulassen: "Die indirekte Frage ist gar keine Frage", "der Relativsatz ist gar kein Satz", "Die Frage ist ein aktiviertes Eingabefeld", es darf damit ruhig Entrüstung ausgelöst werden, vllt. kann man so ein Nachdenken veranlassen:-D .
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon Prudentius » Fr 11. Dez 2015, 21:33

ille ego qui hat geschrieben: vielleicht hilft man dem schüler doch mehr, indem man schlichtweg erklärt, dass und in welcher Weise eine indirekte Frage eine bloß zitierte / indirekt wiedergegebene Frage ist ...


Hallo ille,

das sagst du ganz richtig, aber spiele es nicht so herunter ("schlichtweg", "bloß"), man sollte es nicht bloß erklären, sondern den Schülern diese Besonderheit wirklich bewusst machen,

P. :)
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon Sinatra » Sa 9. Apr 2016, 10:01

Ein herzliches " Salve" von einem neuen Forumsmitglied an alle!
Bei der betreffenden Textstellen frage ich mich, was "inquire" für eine Form ist, ein Imperativ Passiv, der mir, abgesehen von Deponens natürlich, noch nie begegnet ist. Oder doch normaler Infinitiv?

Viele Grüße

Uwe
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon medicus » Sa 9. Apr 2016, 10:11

Salve, Sinatra, hoc in foro, :klatsch:
inquire= Imperatin Singular

http://www.navigium.de/latein-woerterbu ... ue&mh=true
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon Sinatra » Sa 9. Apr 2016, 10:21

Salve, vielen Dank für die schnelle Antwort und die Willkommensgrüße!
Ja, da war ich auf inquire als Infinitiv fixiert, weil ich das Wort halt aus dem Englischen kenne. Und es als Imperativ Passiv zu verstehen wäre ja auch gar nicht mal nicht so abwegig
" lass Dich fragen" .

Beste Grüße
Sinatra
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon marcus03 » Sa 9. Apr 2016, 10:47

Sinatra hat geschrieben: Und es als Imperativ Passiv zu verstehen wäre ja auch gar nicht mal nicht so abwegig
" lass Dich fragen" .


=inquirere

Der Imperativ I in der 2.Pers. Sing. ist formgleich mit dem Infinitiv.

https://de.wiktionary.org/wiki/Flexion:laudare
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Re: Ovid: warum Konjunktiv?

Beitragvon Sinatra » Sa 9. Apr 2016, 10:58

Ja, danke, hatte einfach nicht gründlich genug im Lexikon geschaut, oftmals ist die Antwort ganz simpel....
Viele Grüße
Sinatra
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