Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

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Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Wernazuma » So 2. Okt 2016, 11:34

Ich habe aus einem neuzeitlichen Druck folgende Passage gefunden, die persönliche Beziehungen einer Person betreffen, über die ich arbeite. Leider ist mein Latein unterirdisch, daher bitte ich um Unterstützung:

"Scenam , quam aperuimus , claudimus Pisces. Trutta Diluvianum Marmore subflavo ex Museo Fossilium Diluvianarum Reliquiarum instructissimo atque Exc. Comitis Francisci Honorii de TRAUTTMANSDORFF, Sacrae Caesareae, Regiaeque Caroli III. Majestatis Consiliarii, & ad Helveticas Respublicas Oratoris Extraordinarii , quod Museum non ita pridem sub alio ludentis & Ideificantis Naturae schemate, peculiari Lapidum Figuratorum Helvetiae ejusque viciniae Historiae, Orbi curioso suit expositum a Clariss. Dn. Carolo Nicolao Langio, Lucernensi Medico, nobis non invitis , qui veram originis nostrae a Diluvio deductionem vel ex inspectione sola figurarum, contra indicante licet text, confirmatum iri persuasi sumus"

Vor allem der letzte Teil ist interessant, weil ich gerne wissen würde, was der Autor da über Carl Nicolaus Lang erzählt. Auch der Teil und über das Museum ist für mich relevant.
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Tiberis » So 2. Okt 2016, 14:14

Wernazuma hat geschrieben: Leider ist mein Latein unterirdisch,

dies gilt getrost auch für das latein des vorliegenden textes, der sich mir aufgrund seiner fehlerhaftigkeit auch nach mehrmaligem durchlesen nicht wirklich in allen details erschließt.
auf jeden fall wäre ein foto des originaltextes hilfreich, um allfällige übertragungsfehler auszuschließen.
jedenfalls geht es um das fossil einer diluvialen (eiszeitlichen) forelle aus dem museum des grafen Franz Ehrenreich v. Trautmannsdorf, rat seiner kais.-königl. majestät Karls des dritten (vermutlich ident mit Karl VI., dem vater Maria Theresias). dieses museum wurde "vor nicht allzu langer zeit" von K.N. Lang, arzt aus Luzern, in einem neuen gesicht der "interessierten welt" präsentiert, wobei diese neuausrichtung speziell die versteinerungen der Schweiz und ihrer paläontologischen "nachbarschaft" betraf. dies sei "durchaus in unserem einverständnis" erfolgt, da "wir überzeugt sind, dass die wahre herleitung unseres ursprungs aus dem Diluvium bzw. aus der bloßen betrachtung der abbildungen, mag auch der text gegenteiliges besagen, bes tätigt werden wird." ?!
ziemlich wirr, das ganze. :-o
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Zythophilus » So 2. Okt 2016, 14:29

Wenn es sich beim erwähnten Grafen Trautmannsdorff um diesen https://thesaurus.cerl.org/record/cnp00895148 handelt, dann ist der genannte Karl III. besser als Kaiser Karl VI. bekannt, wie Tiberis bereits ausgeführt hat. Die Zählung "Karl III." bezieht sich auf seine Funktion als des Königs von Ungarn - das lässt vermuten, dass der Text einen Bezug zum Königreich Ungarn in seinen damaligen Grenzen hat.
Der Anfang des Textes ist unverständlich
Scenam , quam aperuimus , claudimus Pisces
, enthält entweder Druckfehler oder Auslassungen, ebenso ist suit weiter unten kaum möglich (vermutlich fuit), weiters das isolierte text.
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Zythophilus » So 2. Okt 2016, 14:41

Man findet den Text im Internet, publiziert in Scheuchzer, Piscium Querelae et Vindiciae, Zürich 1708, p. 34 (google.books).
Die erste Zeile steht tatsächlcih so da. Pisces dürfte Apposition zu scenam oder eine Art Überschrift sein. Es muss natürlich fuit heißen, und bei text fehlt das zu erwartende u.
Vor atque steht Ill.(ustrissimo):
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Zythophilus » So 2. Okt 2016, 14:53

Ich weiß zu wenig, wie das wissenschaftliche Weltbild des frühen 18. Jh.s aussah, aber ich denke, dass Eiszeiten noch nicht bekannt waren. Daher würde ich diluvium (bzw. das Adj. diluvianus) einfach im christlichen Kontext mit "Sintflut" übersetzen. Dass Fossilien alt sein mussten, war offensichtlich, also brachte man sie einem damals als historisch erachteten, weit zurückliegendem Ereignis in Zusammenhang.
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Medicus domesticus » So 2. Okt 2016, 15:08

Scheuchzer war Arzt und Fossilienforscher, Anhänger der Sintfluttheorie. Er glaubte, dass die Fossilien als Überbleibsel der Sintflut anzusehen sind. Er beschreibt hier eine versteinerte Forelle (trutta), die im Buch auch abgebildet ist: TRUTTA DILUVIANA IN MARMORE SUBFLAVO = Sintflutzeitliche Forelle in hellgelben Marmor.
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon marcus03 » So 2. Okt 2016, 15:13

Medicus domesticus hat geschrieben:Forelle (trutta)


Daher wohl das englische Wort "trout". :D
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Medicus domesticus » So 2. Okt 2016, 15:22

Momentan läuft übrigens eine Ausstellung über Karl Nikolaus Lang, der hier erwähnt wird, im Naturmuseum Luzern: http://tinyurl.com/hp4yb2v
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Medicus domesticus » So 2. Okt 2016, 16:38

...peculiari Lapidum Figuratorum Helvetiae ejusque viciniae Historiae...
Hier ist ein Buch von Lang gemeint: Historia Lapidum Figuratorum Helvetiae eiusque Vicinae (http://tinyurl.com/jcbzodq)
Das Museum wurde im Sinne eine anderen Naturentwurfs (sub alio ludentis & Ideificantis Naturae schemate) gestaltet.
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Zythophilus » So 2. Okt 2016, 17:25

Was bedeutet textus in unserem Zusammenhang? Heißt es hier wirklich "Umfeld" o.ä., meint also den Stein, in dem der fossile Fisch eingeschlossen ist, oder hat es schon die moderne Bedeutung "Text"?
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Re: Neuzeit-Latein - Für die Wissenschaft

Beitragvon Wernazuma » Mo 3. Okt 2016, 08:40

Danke, liebe Leute! Das hilft mir schon viel weiter. :klatsch: Mir ist v.a. wichtig, welche Meinung Scheuchzer da zu Lang ausdrückt. Trauttmansdorff hat nämlich zunächst die Arbeit Scheuchzers unterstützt, nach 1705 aber (v.a. wegen politischer Differenzen mit Scheuchzer, denke ich) jene von Lang.

Was das Latein des Textes betrifft: Es ist halt offensichtlich so eine Sache des Barock - da plage ich mich schon mit den deutschen Sätzen, die irgendwie alle vorne und hinten nicht zu stimmen scheinen...

Ich halte am Do. einen Vortrag über Trauttmansdorff in Zürich, da wollte ich die Schweizer Bezüge noch ein wenig mit Fakten unterfüttern.

"Karl III." bezieht sich übrigens auf Spanien. Kontext ist der spanische Erbfolgekrieg - es gab zwei spanische Könige gleichzeitig: Felipe V de Borón (Hof in Madrid) und Carlos III de Austria (Hof in Barcelona), letzterer in der spanischen Geschichtsschreibung nicht anerkannt.
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