Ist die Oma eh schon durch?

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Ist die Oma eh schon durch?

Beitragvon Zythophilus » Do 18. Mai 2017, 17:16

Die Chorographia des Pomponius Mela liest sich, je weiter der Autor sich von dem, was ein Römer kennt, entfernt, immer abenteuerlicher, sodass man sich oft in einem Märchenbuch wähnt. In III 54 spricht Mela von abstoßenden Sitten, wie manche in Indien mit toten Verwandten verfahren. Quidam proximos parentes priusquam annis aut aegritudine in maciem eant velut hostias caedunt, caesorumque visceribus epulari fas et maxime pium est.
Hat jemand Informationen zur Hand, woher Mela bzw. seine Quelle das hat? Das Phänomen, dass tote Verwandte gegessen werden, um ihnen so eine Art Weiterleben zu ermöglichen, klingt ja noch irgendwie plausibel, aber dass sie aktiv getötet werden - Mela erwähnt noch den praktisch Ansatz, dass das geschieht, solange noch etwas dran ist - kommt mir äußerst unwahrscheinlich vor.
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Re: Ist die Oma eh schon durch?

Beitragvon cometes » Di 23. Mai 2017, 13:39

Eine aktive Tötung von Verwandten in fortgeschrittenem Alter mit anschließender Verspeisung, sofern diese gesund waren, findet sich in Herodots Beschreibung der Sitten der Massageten (I, 216): http://www.sacred-texts.com/cla/hh/hh1210.htm
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Re: Ist die Oma eh schon durch?

Beitragvon Zythophilus » Di 23. Mai 2017, 22:23

Gratias. Es wirkt für mich relativ plausibel, dass die Massageten aus Herodots Schilderung mit dieser Sitte über Umwege in Melas Werk gefunden haben.
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Prädikativum im abl. abs.

Beitragvon marcus03 » Mi 24. Mai 2017, 10:47

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Re: Ist die Oma eh schon durch?

Beitragvon Prudentius » Mi 24. Mai 2017, 19:26

Ganz so entlegen ist die Thematik für den Römer nicht, es handelt sich in etwas allgemeinerer Form um die Relativität von Rechtsnormen und Bräuchen, es ist eine vieldiskutierte und umstrittene Problematik gewesen, es geht darum, ob es ein Naturrecht gibt (ius naturale) oder nur ein ius civile oder "positives Recht", wie wir sagen; Widerstandsrecht, Tyrannenmord, "ungeschriebene Gesetze"; das wurde alles lebhaft diskutiert, in Rom besonders seit der berühmten "Philosophengesandtschaft" von 155 v. Chr., auf der der Skeptiker Karneades mit seinem Relativismus die Jugend beeindruckte und den Widerspruch Catos erntete.
Er wird von Cicero behandelt in de re p., 3. Buch, vllt auch in de nat. deor.
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