Inscriptio gurcensis

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Inscriptio gurcensis

Beitragvon sinemetu » Mi 9. Aug 2017, 13:29

Habe dies hier gefunden:

Bild

Andreae Facinello Trident.
Puero septenni bonae spei
in ludo commilitonum
a saxo exacclivi labente
inexpectato fato peremto
Antonius suffraganeus gurkensis
pietatis ergo posuit.

Der Gurker Suffragan Antonius hat aus Dankbarkeit (gegenüber Gott) folglich diese Tafel errichtet, nachdem er siebenjährig, als hoffnungsvoller Knabe in einer Gruppe von Mitschülern von einem erklommenen Felsen fiel und unerwarteterer Weise dem Tod dem Schicksal entgang.

Mir ist die Form exacclivi nicht deutlich, um was für eine Form sich handelt? 1. Ps. Pro. kann es ja nicht sein, oder?

Der Anfang ist mir unklar, eventuell ist Andreas der Taufname des späteren Suffragans Antonius? Ebenso ob sich Trident. auf Piero bezieht.
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Aug 2017, 14:17

sinemetu hat geschrieben: exacclivi

= ex acclivi
http://www.zeno.org/Georges-1913/A/acclivis?hl=acclivis

Der Suffragan/Geistliche Antonius aus Gurk hat dem Andreas Facinellus/o? aus Trient, einem siebenjährigen,vleiversprechenden Knaben, der beim Spielen mit seinen Kameraden von einem Felsen, der von einer Anhöhe herunterrollte, durch einen unerwarteten Schicksalschlag getötet worden war, aus Liebe/aus Pietätsgründen (dieses Denkmal) gesetzt.

ergo:
ergō (aus ē-reg- zu rego, regio), aus der Richtung, Adv., I) mit voranstehendem Genet., wegen, funeris ergo,

Der Gurker Suffragan Antonius hat aus Dankbarkeit (gegenüber Gott)

Das klingt, als habe er sich über den Unfall gefreut. :lol:
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Aug 2017, 14:59

PS:
sinemetu hat geschrieben:unerwarteterer Weise dem Tod dem Schicksal entgang.

:?
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon Prudentius » Mi 9. Aug 2017, 16:51

Eine störende Umstellung: Warum rückt ihr den Antonius nach vorn an die betonte Stelle, während er doch ganz weit hinten in der vorletzten Zeile steht? Andreas steht vorn, ihm ist die Inschrift gewidmet.

Ich bin mir nicht sicher, ob der Tod durch Absturz oder durch Steinschlag erfolgte: womöglich ist labenti gemeint: wer ist gefallen, der Stein oder Andreas? Perempto a saxo passt nicht gut, besser labenti a saxo. Exacclivis erklärt eher einen Absturz als einen Steinschlag.
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Aug 2017, 17:06

Prudentius hat geschrieben:besser labenti a saxo.

Da steht aber eindeutig LABENTE. Der Abl. kann sich nicht auf den Dativ Andreae beziehen. :?
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon medicus » Mi 9. Aug 2017, 17:31

Wenn man das Bild anklickt, kann man es lesen. In der Steintafel steht EX ACCLIVI mit einem Punkt dazwischen.
Jedenfalls ist der Gurker nicht dem Tode entronnen, wie Sinemetu vermutete.
Ich muss gestehen, dass ich zunächst über den Gurker gestolpert bin. Ich hatte an einen Gurkenbauern gedacht. Bis ich endlich herausgefunden hatte, dass es einen Ort Gurk gibt, hatte marcus03 noster das Rätsel gelöst.
Wobei nach Prudentius Meinung die Todesursache des Knaben ja nicht ganz eindeutig ist. Ob jemand die mitspielenden Knaben befragt hat?. Die werden eher nicht auf einem steilen Abhang gespielt haben, von dem man zu Tode stürzen kann. Evtl. könnte sinemetu eine Ortsbesichtigung machen, so er in der Nähe weilt, wenn die sprachwissenschaftlichen Nachforschungen nicht zu einem endgültigen Ergebnis führen sollten. :book:
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon marcus03 » Mi 9. Aug 2017, 17:44

Vllt. war das Ganze in einer Gegend, wo heute das hier steht:
https://www.google.de/search?q=achtung+ ... aD3bbGh1zM:
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon medicus » Mi 9. Aug 2017, 18:30

Das Örtchen Gurk scheint eher von lieblichen Hügeln umgeben , denn von steil aufragenden Felsen, aber evtl. weiß sinemetu, der wohl dort urlaubt (?) oder ein österreichischer Lateinfreund näheres zu berichten.
http://www.gurk.at/kultur-und-tourismus.html
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon Tiberis » Mi 9. Aug 2017, 21:51

[quote="Prudentius"]1)Perempto a saxo passt nicht gut,2) besser labenti a saxo. [quote]
ad 1) richtig, die Präposition wäre verzichtbar. aber wir sollten bei Inschriften dieser Art (gilt auch für jene aus klassischer Zeit!) nicht unbedingt Cicero zum Maßstab nehmen. Dann wäre nämlich auch "pietatis ergo" zu beanstanden.
ad 2) das ist nicht besser, sondern schlechter. falls der arme Andreas nämlich vom Felsen gestürzt wäre, müsste unbedingt de stehen, niemals a.
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon Zythophilus » Do 10. Aug 2017, 07:28

Die Todesart scheint mir eindeutig aus der Inschrift hervorzugehen.
Gibt es eine Datierung? Bevor der Bischofssitz im Zuge der Reformen Josephs II. 1787 nach Klagenfurt verlegt wurde, war es eine Zwergendiözese. Was machte ein Kind aus Trient da? Besuchte der Bub eine Art Knabenseminar? In seiner Heimatdiözese, immerhin einem Erzbistum gab es das wohl auch.
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon sinemetu » Do 10. Aug 2017, 07:51

bonae spei scheint mir auf einen Knabenseminar hinzuweisen. Ein Vater hätte das wohl nicht so ausgedrückt.
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon medicus » Do 10. Aug 2017, 08:25

Zythophilus hat geschrieben:Gibt es eine Datierung?

Wenn man das Täfelchen anklickt, kann man unten rechts lesen: OBIT 7. MARTII 1584
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon marcus03 » Do 10. Aug 2017, 09:25

Zythophilus hat geschrieben:Die Todesart scheint mir eindeutig aus der Inschrift hervorzugehen.


Cave, mi Zythophile optime, ne autoraeda vehens hoc modo perimaris:
https://www.google.de/search?q=lkw+mit+ ... z2yvkPaxnM:

Fuisse feruntur, qui eo modo animam efflarent. An inter illos fuerint (poetae??) , qui cervisiam maximi putaverant, adhuc notum esse non videtur. ;-)
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon sinemetu » Do 10. Aug 2017, 14:33

medicus hat geschrieben:Das Örtchen Gurk scheint eher von lieblichen Hügeln umgeben , denn von steil aufragenden Felsen...l


ita etiam mihi esse videtur ...
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Re: Inscriptio gurcensis

Beitragvon Prudentius » Fr 11. Aug 2017, 07:59

Das Gurktal hat eine beachtliche Ausdehnung (über 40 km), und es gibt auch die "Gurktaler Alpen".
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