Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

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Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

Beitragvon Sternenkind » Mi 27. Sep 2017, 19:48

Guten Abend,

Im Brief von Plinius über den Vesuvausbruch, in dem er eine Wolke beschreibt, heißt es:
Nubes - incertum procul intuentibus, ex quo monte (Vesuvium fuisse postea cognitum est) - oriebatur, cuius similitudinem et formam non alia magis arbor quam pinus expresserit.

expresserit: Konj. Perfekt, entspricht ja Konj. Präsens

Übersetzung:

Die Wolke erhob sich - von welchem Berg, konnte man von weitem nicht eindeutig erkennen (dass es der Vesuv war, erfuhr man erst später) - in einer Gestalt, die mit keinem Baum besser zu vergleichen war als mit einer Pinie.

Müsste es nicht (wörtlich heißen): ....... die kein Baum besser abbilden KOENNTE als eine Pinie.


In allen Übersetzungen wird der Potentialis mit einer Zeit der Vergangenheit wiedergegeben. Das verwundert mich etwas.


Danke im Voraus
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Re: Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

Beitragvon Tiberis » Mi 27. Sep 2017, 23:04

Sternenkind hat geschrieben:Das verwundert mich etwas.

klar, dass dich das verwundert, denn du gehst davon aus, dass expresserit ein Potentialis der Gegenwart ist. nur: ein pot.d. Ggw. wäre in einer Erzählung vergangener Ereignisse tatsächlich verwunderlich. Nein, expresserit ist kein Potentialis, sondern Konj.Perf. in einem konsekutivischen Relativsatz:
nubes oriebatur, cuius formam .. pinus expresserit: es erhob sich eine Wolke von solcher Beschaffenheit, dass ihre Form (..) am ehesten der einer Pinie entsprach (frei übersetzt).
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Re: Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

Beitragvon marcus03 » Do 28. Sep 2017, 07:49

Tiberis hat geschrieben:nur: ein pot.d. Ggw. wäre in einer Erzählung vergangener Ereignisse tatsächlich verwunderlich.

Dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass Piinius im Moment der Schilderung die Situation erneut lebendig vor Augen hat und man nur von einem möglichen Vergleich ausgeht. Denn auch dieser Vergleich dürfte sicher irgendwo hinken und nur bedingt zutreffen.
Wie das historische Präsens könnte hier ein Potentialis der Ggw. die Schilderung für den Leser noch lebendiger machen.
Ist diese Interpretation auch sprachlich/grammatisch denkbar/kompatibel?
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Re: Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

Beitragvon Sternenkind » Do 28. Sep 2017, 13:18

Ja, in meinem Kommentar, den ich gelesen habe, steht auch, es wäre ein Potentialis.
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Re: Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

Beitragvon Prudentius » Do 28. Sep 2017, 16:07

Wir brauchen nicht nach der alleinrichtigen Lösung zu suchen, wir können beide Deutungen gelten lassen; die Grammatik stellt keine "Parkettierung" der sprachlichen Äußerungen dar: als könnte es keine Überschneidungen von Regeln geben. Diesen Formenvergleich bei Plinius kann man entweder eng auf die Situation beziehen, dann ist es ein konsekutiver Relativsatz; oder man kann ihn allgemein, zeitlos verstehen; dann ist es ein Potentialis der Gegenwart. Bei der Übersetzung komme ich ja hier mit dem Bulldozer, da wird das eingeebnet: "Es erhob sich eine ungefähr pinienförmige Wolke".

In unserer üblichen Bildlichkeit ist es ein Pilz, was da herauskommt.
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Re: Frage zu Potentialis (Konj. Perfekt)

Beitragvon Sternenkind » So 1. Okt 2017, 18:41

Danke euch :-)

Ich hab schon in 2 Kommentaren gelesen, dass es ein Potentialis sein soll.
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