Lat. Lektüre

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Lat. Lektüre

Beitragvon LaniusCollurio » Do 28. Jun 2018, 20:03

Salvete!

Folgende Frage interessiert mich brennend: Ist es legitim neben dem lateinischen Text eine deutsche Übersetzung als Abgleich zu verwenden.

Als Anfänger kann ich auch nur über den Status eines Anfängers berichten. Soll heißen; In höheren Semstern ist es selbstverständlich nicht mehr angebracht, mit deutschen Übersetzungen zu arbeiten, auch wenn dies dennoch gerne gemacht wird.
Zugrunde liegt dieser Frage eine Diskussion in einem Seminar.

Ich selbst lese Caesars de bello gallico, Ovids Meta., Catilinarien etc., nutze dabei aber in der Tat deutsche Übersetzungen. Zum einen, um nach ein paar Sätzen zu schauen, ob meine Übersetzungen adequat sind, zum anderen, um nicht bei jeder Vokabel erst nachschlagen zu müssen. Ich schaue mir also NICHT die fertige dt. Übersetzung an und schreite dann zum lat. Text voran.
Kurzum, ich will vorankommen, lesen, dabei Vokabeln lernen und die Syntax erfassen.
Selbstverständlich kann ich es so halten , wie es gerne gesehen, wie es gewünscht wird, also keine dt. Übersetzung verwenden und Std.lang über 1-2 Sätze sinnieren. Dann aber benötige ich nicht 20 min für eine Seite Caesar u.a., sondern 1 Std oder, wie die meisten der Studenten, mehrere Std. In einen Lesefluss komme ich so auch nicht.
In der Regel funktioniert mein Weg auch prima, denn so schaffe ich es dann im Seminar, den geforderten Text wirklich ad hoc zu übersetzen ohne Vokabeln, ohne fertige abgeschriebene Übersetzung, während alle meiner Mitstudenten brav ihre Aufzeichnungen vorlesen, und bei jeder Spontanübersetzung, d.h. unvorbereitet, nicht mehr vorankommen.
Der Unterschied liegt wohl darin, dass viele Studenten tatsächlich den dt. Text zum Übersetzen nutzen. Das merkt man daran, dass zuerst erstklassige Übersetzungen in einem höllen Tempo zu hören sind, da sie Über dem Text notiert werden. Im Falle einer Spontanübersetzung kommt aber kaum jemadn ohne Hilfe weiter.

Ich verstehe also keineswegs , was daran so verwerflich sein soll, wenn ich den dt. text nur zum Abgleich nutze.

Beste Grüße
LaniusCollurio
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon marcus03 » Fr 29. Jun 2018, 06:29

LaniusCollurio hat geschrieben:Ich verstehe also keineswegs , was daran so verwerflich sein soll, wenn ich den dt. text nur zum Abgleich nutze.

Daran ist auch nichts verwerflich. Jeder soll es mMn so machen/halten, wie es für ihn am effektivsten ist.
Sua ratio cuique! Die allein seligmachende Lernmethode gibt es bekanntlich nicht. :)

LaniusCollurio hat geschrieben:um nicht bei jeder Vokabel erst nachschlagen zu müssen.

Gerade in poetischen Texten kann einem da schnell die Lust vergehen.
Dennoch sollte man, wo irgend möglich, immer zuerst versuchen, Bedeutungen aus dem Kontext zu erschließen, womit man natürlich bei "exotischen", selten vorkommenden Vokabeln schnell an Grenzen stößt.
Möglichst viel lesen - mit oder ohne Zuhilfenahme von Übersetzungen - ist aber wohl immer noch die beste Methode, langfristig erfolgreich zu sein.
In summa: Auch beim Übersetzen muss letztlich jeder nach seiner Facon/mit seiner Methode glücklich werden.
Am Ende zählt nur der Erfolg, wie auch auf anderem Gebiet in diesen Tagen die WM gezeigt hat:
Irgendwas muss Herr Löw falsch gemacht haben, sonst wäre man nicht so kläglich gescheitert.
Er wird seine Trainingsmethode und einiges andere sicher gründlich überdenken und sich vllt. sogar dabei die Frage stellen müssen, ob er noch der richtige Mann für die Zukunft ist.
Möglicherweise erkennt er, dass er mit seinem Latein am Ende ist und andere Methoden in Zukunft angesagt sein könnten, für die er altersbedingt und nach 12 Jahren Amtszeit nicht mehr die nötiger Power und Flexibilität hat.
Rationes mutantur/ mutandae sunt et mutamur/mutandi sumus cum illis - saltem interdum!
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon Prudentius » Fr 29. Jun 2018, 09:46

LaniusCollurio hat geschrieben:Folgende Frage interessiert mich brennend: Ist es legitim neben dem lateinischen Text eine deutsche Übersetzung als Abgleich zu verwenden.


Es ist nicht nur legitim, sondern einfach nötig, man kann unmöglich alles Erforderliche in extenso Wort für Wort lesen, dafür haben wir nicht genug Zeit und Speicherplatz bei den paar Synapsen, über die wir verfügen.

Man unterscheidet zwei Formen von Lektüre, die statarische und die kursorische; man muss beide anwenden, Kernstellen muss man statarisch, große Textmassen kursorisch lesen; man muss da flexibel sein; man liest so oder so, je nachdem was man sich für ein Ziel vorgenommen hat. Livius oder Tacitus können wir gar nicht ohne Übersetzung bewältigen; andererseits sollte man sich aber auch vor Augen halten, dass man kein Philologe zu sein braucht, um einen Text in Übersetzung zu lesen.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon LaniusCollurio » Fr 29. Jun 2018, 10:10

Es freut mich, das so zu hören.
Eure Kommentare dazu erleichtern mir den weiteren Weg.

An der Uni wird damit umgegangen, als sei es ein Verbrechen.
Ich verstehe diese Pikiertheit überhaupt nicht.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon medicus » Sa 30. Jun 2018, 12:49

LaniusCollurio hat geschrieben:An der Uni wird damit umgegangen, als sei es ein Verbrechen.


Wenn du an der Uni ein Verbrechen begehst, dann wirst du selbst aufgespießt, o Neuntöter, wie du es mit den Insekten machst. :prof2:
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon Zythophilus » Sa 30. Jun 2018, 15:45

Die Verwendung einer Übersetzung ist kein Verbrechen - und selbst wenn sie es wäre, würde dieses Verbrechen nicht geahndet.
Für kontraproduktiv halte ich es, die Übersetzung heranzuziehen, um sich das Nachschlagen im WB zu ersparen. Kurzfristig bringt das natürlich eine gewisse Zeitersparnis, aber normalerweise merkt man sich Vokabel, die man selber nachschlägt, leichter; auf längere Sicht erspart man sich so also nichts.
Ich würde die Übersetzung erst nach einer eigenen Rohübersetzung heranziehen; i.d.R. sind literarische Übersetzungen - speziell poetischer Texte - ohnedies so frei, dass man zwar herausfindet, ob man den Sinn getroffen hat, Grammatikdetails aber nicht unbedingt erkennt. Für den eigentlichen Akt des Übersetzens ist ein Kommentar zweckmäßiger.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon marcus03 » So 1. Jul 2018, 07:48

Stomachatus hat geschrieben:Die Tatsache, dass ihr nicht in der Lage seid, 20 bis 30 Seiten in der Stunde im Original zu lesen (ja, inkl. Livius und Tacitus, l

Von Ovid schaffst du locker 50 Seiten oder mehr? Wörter erschließt du alle aus dem Kontext?
Vermutlich kannst du gleichzeitig druckreife Übersetzungen auf Band diktieren.
Mich beschleicht der Verdacht, wir haben Ciceronem redivivum vor uns.
Ich gehe davon aus, dass du auf Latein träumst und die antike Literatur mittlerweile intus hast.
Wir warten auf deine Autobiografie - im bestem klassischen Latein, versteht sich.
tiberis wird sie sicher gerne lektorieren, was aber eigentlich unnötig sein wird: Mehr als ein paar Tippfehler wird er kaum finden. Nur im dt. Vorwort der dt. Ausgabe könnte er einiges zu bemängeln haben.Das dürfte aber daran liegen, die dir an deiner Muttersprache nicht mehr allzu viel liegt.
Was ist schon Deutsch im Vergleich zu Cicero-Latein? :)

PS:
Wieviel Seiten von Seneca schaffst du pro Stunde, wieviel von Apuleius?
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon medicus » So 1. Jul 2018, 08:37

marcus03 hat geschrieben:an deiner Muttersprache nicht mehr allzu viel liegt.



Deutsch ist nicht seine Muttersprache, die ist osteuropäisch.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon LaniusCollurio » So 1. Jul 2018, 11:43

Stomachatus hat geschrieben:Es ist alles deprimierend.
Die Tatsache, dass ihr nicht in der Lage seid, 20 bis 30 Seiten in der Stunde im Original zu lesen (ja, inkl. Livius und Tacitus, lieber Prudentius), ist Zeichen dafür, dass eure Grammatik-Übersetungsmethode nicht funktioniert. Macht euch nichts vor. Es ist alles ein Versagen.


:hail:

Mein Gott, was sind wir doch alle dumm.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon Tiberis » Mo 2. Jul 2018, 00:24

Zythophilus hat geschrieben:Für kontraproduktiv halte ich es, die Übersetzung heranzuziehen, um sich das Nachschlagen im WB zu ersparen. (…)Ich würde die Übersetzung erst nach einer eigenen Rohübersetzung heranziehen

Ich würde umgekehrt vorgehen: Zuerst nur die Übersetzung lesen (natürlich nicht einzelne Sätze, sondern einen längeren Abschnitt), damit man einmal weiß, worum es geht. Dann die Übersetzung beiseite legen und (nur) mit Hilfe des Wörterbuchs eigenständig den Text übersetzen. Zur Endkontrolle kann man dann wieder auf die Übersetzung zurückgreifen.
Stomachatus hat geschrieben:Die Tatsache, dass ihr nicht in der Lage seid, 20 bis 30 Seiten in der Stunde im Original zu lesen

Abgesehen davon, dass jeder eine andere Lesegeschwindigkeit hat und dass Seiten bekanntlich unterschiedlich dicht bedruckt sind, kommt es auch auf den Inhalt an. Einen narrativen Text wird man - egal, in welcher Sprache - naturgemäß schneller lesen als beispielsweise einen philosophischen. Aber es geht dir ja nicht um solche Differenzierungen, sondern ausschließlich um Selbstdarstellung und Provokation, umso mehr, als du in der bequemen Lage bist, deine angeblichen Lesefähigkeiten niemandem beweisen zu brauchen. Schreib doch einfach hier einmal einen längeren lateinischen Text, damit sich jeder ein Urteil über deine angebliche facultas dicendi bilden kann. Rasch wird man dann sehen, dass "der Kaiser nackt" ist.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon marcus03 » Mo 2. Jul 2018, 06:50

Stomachatus hat geschrieben:Du willst Lehrer werden, nehme ich an.
So. Du brauchst, kein Latein zu können.


So wie auch ein Pilot kein Flugzeug fliegen können muss. Dafür hat er ja den Autopiloten.Wenn der ausfällt, ist immer noch das Kontrollzentrum da, das dann den Ersatzcomputer an Board übernimmt.
Der einzige Zweck ist, dass da einer im Cockpit sitzt, von dem die Passagiere glauben, er könne fliegen und sich dadurch wohler fühlen.
Dann doch lieber Pilot werden! Noch werden sie weit besser bezahlt als Lehrer, die kein Latein können müssen
und in nicht allzu ferner Zukunft durch hochentwickelte Roboter ersetzt werden, die auch kein Latein können müssen, weil sie alles Notwendige -gut gespeichert- in sich tragen.
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Re: Lat. Lektüre

Beitragvon marcus03 » Mo 2. Jul 2018, 15:42

Stomachatus hat geschrieben:Marcus03 ist nicht vom Fach und sei deswegen entschuldigt.

Danke für dein Verständnis für meine von Inkompetenz nur so strotzenden Beiträge!

Stomachatus hat geschrieben:dass jede Lateinstunde eine zusätzliche Deutschstunde sei.

Das ist was dran. Deutsche Grammatik lernt man anderswo kaum besser als bei einem guten Lateinlehrer, der
sich um grammatisch korrekte Übersetzungen bemüht und dabei Exkurse in die dt. Grammatik macht.
Das Problem "Konjunktiv im Dt." z.B. lernen viele hier oft zum ersten Mal systematisch kennen.

PS:
Definlere bitte, was für dich in diesem Kontext "Latein können" und "Lesefähigkeit" genau bedeuten.
Wann "kann" jemand Latein? Wann besitzt jemand die von dir geforderte Lesefähigkeit?
Bitte anhand von konkreten, qualitativen Beispielen! Quantität als Argument kann es ja wohl nicht sein.
Dass die Lesefähigkeit immer mehr schrumpft, hat m.E. v.a. mit dem raschen,gesellschaftlichen Wandel zu tun, mit dem immer weniger mithalten können, weil er sie einfach überfordert.
Der Fokus liegt auf schnellen Infos, nicht konzentriertem, reflektierendem Lesen, vom Spaß am Lesen
ganz zu schweigen. So sehe ich das zumindest tendenziell.

PPS:
Deine nächsten Kommentare bitte auf Latein. Ich möchte weiter dazulernen. Vielen Dank im Voraus. :)
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