Frage zu Annalen

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Zythophilus » Do 29. Sep 2016, 22:19

Bei thelatinlibrary.com kommt es darauf an, wofür man die Sammlung verwenden will bzw. überhaupt kann. Es ist ein großes Angebot bekannter, aber auch weniger bekannter Texte, vieles aus dem Mittelalter, an das man sonst nicht ohne Schwierigkeiten herankommt, weil vieles davon nur in sehr spezialisierten Bibliotheken in gedruckter Form steht. Diese leichte Verfügbarkeit macht thelatinlibrary.com auch bei klassischen Standardtexten interessant, wenn es gilt, rasch etwas nachzusehen.
Die schon erwähnte Anfälligkeit für Fehler wie auch das Fehlen eines kritischen Apparats zeigen einem auch sofort die Grenzen von thelatinlibrary.com. Will man etwas in die Tiefe gehen, vielleicht für eine wissenschaftliche Arbeit, muss einer allfälligen Recherche in thelatinlibrary.com noch eine Kontrolle anhand einer kritischen Ausgabe folgen.
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon iurisconsultus » Fr 30. Sep 2016, 09:02

Zythophilus hat geschrieben:Will man etwas in die Tiefe gehen, vielleicht für eine wissenschaftliche Arbeit, muss einer allfälligen Recherche in thelatinlibrary.com noch eine Kontrolle anhand einer kritischen Ausgabe folgen.

Hat man keine kritische Ausgabe zur Hand, schaue ich zumindest noch in die digitale Loeb Classical Library (s. zu den Annalen: "Ituram cum illo in castra; audiretur hinc Germanici filia, inde debilis rursus* ..." [*Acidalius, Muretus]). Allerdings ist der kostenlose Zugang stark eingeschränkt. In der Tusculum-Ausgabe fehlt rursus dagegen.
Qui statuit aliquid parte inaudita altera,
aequum licet statuerit, haud aequus fuit.
(Sen. Med. 199-200)
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Prudentius » So 2. Okt 2016, 10:07

In der Papierbibliothek dort auf dem Regal finde ich die alte Oxford-Ausgabe, critical edition with notes, von Furneaux, ohne Apparat. Das rursus hat er, es verstärkt das inde, das mit hinc korrespondiert, "then on the other side", er bringt auch eine Parallelstelle.

Im Vorbeigehen: "rursus" ist allein schon interessant, mit der Lautzusammenziehung von re - versus/-vorsus zu langem u; und dann auch die ungewöhnliche Adverbialendung -us, wie bei intus, penitus, caelitus (?).
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Sternenkind » Mi 26. Sep 2018, 11:36

Guten Morgen,

Ich schreibe gerade an einer Arbeit zu folgender Stelle:

ituram cum illo in castra; audiretur hinc Germanici filia, inde debilis rursus Burrus et exul Seneca, trunca scilicet manu et professoria lingua generis humani regimen expostulantes. simul intendere manus, adgerere probra, consecratum Claudium, infernos Silanorum manis invocare et tot inrita facinora.

Mit ihm werde sie ins Lager (der Prätorianer) gehen. Da solle man dann hören - hier die Tochter des Germanicus, dort den verkrüppelten Burrus und den landesverwiesenen Seneca, wie sie mit verstümmelter Hand und schulmeisterlicher Beredsamkeit den Besitz des Weltregiments in Anspruch nehmen. Dabei ballt sie gegen ihn die Faust, überhäuft ihn mit Schmähungen, ruft den vergöttlichten Claudius, ruft die Namen der (Brüder) Silanus zur Rache auf und so viele nutzlos gefallene Opfer. (Übersetzung von Gottwein)

Bislang habe ich leider keinen ordentlichen Kommentar dazu gefunden. Gibt Agrippina vor, mit Britannicus ins Lager der Prätorianer zu gehen, damit er zum neuen Kaiser ernannt wird? Will sie Nero damit aufstacheln? Warum sollte sie Burrus und Seneca mitnehmen? Weil die Britannicus dann, wie Nero zu Beginn seiner Herrschaft, beraten könnten?

Warum wendet sie sich an die Seelen der Toten? Will sie Nero damit provozieren und ihm Angst machen, sie alle , die sie für ihn aus dem Weg geschafft hat, könnten sich an ihm rächen? Durch den Mord des Britannicus lädt er aber doch noch größere Schuld auf sich :pillepalle:

Habe ich die Stelle richtig verstanden? Ich glaube, ich komme bei den Gedanken dieser verrückten Frau nicht ganz nach :D

Freue mich auf eure Antworten
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Prudentius » Do 27. Sep 2018, 15:57

ruft die Namen der (Brüder) Silanus zur Rache auf


Nicht die Namen, sondern die Manen (schöner Buchstabendreher!)

Du musst den Faden der vorhergehenden Ereignisse im Kopf haben, dann erscheint sie nicht als verrückte, sondern als verzweifelte, aber machtlose, tragische Frau!

Britannicus wäre der bevorrechtigte Thronfolger gewesen, nicht Nero; sie geht ins Prätorianerlager, das ist nämlich der Ort, wo einer auf den Schild gehoben werden kann; sie droht also einen Putsch gegen Nero an.
Tac. beschreibt den Vorgang zynisch: sie ist die Tochter des Germanicus, also eine Frau, und der war ein nicht zum Zuge gekommener Thronanwärter.

Tacitus - Seneka: Das ist hier eine besondere Stelle, weil ein prominenter Autor einen anderen beurteilt, Seneka erscheint als professoraler Typ, so kommt er uns eigentlich nicht vor.
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Sternenkind » Do 4. Okt 2018, 08:39

Vielen Dank für eure Antworten :-)
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Sternenkind » Do 18. Okt 2018, 10:10

Guten Morgen,

Im Kapitel 18 heißt es:

Ac, ne coetu salutantium frequentaretur, separat domum, matremque transfert in eam quae Antoniae fuerat, quotiens ipse illuc ventitaret, saeptus turba centurionum et post breve osculum digrediens.

Ich habe dabei eine Frage zum Inhalt und zur Grammatik.

Wie lässt sich der Konjunktiv Imperfekt begründen? Um eine indirekte Rede handelt es sich hier, meiner Meinung nach nicht. :? Sowohl bei Georges als auch bei Rubenbauer steht, dass diese Konjunktion mit dem Indikativ steht.

Erscheint Nero umringt von den Soldaten bei Agrippina, weil er seine Macht demonstrieren möchte und / oder Angst vor seiner Mutter hat?

Danke
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon marcus03 » Do 18. Okt 2018, 10:36

Diese Frage hast du schon einmal gestellt:
viewtopic.php?f=23&t=44042
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Sternenkind » Do 18. Okt 2018, 17:10

Entschuldigung und danke.
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Prudentius » Fr 19. Okt 2018, 09:59

marcus03 hat geschrieben:Diese Frage hast du schon einmal gestellt:


Aber das arme Sternenkind hat noch keine befriedigende Antwort bekommen. Denn dass "die wiederholte Handlung durch den Konjunktiv ausgedrückt wird" trifft nicht so richtig zu; es kommt hier nicht darauf an, dass er wiederholt zu ihr kam, sondern dass er jedesmal, wenn er kam, von einer Schar Centurionen umringt war. Es ist also eine Zeitvariable angedeutet: "an allen Zeitpunkten, an denen er zu Besuch kam", ein logischer Allquantor. Die wiederholte Handlung des Kommens ist also mit logischer Bedeutung befrachtet, und so ist es plausibel, dass der Autor nach einer Möglichkeit sucht, das Besondere daran besonders auszudrücken; und da bietet sich eben der Konjunktiv an, als "B-Modus" wie ich sagen möchte.
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon marcus03 » Fr 19. Okt 2018, 10:42

Prudentius hat geschrieben:so ist es plausibel, dass der Autor nach einer Möglichkeit sucht, das Besondere daran besonders auszudrücken; und da bietet sich eben der Konjunktiv an,

Dass der Konj. eine solche Funktion haben kann, ist mir völlig neu.
Was soll an einer regelmäßigen Handlung Besonderes sein? Das Besondere steht doch im HS.
Wo ist da die Logik? :?

Schau dir mal weitere Stellen an:
http://latin.packhum.org/concordance?q= ... s%5Btac%5D
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Medicus domesticus » Fr 19. Okt 2018, 16:23

Salvete,
Trotz meiner auch positiven Meinung zur Logik, ist diese nicht nur die einzige Erklärung. Dessen sollte man sich auch bewußt sein. Mit Logik fährt man gut in mathematischen Themen, gelegentlich auch in der Sprache. Das Problem ist, dass wir nicht nur logisch in sprachlichen Dingen handeln und denken. Es gibt nur einen Rahmen (Grammatik), jedoch keine starre Regelung. Dies ist der Unterschied zur Mathematik.

Gruß an alle, auch an Prudentius, weil ich aus beruflichen Gründen nur wenig beitragen kann :-D !
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon medicus » Fr 19. Okt 2018, 18:23

Salve collega,
ich bin zwar nur ein "Wald-und Wiesen-Medicus" und verstehe von der Wissenschaft der Logik nicht viel, dennoch finde ich in diesem deinem Satz zwei Logikfehler:
Medicus domesticus hat geschrieben:Gruß an alle, auch an Prudentius, weil ich aus beruflichen Gründen nur wenig beitragen kann


1. Wenn du alle grüßt, ist Prudentius doch eingeschlossen, und das Wort auch passt nicht.
2.Wie kann der Grund des Grußes deine starke berufliche Beanspruchung sein?
Ich verstehe sehr wohl, was du uns damit mitteilen willst; aber die Logik in der Aussage scheint mir nicht berücksichtigt, an erro? :book:
Ne per dies noctesque laboraveris!
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Prudentius » Fr 19. Okt 2018, 19:23

[quote="Medicus domesticus"] Das Problem ist, dass wir nicht nur logisch in sprachlichen Dingen handeln und denken. Es gibt nur einen Rahmen (Grammatik), jedoch keine starre Regelung./quote]

Genau! Und von diesem Rahmen sprechen wir hier. Die Logik ist für die Sprache so etwas wie das Skelett für den Menschen. Das Skelett ist nicht alles, aber ohne das Skelett ist alles nichts, wenn die Knochen zerbröseln.
Die Grammatik ist eine Sekundärlogik, die Logik trägt die Grammatik, die Logik ist das Fundament der Grammatik; die Grammatiker tun gut daran, auf Bodenkontakt zu achten, ob sie Boden unter den Füßen haben.

Hier steht nicht: "Oft besuchte er sie", sondern "Sooft er sie besuchte", und der Unterschied in dieser kleinen Änderung besteht darin, dass aus einem Aussagesatz ein Adverbialsatz geworden ist, aus einer selbständigen Behauptung eine Umstandsbestimmung für das übergeordnete Prädikat saeptus: Nero war nicht immer von Zenturionen umringt, sondern nur gelegentlich seiner Besuche bei ihr. Also in dieser Unterscheidung kann man eine Besonderheit sehen, eine "Sinnbefrachtung", und darin kann man einen Grund sehen, den Kj. zu setzen, auch wenn der Ind. ginge.
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Re: Frage zu Annalen

Beitragvon Zythophilus » Fr 19. Okt 2018, 22:49

Eine Vertauschung von "oft" (saepe) und "sooft" (quotiens) kann ohnedies nur im Deutschen passieren. Dennoch kann man auch bei quotiens davon ausgehen, dass das mehrmals passiert. Klassisch scheint für mich das Imperfekt als Tempus der Wahl, später ein iterativer Konjunktiv, wie ihn der Autor nimmt.
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