ὦ γέρον!

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ὦ γέρον!

Beitragvon Honigdachs » Di 12. Mär 2019, 19:49

Ich habe heute in der Heinrich-Voss-Übersetzung der Odyssee gelesen. Ich musste ein wenig lachen, als ich bemerkte, dass im 14. Buch einige Passagen sind, die unfreiwilliger Weise klingen wie auf dem Schulhof:

14, 37f.
Alter, es fehlte nicht viel, so hätten die Hunde mit einmal
Dich zerrissen, und mich hätt' ewige Schande getroffen!

14, 122f.
Alter, kein irrender Mann, der Botschaft von jenem verkündigt,
Möchte so leicht bei der Frau und dem Sohne Glauben gewinnen.

14, 166-168
Alter, ich werde wohl nie den Lohn der Botschaft bezahlen,
Noch wird Odysseus je heimkehren! Trinke geruhig
Deinen Wein, und lass uns von etwas anderem reden.

14, 185
Auf! erzähle mir jetzo von deinen Leiden, o Alter!

:lol: :lol: :lol:

Was sagt der eine Konsul zum anderen?
"Alter!"

"Alter!" ait "quid agis? quid agemus?" consul, at alter
"Alter!" ad illa refert, addit et hisce "nihil!"
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon sinemetu » Di 19. Mär 2019, 11:58

Mich dünkt, Geron - der Alte, Greis, gehört auch zu dem Bedeutungskreis "Wächter/bewachen", weil es im Ungarischen dieselbe semantische Brücke gibt. Der Öreg ist der Alte, örizni heißt bewachen, Rend-ör, ist der Ordnungshüter bzw.- wächter (Polizist).

http://www.fahrzeugbilder.de/bild/Poliz ... ei-iv.html

Dieser Beitrag gehört auch noch in den Faden "gredo, grego*.
Zuletzt geändert von sinemetu am Di 19. Mär 2019, 12:38, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon marcus03 » Di 19. Mär 2019, 12:10

sinemetu hat geschrieben: Geron - der Alte, Greis, gehört auch zu dem Bedeutungskreis "Wächter/bewachen",

Der älter der Wächter, desto besser für den Einbrecher! ;-)
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon Tiberis » Fr 22. Mär 2019, 01:36

sinemetu hat geschrieben:Geron - der Alte, Greis, gehört auch zu dem Bedeutungskreis "Wächter/bewachen", weil es im Ungarischen dieselbe semantische Brücke gibt.

:hairy:
sinemetus furchtloser Ritt durch den semantischen Gemüsegarten :pillepalle:
Du würfelst wirklich alles zusammen, wie es dir gerade in den Kram passt. Vielleicht hat dann der Kranich (γερανος) auch etwas mit "bewachen" (was im übrigen φυλαττειν heißt) zu tun? und eine Beziehung zwischen öreg und ör herzustellen, ist genauso abwegig, wie wenn man öreg und örül semantisch verknüpfen wollte.
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon ille ego qui » Fr 22. Mär 2019, 08:44

Stomachatus hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:Mich dünkt


Ich assoziiere das mit "Dünger" und "düngen", liege ich da falsch?

"Mich düngt irgendwas" und steigt die geistige Fruchtbarkeit?



mich dünkt/mich deucht = mir scheint

(sofern die Ratlosigkeit echt war ;-) )
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon sinemetu » Fr 22. Mär 2019, 09:36

Tiberis hat geschrieben: Vielleicht hat dann der Kranich (γερανος) auch etwas mit "bewachen" (was im übrigen φυλαττειν heißt) zu tun?


1. Die Existenz zweier verschiedener Wurzeln mit demselben Sem ist Voraussetzung für das Phänomen Synonymie.

2. Nein, ich sehe momentan keine Brücke zwischen den altgriechischen Worten für "bewachen" und "Kranich"*, obwohl ich die Sache vor Augen hatte. (Meine Frau hat fast alle unsere Fenster mit Geranien vollgestellt) Die Worte enthalten zwar zweifellos dasselbe Phonem. Aber sie haben kein gemeinsames Sem. Es gibt auch kein Gesetz, welches dies zwingend vorschreibt.

* Wenn wir mal von dem Sem *Wächter=Zeuge" bei dem Kranichen des Ibikus absehen.

Tiberis hat geschrieben:und eine Beziehung zwischen öreg und ör herzustellen, ist genauso abwegig, wie wenn man öreg und örül semantisch verknüpfen wollte.


Nein, Tiberis, man kann zwar sich eine Brücke herbeiphantasieren, zwischen den Semen "Alt" und "Freude", aber ich will da auch nichts erkennen, was einen echten Sitz im Leben hatte. Nicht, dass das Alter nun freudlos wäre, aber dasselbe Gefühl will sich doch eindeutig seltener einstellen, als in der Jugend. Demgegenüber sehe ich aber eine echte Verbindung zwischen den Semen "Alt" und "Bewachen".
Als es noch kein Fernsehen gab, sah ich bei uns im Dorf die Alten immer auf einer Bank vor dem Grundstück. neben der Pforte beieinander sitzen und snacken. Und jeder Daherkommende wird nach dem Woher und Wohin befragt. Das ist in HU nicht anders gewesen. Dazu denke dann die damals herrschende soziale Immobilität der alten Gesellschaft.

Wie gesagt, Worte, die mit demselben Phonem beginnen (mit Varianz), müssen nicht notwendigerweise dasselbe Semem tragen, aber die Wahrscheinlichkeit ist wohl erhöht. Tritt aber ein und dieselbe Brücke zwischen zwei Semen in unterschiedlichen Sprachen auf, dazu noch in nicht verwandten Sprachen, kann man von der Existenz eines im Leben vorhandenen, sprachformenden Sinnzusammenhanges ausgehen. Zuerst gibt es einen Sinn, dieser sucht sich dann das Kleid, welches er anzieht, und das ist dann der Klang des Wortes.
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon Willimox » Fr 22. Mär 2019, 12:34

Verlangt Sinemetu - der Lidl wird heute von ihm gemieden - auf dem Wochenmarkt
"zwei Pfund Tomaten, bitte".
Erwidert der Händler:
"Das heißt doch Kilo."
Staunt Sinemetu:
"Ach was, nicht mehr Tomaten?
Wo bleibt da der sprachformende Sinnzusammenhang?"

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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon marcus03 » Fr 22. Mär 2019, 12:46

Willimox hat geschrieben:Wo bleibt da der sprachformende Sinnzusammenhang?"


Wir haben halt alle Tomaten auf den Augen, wenn es um solche Zusammenhänge geht. :wink:
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon medicus » Di 26. Mär 2019, 11:18

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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon marcus03 » Di 26. Mär 2019, 11:28

Doleo e lycopersicis ab oculis remotis lactucam e lycopersicis factam parari non posse. :( ;-)
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon sinemetu » Di 26. Mär 2019, 13:52

Ad Tiberim, es ist manchmal auch nützlich, die Bücher zu rate zu ziehen ...

Ich habe zur ung. Wurzel ör nochmal a Magyar nyelv történeti etimologiai szótár zu Rate gezogen. Dabei ist Interessantes zutage getreten. Die Grundbedeutung des Phonems scheint mir nach Lektüre der etlichen Artikel zu sein "drehende Bewegung", daher örvény (Strudel), örölt (gemahlen). "Az öriz erdete jetentése "köröz, forog" s. S. 32 Lemma ör. Über den drehenden Himmel und seine örangyalok, (Wächterengel), die immerzu um das zu Bewachende herumlaufen und drauf blicken, wohinter sich die astralen Archonten verbargen, kommen wir dahin, daß das sich "ewig (örökke) Drehende" auch alt in lat. und dt. Bedeutung ist, insofern assoziiert das Drehende auch das Sem "hohes Alter", wie überhaupt Zeit (Kor, Lat: Kirkus,) und Krankheit (Korház) und Alter, nicht nur im Ungarischen mit der Idee des Kreises (Kör) verbunden sind. Man lese Hamlets Mill. Übrigens stellen die Verfasser auch öröm, die Freude, entgegen meiner Vermutung, hierher. Brücke: das Drehen beim Tanze ... "a gyors ..forgás stb." s. S. 36 Lemma öröm.
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon Prudentius » Di 26. Mär 2019, 20:18

Dann bedeutet auch türk. "kör", blind, jemand, der kreist, weil er den Weg nicht findet.
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Re: ὦ γέρον!

Beitragvon sinemetu » Di 26. Mär 2019, 20:35

Prudentius hat geschrieben:Dann bedeutet auch türk. "kör", blind, jemand, der kreist, weil er den Weg nicht findet.


Wenn Du in einer zweiten Sprache diese Verbindung von blind zu Kreis nachweist, will ich selber drüber nachdenken und hol mein ung. Etymologie WB raus ....
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