utinam non verum

Korrektur und Hilfestellungen bei Übersetzungen für die Schule und das Leben sowie deutsch-lateinische Übersetzungen für Nichtlateiner

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utinam non verum

Beitragvon Laptop » So 28. Apr 2019, 01:00

Salvete. An dieser Stelle bin ich stutzig. Ist utinam in
Salsum in medicos scomma est solis licere impune occidere; utinam non verum!
zu verstehen als ‹ach, wenn es doch nicht wahr wäre!› i.S.v. ‹ich weiß daß es wahr ist, aber ich bedaure es›. Oder aber als ‹hoffentlich ist es nicht wahr!› i.S.v. ‹ich hoffe daß es nicht wahr ist›? Utinam wird soweit ich weiß für erfüllbare als auch unerfüllbare Wünsche gebraucht. Da nun aber kein Verb folgt, kann ich auch nicht anhand eines etwaigen Konjunktivs erkennen wie es gemeint ist.
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Re: utinam non verum

Beitragvon marcus03 » So 28. Apr 2019, 06:28

Laptop hat geschrieben:Da nun aber kein Verb folgt, kann ich auch nicht anhand eines etwaigen Konjunktivs erkennen wie es gemeint ist.

Wie es gemeint ist/Die Ellipse, dürfte sich aus dem Kontext ergeben.
verum bezieht sich auf scomma: Oh wenn es doch bloß nicht eine/keine wahre Stichelei/Sarkasmus wäre! (Wortverneinung, sonst müsste es Utinam ne lauten)
--> Utinam non verum scomma esset!

https://books.google.de/books?id=lXtjAA ... 0s&f=false

vgl:
Habetis sermonem bene longum hominis, utinam non impudentis! (Cicero)
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Re: utinam non verum

Beitragvon Tiberis » So 28. Apr 2019, 11:58

ein schönes Beispiel für Wortverneinung!
Übrigens: Hat da nicht vor nicht allzu langer Zeit jemand ( qui si tacuisset, philosophus mansisset) behauptet, Wortverneinungen gebe es gar nicht?
8)
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Re: utinam non verum

Beitragvon Laptop » So 28. Apr 2019, 18:54

D. h. der Satz impliziert, daß der Witz der Wahrheit entspricht? Und die Übersetzung als ‹hoffentlich ist es nicht wahr› ist falsch?
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Re: utinam non verum

Beitragvon marcus03 » So 28. Apr 2019, 19:02

Laptop hat geschrieben:D. h. der Satz impliziert, daß der Witz der Wahrheit entspricht?

Ja, so sehe ich das? WITZ ist wohl untertrieben in diesem Fall. ;-)
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Re: utinam non verum

Beitragvon Laptop » So 28. Apr 2019, 19:35

Ok, dann verstehe ich es. Naja, Witz habe ich nur schnell dahergeschrieben, salsum scomma ist wörtlich ja soviel wie geistreiche/hintersinnige Stichelei also soviel wie Sarkasmus.
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Re: utinam non verum

Beitragvon Prudentius » Mo 29. Apr 2019, 08:56

Tiberis hat geschrieben: philosophus mansisset


Philosophen dürfen auch mal irren, vllt. kann ich dann doch noch ph. bleiben :shock:
Aber hier irre ich nicht, muss aber gegen den Strom schwimmen :sad:

"Schönes Beispiel von Wortverneinung": aber das verneinte Wort, verum, ist Prädikat, und Prädikat ist Satzkern, also ist es eine Satzverneinung; die mit utinam erhoffte Verneinung bezieht sich ja auf den vorausgehenden Satz: "Allein den Ärzten ...".
Der Satz bestätigt mit dem Begriff verum das, was ich zur Begründung angeführt hatte, dass nämlich Negationen mit wahr/falsch zu tun haben, und dass nur Sätze negiert werden können, weil Einzelwörter nicht wahr/falsch sein können (Zitat von Cicero: "Omne enuntiatum aut verum aut falsum est", de fato 28).

Allerdings ist der Sprachgebrauch "Wortverneinung" annehmbar, wenn man bedenkt, dass diese eine Rückbildung einer Satzverneinung ist: "Nichtraucher" geht zurück auf einen Satz: "Dieses Abteil ist nicht für Raucher"; eine NGO ist reduziert aus: "Diese O ist keine GO".
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Re: utinam non verum

Beitragvon Tiberis » Mo 29. Apr 2019, 11:03

Prudentius hat geschrieben:aber das verneinte Wort, verum, ist Prädikat, und Prädikat ist Satzkern, also ist es eine Satzverneinung


verum steht in Antithese zu salsum, und genau so wie salsum Attribut zu scomma ist, ist auch verum Attribut und nicht Prädikat!
also: Wortverneinung ;-)
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Re: utinam non verum

Beitragvon Prudentius » Di 30. Apr 2019, 17:29

Bist du sicher? Kann es nicht auch heißen: "Bösartig ist die Stichelei, ..."?

"Nicht alles ist Gold, was glänzt", Wortnegation zu alles, klar; aber nicht nur das: die Negation wirkt sich auf das Satzganze aus; es ist auch Satznegation, es wird der Satz negiert: "Alles ist Gold, was glänzt". So sehe ich das hier auch; es wird auch der Satz negiert: "O wenn es doch ein wahres Wort wäre!".

Ich bin nicht dagegen, dass es Wortnegation gibt, aber ich halte dieses strikte Entweder-Oder für falsch; die Wortnegation ist immer Satznegation. Man sollte nicht bei der Negation Wort und Satz gegeneinander ausspielen!

Wenn man es genau nimmt, dürfte es eigentlich nur Wortnegation geben, denn das Negationswort non geht ja in der Syntax als Ad-verb, es steht gewöhnlich beim Verb; irgendwie muss es sich ja an ein Wort anlehnen, um überhaupt in die Satzkonstruktion eingebettet werden zu können.

Versuchsweise würde ich mal diese Regel aufstellen: "Alle Negationen sind Satznegationen, manche sind auch Wortnegationen".
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Re: utinam non verum

Beitragvon Tiberis » Di 30. Apr 2019, 21:11

Prudentius hat geschrieben:Bist du sicher? Kann es nicht auch heißen: "Bösartig ist die Stichelei,


Salsum in medicos scomma est solis licere impune occidere. utinam non verum!
salsum muss wohl Attribut sein, denn das Prädikat (!) lautet scomma est ( Subjekt >occidere licere).


Prudentius hat geschrieben: es wird auch der Satz negiert: "O wenn es doch ein wahres Wort wäre!".

:?
Diesen Satz zu negieren, hieße zu sagen: "O wenn es doch kein wahres Wort wäre!" Dann müsste es (als Satzverneinung!) aber lauten: Utinam ne verum sit! Gerade das non lässt aber erkennen, dass nur verum verneint ist, im Sinne von "Hoffentlich entspricht sie (die Stichelei bzw. der Witz über die Ärzte) nicht der Wahrheit!"

Prudentius hat geschrieben:Versuchsweise würde ich mal diese Regel aufstellen: "Alle Negationen sind Satznegationen, manche sind auch Wortnegationen".


Darauf könnten wir uns einigen. :)
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Re: utinam non verum

Beitragvon Laptop » Mi 1. Mai 2019, 23:01

Tiberis hat geschrieben:Gerade das non lässt aber erkennen, dass nur verum verneint ist, im Sinne von "Hoffentlich entspricht sie (die Stichelei bzw. der Witz über die Ärzte) nicht der Wahrheit!"
Tiberis, ich muss nochmal nachhaken. Meine Frage war ja, ob utinam hier ein Hoffen ausdrückt (Du schreibst "hoffentlich"), oder ein Faktum kommentiert mit "ich wünscht es wär nicht so (aber leider ist es so)". Da du "hoffentlich" schreibst bin ich irritiert. Kann man sich eine von beiden Interpretationen aussuchen? oder stimmt nur eine von beiden und wenn ja welche: Hoffen oder irrealer Wunsch?

Prudentius hat geschrieben:Versuchsweise würde ich mal diese Regel aufstellen: "Alle Negationen sind Satznegationen, manche sind auch Wortnegationen".
Alle Negationen sind Satznegationen? Dann hast Du aber ein sehr weites Verständnis davon was alles unter die Kategorie "Satz" fällt. :) Ich sage mal umgekehrt wird ein Schuh daraus: alle Negationen negieren ein logisches Element, manchmal auch ein ganzes Konstrukt aus logischen Elementen, das wären dann z.B. Sätze.
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Re: utinam non verum

Beitragvon Tiberis » Do 2. Mai 2019, 15:33

Laptop hat geschrieben: Kann man sich eine von beiden Interpretationen aussuchen?

Ich denke nicht, dass man dieses utinam non verum als unerfüllbaren Wunsch verstehen sollte, denn ein Konj. Imperf. ist ja nicht vorhanden. Außerdem wäre ein solcher Wunsch doch ziemlich unpassend. Die Aussage, die Ärzte würden als einzige ungestraft töten, ist zwar eine bissige Bemerkung (scomma), die aber naturgemäß extrem überspitzt und daher nicht wörtlich zu nehmen ist. Richtig ist also zu übersetzen "Hoffentlich ist es keine (Stichelei/ boshafte Anspielung etc) , die der Wahrheit entspricht!"
Dieser - natürlich augenzwinkernd zu verstehende - Zusatz ist ja die Pointe des Witzes und somit Bestandteil desselben. Wollte man übersetzen " Ich wünschte, es wäre nicht wahr" (= aber leider ist es wahr), wäre die vorausgehende Aussage kein "salsum scomma" mehr, sondern traurige Realität.
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Re: utinam non verum

Beitragvon Laptop » Fr 3. Mai 2019, 00:18

Wenn ich Dich richtig verstehe, dann geht man bei utinam vom naheliegenden, dem realis, aus, sofern es keine zusätzliche Information über Tempus und Modus gibt. Utinam behält sozusagen seine default-Einstellung. Der Autor hatte die Wahl aus diesen:
utinam non verum sit = zu wünschen, daß es kein wahres scomma ist
untinam ne verum sit = zu wünschen, daß es (es=die ganze Satzaussage) nicht wahr ist
utinam non verum esset = zu wünschen, daß es doch kein wahres scomma wäre (aber es ist wahr!)
utinam ne verum esset = zu wünschen, daß es (es=die ganze Satzaussage) doch nicht wahr wäre (aber es ist wahr!)
... und da weder sit noch esset explizit erscheint, geht man von "sit" als default-Einstellung aus, was dann den realis impliziert. Hoffe das stimmt so.
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Re: utinam non verum

Beitragvon Prudentius » Fr 3. Mai 2019, 10:33

Mich würde nun noch interessieren, wie ihr zu den beiden von mir vorgeaschlagenen Definitionen steht:
einmal: "Negation ist Vertauschung von wahr und falsch in einem Satz", und dann "Satz ist etwas, was wahr oder falsch sein kann" (an Cicero angelehnt).

Ich halte es für sehr nützlich, solche Definitionen aufzustellen, denn nur so können wir begründete Aussagen über die Grammatik machen. Wenn ich es recht sehe, ist es so: die Grammatiken beschreiben nur den Sprachgebrauch, sie sagen, wie es ist, aber nicht, wie es sein muss.

Ich habe diese Formulierungen versucht, sie sind diskutierbar, verbesserungsfähig, ersetzbar durch etwas besseres.
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Re: utinam non verum

Beitragvon Tiberis » Fr 3. Mai 2019, 16:11

Prudentius hat geschrieben:"Satz ist etwas, was wahr oder falsch sein kann"

so kann man "Satz" nicht definieren, denn auch eine Frage oder ein Wunsch/Befehl ist ein Satz.
Eine Frage kann aber nicht wahr oder falsch sein, genauso wenig wie ein Befehl.
Man kann bestenfalls sagen, das eine Aussage wahr oder falsch sein kann, und selbst das ist problematisch, da eine inhaltlich richtige Aussage (z.B. "ein Kreis ist nicht viereckig") dann aufgrund der Negation als "falsch" gewertet würde.
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