Ablativ

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Ablativ

Beitragvon marcus03 » So 8. Sep 2019, 07:17

neque homines inimico animo, data facultate per provinciam itineris faciundi, temperaturos ab iniuria et maleficio existimabat. (Cäsar)

Liegt hier ein abl. causae oder qualitatis vor?

Gratias praemitto.
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Re: Ablativ

Beitragvon iurisconsultus » So 8. Sep 2019, 07:34

Hallo Markus,
Ablativus qualitatis würde ich sagen.
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Re: Ablativ

Beitragvon marcus03 » So 8. Sep 2019, 07:39

Ich auch , aber es finden sich im Netz auch ÜSen mit abl. causae. Daher die Frage. :)
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Re: Ablativ

Beitragvon Zythophilus » So 8. Sep 2019, 08:23

Hier zeigt sich schön, wie relativ solche Punzierungen sein können: Ein animus inimicus ist eine Charaktereigenschaft, aber hier ist die Charaktereigenschaft der Grund für das Handeln der Helvetier.
Ich würde eher mit "wegen" übersetzen: In "wegen ihrer feindseligen Gesinnung" wird ebenfalls deutlich, dass es eine Charaktereigenschaft ist.
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Re: Ablativ

Beitragvon Medicus domesticus » So 8. Sep 2019, 08:56

Ich denke auch, dass beide Ablative ihre Berechtigung hier hätten, obwohl ich mehr zum Abl. qual. neige, da ich meine, dass Caesar die feindlich gesinnte Charakterart der Helvetier aufzeigen möchte ("solch feindlich gesinnte Menschen=die Helvetier").
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Re: Ablativ

Beitragvon marcus03 » So 8. Sep 2019, 09:08

Spricht nicht die Stellung unmittelbar hinter homines eher für deren "Qualifizierung"?

Diese Grammatik führt genau dieses Beispiel unter dem abs. qualit.:
http://members.aon.at/latein/Ablativ.ht ... qualitatis
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Re: Ablativ

Beitragvon Medicus domesticus » So 8. Sep 2019, 09:36

Man könnte meiner Meinung nach einen Relativsatz mit "inimico animo esse" bilden. Das würde auch auf MBS § 373, 1b deuten, wobei insbesondere bei animo ein Abl. qual. steht.
Bin gespannt, was Tiberis et al. darüber denken.
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Re: Ablativ

Beitragvon marcus03 » So 8. Sep 2019, 09:53

Für "animo esse" gibt es viele Belege:
https://latin.packhum.org/concordance?q=animo+esse
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Re: Ablativ

Beitragvon Tiberis » So 8. Sep 2019, 14:02

Ich stimme Zythophilus und Medicus Domesticus darin zu, dass dieser Ablativ, wenn mán den Kontext berücksichtigt, beide Komponenten enthält. Rein formal ist es wohl ein abl. qual. (wofür nicht zuletzt die Wortstellung und der Verbund mit homines spricht), der aber gleichzeitig auch eine Begründung für die zu erwartenden Übergriffe (iniuria et maleficio) darstellt.
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Re: Ablativ

Beitragvon Prudentius » So 8. Sep 2019, 15:24

Ich denke, inimico animo ist Teil des Subjekts, also eigentlich soviel wie "homines inimico animo praeditos", wie es nach der Schulgrammatik heißen sollte. Es wird ja gefragt: was für Leute sind das?, nicht: warum machen sie das? Also abl. qual.
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Re: Ablativ

Beitragvon Zythophilus » So 8. Sep 2019, 15:57

Der Ablativ hier ist eben nicht so eindeutig: Wollte man, rein auf diesen Satz gestützt, fragen "Warum machen sie das?", würde als Antwort kommen animo inimico. Natürlich unterstellt Caesar ihnen diese Charaktereigenschaft, aber er baut sie eben so ein, dass sie durch ein Beispiel verdeutlich wird, in dem sie eben auch der Grund für ihr Handeln ist. Es ist eben mehr als ein Epitheton ornans.
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Re: Ablativ

Beitragvon Prudentius » Di 10. Sep 2019, 16:42

Marce, ich finde die Fragestellung nicht so gut, nämlich nach der Schublade, in die wir den Ausdruck tun sollen. Besser wäre es zu fragen: welche Rolle spielt dieser Wortblock im Satzganzen? Als was fungiert er? Ist er eine nähere Bestimmung zum Prädikat oder zum Subjekt? Denn erst vom Satzganzen bekommen die Teile ihren Sinn.
Ein interessanter Durchblick ergibt sich: Ihr als Humanisten fragt, echt in der platonischen Linie verwurzelt: was ist es, mit dem Blick auf die platonische Idee? Als Moderne, seit Galilei und Newton, fragen wir aber lieber: wie funktioniert das? Man ergründet nicht: was ist Kraft? Sondern: wie wirkt Kraft, wie misst man Kraft?

Liegt hier ein abl. causae oder qualitatis vor?


Ihr versteht alle das "oder" im ausschließenden Sinn, aber es kommt genauso im einschließenden vor: "Fahrschüler oder Einheimische" vs. "Fahrschüler oder Brillenträger".

Natürlich haben wir hier das einschließende oder vor uns.

Homines ist ein ziemlich inhaltloser Begriff, er ist sehr qualifizierungsbedürftig, da psst ja "inimico animo" hin; wenn es als Attribut rechnen soll, schließt es also nicht aus, dass ein Kausalverhältnis zum Prädikat besteht; das ist sogar die Regel; nehmt das Beispiel: "Alte Liebe rostet nicht", das Alter der Liebe wird als Ursache des Fortbestands der Liebe gesehen. Man könnte es auch so ausdrücken: "Wenn Liebe alt ist, rostet sie nicht", aber umständlicher.

"Epitheton ornans" ist es nicht, sondern qualifizierend.
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Re: Ablativ

Beitragvon Laptop » Di 17. Sep 2019, 00:04

Qualitatis. Wie mans dann interpretiert ist eine andre Sache. Und wie schon von meinen schlauen Vorrednern gesagt wurde spricht gegen einen Causae, daß homines ohne Qualitäts-Attributierung ein viel zu blasses Agens abgibt. "homines inimico animo" gehört zusammen. Man sagt ja auch "Menschen von edler Gesinnung hätten das nicht getan", das ist einfach die durch die Historie hinweg übliche Ausdrucksweise, und diese Ausdrucksweise findet man sowohl im Deutschen wie auch im Lateinischen oder Englischen und vielen andren Sprachen. Problem ist glaube ich, daß wir Schubladen machen wollen die so im Original nicht vorhanden sind. Man bleibt erstmal beim wörtlichen "von feindlichem Gemüt" und dann kann man den Satz nach Interpretationsspielraum abwandeln, sozusagen polieren. Aus "Gemüt" wird "Gesinnung", aus "feindlich" wird "feindselig", aus "von" wird "mit" oder etwas kausales. Muß aber nicht.
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Re: Ablativ

Beitragvon Prudentius » Di 17. Sep 2019, 17:24

Zythophilus hat geschrieben:Der Ablativ hier ist eben nicht so eindeutig:


Nicht der Ablativ ist uneindeutig, sondern seine syntaktische Einordnung: wir haben zwei Satzteile zur Verfügung, denen wir diesen Ablativ zuordnen können: Subjekt oder Prädikat.
Der Autor gibt uns ein schwaches Signal, wohin er den Ablativ haben will, das ist die Wortstellung. Schwach ist das Signal deshalb, weil die Wortstellung im L. frei ist.

Im D. gibt es ja den Begriff des Adverbialattributs, "Menschen mit feindlicher Einstellung", das können wir, weil wir eine strenge Wortstellungsregelung haben, das L. hat das nicht.
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