Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Zythophilus » So 17. Nov 2019, 16:27

Auch die Konstanten der Physik sind nicht immer so konstant: Wie sieht's denn beim Licht aus? Welle oder Teilchen?

In diesem Zusammenhang ein Vermerk zu Namen, die als Imperativ verwendbar sind: "Niels Bohr!"
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon marcus03 » So 17. Nov 2019, 16:48

Zythophilus hat geschrieben: Welle oder Teilchen?

et ... et
Kommt auf die Betrachtungsweise an. Was hat das mit Konstanz zu tun? :?

Zythophilus hat geschrieben:Auch die Konstanten der Physik sind nicht immer so konstant:
Wie meinst du das?
Beispiel?

Zythophilus hat geschrieben:"Niels Bohr!"

= Nielsus Terebra :lol:
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Medicus domesticus » So 17. Nov 2019, 17:05

Zythophilus hat geschrieben:Auch die Konstanten der Physik sind nicht immer so konstant: Wie sieht's denn beim Licht aus? Welle oder Teilchen?

In diesem Zusammenhang ein Vermerk zu Namen, die als Imperativ verwendbar sind: "Niels Bohr!"

Gut Zythophilus, aber.... :wink:
Konstanten in der Physik sind konstant, anders als im Lateinischen.. :wink:
Welle oder Teichen hat mit c als Lichtgeschwindigkeit nichts zu tun. Es ist ein Aspekt. Und dann nähern wir uns der Quantentheorie! Die Lichtgeschwindigkeit bleibt auch in der Quantentheorie eine Konstante.
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon medicus » So 17. Nov 2019, 17:06

Namen, die als Imperativ verwendbar sind: "Niels Bohr!"
Mir fallen spontan Lach, Back und Hoff ein :roll:
Auch der Teil "sine" in sinemetu ist als Imperativ möglich. Ein neues Forschungsfeld. :prof2:
Zuletzt geändert von medicus am So 17. Nov 2019, 17:16, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Medicus domesticus » So 17. Nov 2019, 17:07

Erinnere dich an deinen Landsmann Schrödinger und seine Gleichung...
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Medicus domesticus » So 17. Nov 2019, 17:08

medicus hat geschrieben:
Medicus domesticus hat geschrieben: Namen, die als Imperativ verwendbar sind: "Niels Bohr!"

Mir fallen spontan Lach, Back und Hoff ein :roll:

Hab ich nicht gescchrieben!
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon medicus » So 17. Nov 2019, 17:15

Sorry, habe falsch zitiert:
Zythophilus hat geschrieben: Namen, die als Imperativ verwendbar sind: "Niels Bohr!"

Mir fallen spontan Lach, Back und Hoff ein :roll:
Auch der Teil "sine" in sinemetu ist als Imperativ möglich. Ein neues Forschungsfeld. :prof2:
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Medicus domesticus » So 17. Nov 2019, 17:21

Zythophilus hat geschrieben:Auch die Konstanten der Physik sind nicht immer so konstant: Wie sieht's denn beim Licht aus? Welle oder Teilchen?

In diesem Zusammenhang ein Vermerk zu Namen, die als Imperativ verwendbar sind: "Niels Bohr!"

Dazu könnte man viel schreiben, aber ich tue es nicht. Mein Vater ist Physiker. ;-)
Dazu braucht man viel Vorwissen, das das Forum hier sprengen würde.
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Willimox » So 17. Nov 2019, 19:46

Ein komisches Zwischenspiel In fröhlicher Anlehnung an Niels Bohr (Zythophilus) und Sinemetu (Medicus):

Isa-bel!
Domi-nik!
Ed-gar!
Gieß-bert!
Kl-aus!
Niko-las!
Bell-o!
und:

Norbert Schramm
Friedhelm Funkel
Jan Josef Liefers
Peter Glotz
Jürgen Trittin

Sine metu sine ventos mente captos!
(man denke an „sinere“: aufhören, die Hoffnung fahren lassen, die Beute fahren lassen und ähnliches, auch Derbes.)

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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Prudentius » Mo 18. Nov 2019, 10:50

Das Wahrheitsproblem ...


Die "Pilatusfrage": Was ist Wahrheit? (Joh. 18:38) ... es gibt ein Wahrheitschaos.

Ich möchte auch mal die Logik-Sicht heranziehen und mit dem ihr eigenen Tunnelblick die Sache ansehen, dann gibt es gar kein Wahrheitsproblem, Wahrheit ist nur eine halbe Sache, es geht nämlich um eine Unterscheidung wahr : falsch, und diese Unterscheidung gehört zu den logischen Werkzeugen, die wir handhaben, um gewisse Ziele zu erreichen; wir gehen also von einem w/f-Dualismus aus; wir können w und f eigentlich festlegen wie wir wollen, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht bei unerwünschten Schlussfolgerungen oder im Chaos ankommen. Auf dem w/f-Dualismus bauen sich die Wahrheitsfunktionen auf, die digital, maschinenmäßig verarbeitet werden können.

Es gibt ein Ergebnis, das allgemein über die Logik hinaus wichtig ist (soweit ich es kapiert habe): Wahrheit braucht einen abgegrenzten Bereich, in dem sie gültig ist; "Es gibt eine kleinste Zahl" ist nur wahr im Bereich der natürlichen Zahlen, aber nicht mehr bei den ganzen. Falls ihr noch an die M-Stunde denkt: bei Mengenoperationen muss man immer die Grundmenge festlegen.
"Dieser Satz ist falsch" - das ist ein sinnloser Satz, weil es keinen Bereich gibt, in dem er gültig wäre.

Die Folgerung daraus ist, dass es keine Universalwahrheit geben kann, das war das Ergebnis der Frege-Russell-Diskussion um 1900. "Das Ende der Meta-Erzählungen" deklarierte Niklas Luhmann, und mit solchen "Meta-Erzählungen" meinte er Weltschöpfungserzählungen oder Metaphysik allgemein.
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon mystica » Di 19. Nov 2019, 13:48

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Zuletzt geändert von mystica am Mi 13. Jul 2022, 10:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon sinemetu » Di 19. Nov 2019, 16:08

mystica hat geschrieben:
Willimox hat geschrieben:
3. "Von zwei Erklärungen ist diejenige besser, die ohne die Bezugnahme auf problematische Gegenstände auskommt".


Diese Aussage ist per se richtig. Jedoch gibt es keine unproblematischen Gegenstände! Die kritische Wissenschaft befindet sich in einem permanenten Prozess, der ihre Erkenntnisse immer wieder neu überprüft und hinterfragt. Somit sind alle Aussagen der Wissenschaften fallibel, d.h. sie haben nur einen hypothetischen Geltungsanspruch auf Wahrheit, der nur solange einlösbar ist, bis er nicht durch neuere Erkenntnisse widerlegt worden ist. Valete! Mystica ;-)


Was ist eine Erklärung? Es ist eine bezifferbare Information! Sinn einer Information ist es, Gehirnzustandserien (codiert in Lautabfolgen) von einer Person an eine andere Person b zu transportieren. Diese Gehirnzustandserien können auf Zustimmung stoßen oder auf Ablehnung. Also, wenn Person b so eine Gehirnzustandserie positiv akzeptiert, baut sie diese in ihr Repertoire ein, und wird sie, immer wieder, lautlich reproduzieren. Das bringt sie in einen psychosomatischen Regelkreis mit Dopaminausschüttung bei positiven Gefühlen. Sowas nennt man Wissen.
Lehnt die Person die Gehirnzustandserie ab, kommt es zu negativen Gefühlen (zerebraler Stress). Die Person wird diese Gehirnzustandsserie seltener reproduzieren, weil es immer dabei Stress gibt. Sie bleibt uninformiert, will heißen, sie kennt zwar die Lautfolge (das Lied), singt aber nicht mit, baut dieses nicht in den Überzeugungsapparat ein, und wenn die Gehirnzustandsserie ausgepackt wird, d. h. zur Benutzung freigegeben, wird Person B nicht in der Form reagieren, wie die Leute geplant haben, die zur Streuung dieser Gehirnzustandsserie beigetragen haben, bzw. diese konstruiert haben.

Die Qualität einer Erklärung ist immer zu hundert pro Cent abhängig, von dem Cerebrum, welchen beklärt, bzw. informiert werden soll. Es gibt gerade im Bereich Sprache kein besser und schlechter. Erklärung ist ein sprachliches Geschehen, kein ontologisches. Es hat mit seinem Objekt aber auch rein gar nichts zu tun. Die Photosynthese funktioniert schon seit Milliarden Jahren, wahrscheinlich schon so lange, wie sie gedacht ist, ohne das die Menschheit oder Tierwelt je ihrer gedacht hatte, und sie wird auch weiter funktionieren, wenn die Menschheit wieder auf den Hund gekommen ist. Wir dürfen anfangen, diesen "Erklärungen" irgendwelcher Phänomene irgendwelche anderen Bedeutungen zuzumessen, also allein die der politischen "Information". Wenn nach Plank gilt, daß die Beobachtung das Geschehen verändert, so gilt dies für die Erklärung nicht. Oder doch?
Ob eine Gehirnzustandserie akzeptiert, d. h. positiv referiert wird, oder negativ, hängt vom gesamten Cerebralzustand des Beklärten ab. Es gibt kein Wissen! Wissen gäbe es, wenn Erklärung mit dem Ding was zu tun hätte. Hat es aber nicht! Denn wir wissen, Mystika hat es formuliert: Es gibt keine unproblematischen Gegenstände.
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Willimox » Di 19. Nov 2019, 19:28

O Gott, Intrepidus, großer Perturbator Perturbatus, woher weißt Du, was mystica formuliert hat? Das Cerebrum macht ja irgendwie, was es will? Und woher weißt Du, dass du gravide Wolltiere einst getötet hast? Das Gehirn sendet ja die seltsamsten und nicht belastbaren Informationen an seinen Träger.

Lass halt endlich mal den Käse und dich raus? Brummfuß und Fischkopp (s.u.) dürften dankbar sein für deine cerebralen Convulsionen.

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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Willimox » Di 19. Nov 2019, 21:57

Meine Vorrednerin Mystica hat ihre Gedanken zu einer typisch materialistischen Argumentation vorgebracht.

Mein Name ist Severin Brecht,

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soweit ich Herrn Thrasybulus verstanden habe, geht es darum, in der Art einer offenen Debatte eine Fremdargumentation auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. Dabei ist auch der spielerische Gehalt einer solchen Übung zu bedenken. Das Spielerische mag dazu nützen, eine Argumentationsstruktur aufzuhellen und sie dann anzugreifen, wobei - das scheint mir wichtig - nicht unbedingt die eigene Überzeugung die Begleitmusik spielen muss. Es geht um ein durchaus elegantes Florettfechten, um eine rhetorische Übung. Ihr durchaus ernster Hintergrund: Man legt sich nicht voreilig fest und beharrt nicht oder weitgehend nicht in selektiver Wahrnehmung auf seinen Positionen.

Nun denn...

(1) Petitio Principii

Mystica scheint manchmal das Kursmaterial eher kurzschlüssig zu behandeln. So heißt es ja

(...) Zumindest seien naturalistische Erklärungen weit weniger problematisch als Erklärungen von Dualisten. Und damit wahr oder zumindest wahrscheinlicher.

Wir betrachten eine typische Argumentation der naturalistischen Art.

Argumentation 1 - Nichtmaterielle Gegenstände gibt es nicht:


1. Nicht-materielle Gegenstände der Art A (Götter, Engel, Gott) anzunehmen, ist problematisch.

2. Der Aspekt X der materiellen Welt (z.B. das hochkomplexe Auge) kann auf die Weise E (Evolution) erklärt werden, ohne auf Gegenstände der Art A Bezug nehmen zu müssen.

3. Von zwei Erklärungen ist diejenige besser, die ohne die Bezugnahme auf problematische Gegenstände auskommt.

4. Also ist die Erklärung E besser als die durch nicht-materielle Gegenstände der Art A.

5. Ist eine Erklärung des Aspekts X der Wirklichkeit der einzige Grund, Gegenstände der Art A anzunehmen, lässt sich X jedoch besser ohne Gegenstände der Art A erklären, dann gibt es diese Gegenstände A mit hoher Gewissheit gar nicht.

6. Also gibt es vernünftigerweise keine nicht-materiellen Gegenstände der Art A.


Also kann man der naturalistischen Argumentation nun wirklich nicht eine petitio principii (Vor-Vorraussetzung des erst zu Beweisenden) vorhalten. Es ist der fragliche Satz ja lediglich eine Überschrift.

Die Argumentation in den sechs Sätzen beginnt vielmehr mit durchaus diskutablen Prämissen (1-5) und führt dann zu einer induktiv abgeleiteten aber in ihrer Wucht nicht gerade gerechtfertigten Conclusio in 6. Einen ähnlichen Vorgang der vorschnellen Kritik finde ich übrigens bei dem Vorredner Sinemetu, er setzt auch - wenn auch kaum präzise - auf den Vorwurf einer Voreinstellung und übersieht den Ablauf des Gedankengangs.

(2) Problematische Gegenstände: Der Rekurs auf Kardinal Schönborn

Meine Vorrednerin verfolgt eine interessante Strategie: Sie erklärt, dass naturwissenschaftliche Untersuchungen zu Phänomenen sich etwa im Verlauf der Geschichte ändern oder gar synchron in verschiedenen, fast widersprüchlichen Varianten auftauchen. Insofern seien sie mindestens so problematisch wie - nennen wir es einmal so - "metaphysische" Erklärungen.

Auffallend ist dabei ein gewisser Selbstwiderspruch. Schönborns früher Aufsatz zu einer Evolution, die in der Nähe von Intelligent Design anzusiedeln ist, und so offensichtlich für meine Vorrednerin eine gewisse Verbindlichkeit besitzt, lässt aufhorchen.

Ist das Evolutionsmodell mit
 Überproduktion,
 Variation (im genetischen Code, minimale Variation),
 Selektion („natural selection“; Charles Darwin)
 Migration
nun nicht mehr problematisch? Weil es - so eine kirchliche Autorität - zur Genesis passen könnte?

Gewiss, Schönborn hebt in Times-Aufsatz auf einen Gegenbegriff zu "Zufall" und "blinder Uhrmacher" ab:
Die Evolution im Sinn einer gemeinsamen Abstammung (aller Lebewesen) kann wahr sein, aber die Evolution im neodarwinistischen Sinn – ein zielloser, ungeplanter Vorgang zufälliger Veränderung und natürlicher Selektion – ist es nicht. Jedes Denksystem, das die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Biologie leugnet oder weg zu erklären versucht, sei Ideologie, nicht Wissenschaft.

Allerdings spricht sehr viel dafür, dass in der Evolution ein Aussterbenlassen und Ausschalten von weniger lebenstüchtigen Lebewesen zu beobachten ist. Eine art von "trial and error" mit einem heftigen Blut- und Leidenszoll. Und das bereits weit lange vor dem, was manche als Ergebnis des Sündenfalls bezeichnen. Der Tod als Strafe für Ungehorsam und und weitervererbte Schuld (Erbsünde). So ist denn der zielgerichtete Schöpfungsakt problematisch und problematisch ist das Modell eines gütigen Gottes. Das Theodizee-Problem ist ein echtes Problem in der metaphysischen Deutung der Welt und ihrer "Gegenstände".

Auf dieses zentrale Problem in der Argumentation meiner Vorrednerin werde ich noch ausführlicher eingehen. Jetzt erst einmal ein Modell für ein empirisches Verfahren.

(3) Wie testet man eine Annahme?

Ein Kriegsgefangener lehnt im Lande des Siegers die dort übliche Speise ab. Um statt dessen die gewohnte heimatliche Speise zu erhalten, behauptet er gegenüber dem Aufseher, die heimatlichen Speisen seien viel gesünder.

Der Aufseher glaubt das nicht und entgegnet, wenn der Oberaufseher sehen würde, dass die Gefangenen schlechter aussähen als andere Leute gleichen Alters, brächte er ihn beim König um sein Leben. Der Gefangene beharrt jedoch auf seinem Verlangen; der Aufseher willigt in einen befristeten Test, den der Gefangene vorschlägt mit den Worten:
"Versuch’s doch mit deinen Knechten zehn Tage und laß uns Gemüse zu essen und Wasser zu trinken geben. Und dann laß dir unser Aussehen und das der jungen Leute, die von des Königs Speise essen, zeigen; und danach magst du mit deinen Knechten tun nach dem, was du sehen wirst.
Und er hörte auf sie und versuchte es mit ihnen zehn Tage. Und nach den zehn Tagen sahen sie schöner und kräftiger aus als alle jungen Leute, die von des Königs Speise aßen. Da tat der Aufseher die Speise und den Trank, die für sie bestimmt waren, weg und gab ihnen Gemüse.

Dieser Test enthält wohl zentrale Elemente wissenschaftlichen Vorgehens:

1. Das Experiment testet die Vermutung des Aufsehers Kein Essen ist gesünder als das des Königs gegen die Vermutung des Gefangenen Das Essen meines Heimatlandes ist gesünder als das des Königs.
2. Eine Kontrollgruppe.
3. Ein vor dem Versuch festgelegtes Kriterium.
4. Einen Zeitpunkt für das Ende des Versuches.
5. Nach dem Experiment ist die Vermutung des Aufsehers falsifiziert, die des Gefangenen bewährt.
6. Die Folgerung für das praktische Handeln aufgrund des Versuchsergebnisses, die Ablehnung der Speise des Königs.

Durchaus bemerkenswert: Dieser wissenschaftliche Standard wurde bereits vor mindestens 2200 Jahren erreicht– der empirisch orientierte Bericht steht in der Bibel (Daniel 1, 10–17). Nach heutigen Begriffen testet das Daniel-Experiment eine Ernährungstherapie, also einen Teil der Naturheilkunde.

Hat Daniel Gott gebeten, er möge das Essenexperiment segnen? Vielleicht, vielleicht auch wahrscheinlich.
Hat Daniel Gott darum gebeten, er möge ihm auch ohne Experiment helfen und den Aufseher etwa durch einen göttlichen Traum überzeugen oder geneigt machen? Eher nicht.
Ist das ein Beleg dafür, dass Daniel nicht gläubig genug war? Wohl kaum.
Ist es so, dass ohne ein entsprechendes Gebet zu Gott das Experiment gescheitert wäre? Wohl kaum.
Was spricht also dagegen, dass Ärzte oder andere Wissenschaftler atheistischer Provenienz ihre Forschung und ihre Erfolge riskieren? Kaum etwas.
Spricht das dafür, gläubige Ärzte für töricht oder schlechte Ärzte zu halten? Kaum. Kaum, weil es manche gibt, die mit völlig ungeeigneten Mitteln eine Krebstherapie durchführen wollen. Ungeeignet, weil nicht getestet oder was immer.
Spricht das dafür, dass man gläubige Ärzte verlacht und mit Hohn überzieht? Nein.
Das Leib-Seele-Problem, die Frage nach der Wirklichkeit von Spirituellem und die Frage nach der Überzeugungskraft entsprechender Theorien ist ganz zweifellos auch für eingefleischte, geistskeptische Wissenschaftler eine Herausforderung. Und das ist in deren Argumentation auch (meist) ersichtlich.
Dass es plumpe Naturalisten gibt, ist keine Frage. Dass es plumpe Theisten und Metaphysiker gibt, ist auch keine Frage.
Kann man gläubigen Ärzten die Frage stellen, ob naturwissenschaftliche, rationale Untersuchungen von Gott gewollt sind? Ja, sie könnten etwa argumentieren, dass der menschliche Geist, ob er nun unsterblich ist oder nicht, darauf aus ist, zu explorieren. Und er tut das, ob man nun an Gott glaubt oder nicht.
Warum sollte man dann dem Glauben an Spirituelles einen besonders hohen Stellenwert einräumen oder gar auftrumpfend verkünden? Ich weiß es nicht.
Sind naturalistische Erklärungen von Heilungserfolg, Therapie, gesunder Lebensführung weniger problematisch als rein spirituelle Erklärungen. Mir scheint ja. Und damit ist die Conclusio nicht absolut und "eliminativ" zu formulieren, sondern wahrscheinlichkeitsorientiert:

5. Ist eine Erklärung des Aspekts X der Wirklichkeit der einzige Grund, Gegenstände der Art A anzunehmen, lässt sich X jedoch besser ohne Gegenstände der Art A erklären, dann gibt es diese Gegenstände A vielleicht. Aber mit einiger Wahrscheinlichkeit sind sie von minderer Bedeutung in Erklärungsversuchen.

6. Also gilt es vernünftigerweise, im praktischen Leben nicht-materielle Gegenstände der Art A. als vielleicht unwahrscheinliche, aber doch keineswegs als notwendige Entitäten anzusehen.

Hier mache ich nun eine Pause.
:chefren:
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Re: Wahrheit, Thomas von Aquin, Naturalisten, ......

Beitragvon Prudentius » Do 21. Nov 2019, 09:26

Religiös betrachtet bringen solche Argumentationsüberlegungen nichts, es geht nicht um Beweis von Existenz von irgendwas, etwa der größten Primzah, bei diesen Überlegungen bleibt man rein im Objektbereich, während Religiion in einem Bezug von Subjekt und Objekt besteht; bei Religion ist die Frage, wohin man sich selbst stellen will, dass man sich in einem Verhältnis zu etwas Übergreifendem sieht; Beispiele für Religion in diesem Sinne sind: "Homo creatus est, ut laudet Deum", Ignatius am Anfang der Exercitia; der Koran fängt ähnlich an; "De profundis clamavi ..." ...

Beim Glauben setzt man sich dem Risiko aus, dass man etwas glaubt, was es gar nicht gibt, das steht schon so ungefähr im Hebräerbrief.
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