Gedanken zu Germanus

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Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » So 17. Nov 2019, 14:36

Liest man den Eintrag im Walde zu Germanus, kommt man ins Grübeln. Warum solle Germanus (Geschwister) nicht urverwandt mit Germanus (Deutscher) (nach Neckel) sein? Wir lassen die rhizologischen Frage mal beiseite und räumen die Möglichkeit ein, daß die Worte ein heterorhizes Homonym sind. Trotzdem wird jeder Römer beim Wort Germanus beide Sachverhalte assoziiert haben. Germanien ist als "Geschwisterland" verstanden worden. In meiner Kindheit ist Germane als dt. Wort bezeichnet worden, als Zusammensetzung aus Ger (Speer) und Mann. Das klingt mir sehr nach 18. und 19. Jahrhundert. Gibt es für diese Übersetzung althochdeutsche oder noch frühere Belege außerhalb von Wörterbüchern, wo sowieso nur einer vom andern abschreibt? Wo erscheint das Wort das erste mal? Es ist doch älter als Tacitus! Fall die Römer das Wort wirklich erst als Fremdwort kennenlernten, ist es wirklich nicht urverwandt mit Germen etc? Falls es aber die Bezeichnung der Römer für gewisse nördlich lokalisierte Völker ist, - Wie trennte Caesar Germanisch von Gallisch. War ersteres eventuell leichter zu verstehen? - ist es sicherlich lateinischen Ursprungs. Sicher ist, daß deutsche* theodisce eine Eigenbezeichnung ist, demnach müßte Germanus eine lateinische Fremdbezeichnung sein.



*Man sehe mir nach, dieses Wort für diese Zeit zu benutzen.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Di 19. Nov 2019, 22:35

Na, Longfoot, danke erst ma. Was mich bewegt ist immer noch das Verhältnis der beiden Sprachen. Konnte ein Römer bei gutem Wille Germanisch verstehen? Es müssen ja Wildendialekte mit wenigen hundert Stämmen gewesen sein, womit die Germanen sich unterhalten haben. Die Wörterbücher sind ja voll von nicht so entfernten Verwandtschaften zwischen den beiden Sprachen. Als die Wimpern und Teutonen in Norditalien waren, konnte die sich wenigsten verständlich machen, oder kam denen der Dialekt wie Kinesisch vor? Eigentliche Aussagen darüber habe ich noch nirgends gefunden, auch bei Meiser nicht.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon medicus » Di 19. Nov 2019, 23:05

Salvete collegae doctissimi,
ich komme nochmal auf die Eingangsfrage von sinemetu zurück, auf die fragliche Beziehung der Worte germanus, a, um =geschwisterlich und eben der Name für das Volk der Germanen. :roll:
http://www.zeno.org/Georges-1913/A/germ ... l=germanus

Ist dies ein zufälliger Gleichlaut? :nixweiss:
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 10:45

Longipes hat geschrieben:
sinemetu hat geschrieben:… das Verhältnis der beiden Sprachen…

Meinst du jetzt Latein und Germanisch?

Ja.. es heißt im Germanenexcurs, Uri appelantur, also scheint Uri und Alces eine germanische Eigenbezeichnung für den Auerochsen bzw. Elch gewesen zu sein. Irgendwoher aus "direkten Gesprächen" muß Caesar das ja gehört haben, das Wort. Und Gespräche setzen Verständnis voraus.

Also, ich stelle mir so ein Verhältnis wie Hochdeutsch zu Holländisch vor. (Wenn man wollte, konnte man sich, auf einfachem Niveau, verständigen)


Und die Nachricht, daß sie nur 3 Götter verehren, deren Namen er interessanterweise nur Latein überliefert, muß zumindest auf ein Gespräch zurückgehen, welches die Identification der 3 Wesenheiten Mit Luna, Vulcanus und Sol erlaubte. Bei Vulcans könnte es sich auch um ein Missverständnis handeln, denn woher in aller Welt sollten Mitteleuropäer Erfahrung mit Vulkanismus haben?
Zuletzt geändert von sinemetu am Mi 20. Nov 2019, 12:18, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon medicus » Mi 20. Nov 2019, 11:21

sinemetu hat geschrieben: Bei Vulcans könnte es sich auch um ein Missverständnis handeln, denn woher in aller Welt sollten Mitteleuropäer Erfahrung mit Vulkanismus haben?[



Vulcanus oder Volc(h)anus (lateinisch; deutsch „Vulkan“) ist der römische Gott des Feuers und der Schmiede (Schmiedegott) sowie aller Metallhandwerker, die auf die Kraft des Feuers angewiesen sind, z. B. der Bronzegießer oder der Münzschläger.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vulcanus
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 11:37

Ja, hab nicht dran gedacht. Aber, bei uns sprechen die Archäologen (bei vorslavischen Schichten) immer von römischer Eisenzeit.

1. Haben die Germanen die Verhüttung von Erzen von den Römern übernommen, dann kann es sein, daß sie Vulkanus auch mit demselben Namen hatten, oder
2. haben die beiden Völker das unabhängig voneinander entwickelt, was ich eher nicht glaube, denn dann müßte der Schmiedegott einen germ. und nicht einen römischen Namen haben, oder
3. ist die Verhüttung gar gemeinsames indoeuropäisches. Erbgut, dann wäre eventuell auf ein gemeinsames Sprachgut hinzuweisen, welches auch "Verständnis" zu Caesars Zeit ermöglicht hätte, denn das Eisen war zu seiner Zeit doch noch eine relativ junge Technik?
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon medicus » Mi 20. Nov 2019, 12:10

Wenn wir den Vulcanus primär als den Gott des Feuers denken, dann brauchen wir uns um das Erz keine Gedanken machen.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 12:16

medicus hat geschrieben:Wenn wir den Vulcanus primär als den Gott des Feuers denken, dann brauchen wir uns um das Erz keine Gedanken machen.

Ich denke, daß ist nicht weiterführend, weil der Blitzeschleuderer ja schon der Gott des Feuers ist. Dann gewännen wird keine Aussagen zu der Kulturtechnik Eisenschmelze, weil die Kultur des Feuers garantiert älter als alle Indogermanistik. Wir wollen hier aber irgendwelche handfesten Aussagen zur gegenseitigen Verständlichkeit von römischer und Germ. Sprache zu Zeiten Cäsars gewinnen.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon Medicus domesticus » Mi 20. Nov 2019, 16:56

Longipes hat geschrieben:Die besten Schmiede im eisenzeitlichen Europa waren die Kelten; besonders in Noricum

Sehr eindrucksvoll ist die Schmiedekunst und auch die Schmuckarbeiten der Kelten. Im Keltenmuseum Hallein kann man viele Arbeiten bewundern.
https://www.keltenmuseum.at
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 19:12

Longipes hat geschrieben:Was deine Überlegungen zur Etymologie angeht, so hat das Wort bis heute so ziemlich jede denkbare Deutung erfahren, und deine Vermutung, das "Ger-Mann, der Speer-Mann" aus dem 18./19. Jh. stammt, ist richtig. Sie [b]kann nach aktuellem Stand nicht stimmen, da "Speer" damals nicht ger, sondern gaisaz geheißen haben muss.[/b] Durch Kreuzworträtsel ist diese Deutung aber bis heute verbreitet. :wink:

Ich muß hier auch noch mal nachhaken. Das scheint sich hier nicht zu widersprechen...

Bild
Kaufmann: http://www.anozin-ofa.de/deutschealtertum01kaufuoft.pdf s. S. 109
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 19:36

Longipes hat geschrieben:Die besten Schmiede im eisenzeitlichen Europa waren die Kelten; besonders in Noricum. Die Eisenverhüttung kannte man bereits in der La-Tène-Kultur.* Die frühe Verbreitung des metallurgischen Wissens und der Handel mit Erzen und Metallwerkzeugen ist aber viel älter, wie bspw. die Himmelsscheibe von Nebra oder das Kupferbeil des "Ötzi" zeigen.
Es ist wahrscheinlicher, dass die rechtsrheinischen Stämme die Erzverhüttung von den Kelten übernommen haben; mit den Römern kamen sie ja erst später in unmittelbaren Kontakt.

Der sagt das auch:
Bild
Kaufmann s. S. 172
Sollten denn die Kelten den Römern in der Eisentechnik überlegen gewesen sein?
Ich weiss auch nicht inwieweit die damaligen, besonders was Waffentechnik betrifft, schon Geheimnisschutz betrieben.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 19:44

Longipes hat geschrieben:Im Übrigen ist die Überlieferung der lateinischen Namen keineswegs verwunderlich. Die interpretatio Romana war die übliche Weise, andere Gottheiten zu definieren. Schon die Identifizierung des Zeus als Pendant des Iuppiter ist ein Beispiel dafür.

Das scheint mir so auch nicht zu stimmen. Was das Verhalten der Römer zu den griechischen hypernaturalen Entitäten betrifft, haben sie deren Namen schon kolportiert, was Caesar eben nicht tut im Germanenexcurs, wobei ich nicht weiss, wie sehr die sog. Interpretatio Romana zu Caesars Zeiten "Wissen des gemeinen Römers" war.

ad fontes: Die Ausgangsfrage war die Verständigung der besiegten Völker mit Rom. Wie war die möglich: Waren die Sprachen untereinander gänzlich unverständlich, wie Ungarisch zu Deutsch, oder wie Holländisch zu Deutsch, also bei gutem Willen und entsprechender Vokabelwahl konnte man sich schon verständlich machen.
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Re: Gedanken zu Germanus

Beitragvon sinemetu » Mi 20. Nov 2019, 21:59

Aha, deshalb ist wohl gladius und carrus auch kelt. Fremdwort ....
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