Hier der Anfang von Ingmar Bergmans "Wilde Erdbeeren":
https://www.youtube.com/watch?v=A3n4TxNeaPg„Ich notiere die Träume so, wie sie sich mir offenbarten, ohne im mindesten daran zu denken, ihren eventuellen Sinn herauszufinden und kommentieren zu wollen. Die psychoanalytische Theorie, dass Träume eine Wunscherfüllung in negativer oder positiver Richtung seien, hat mich nie besonders beeindruckt. Ich will aber nicht leugnen, dass in diesen Traumsituationen etwas Zwingendes und Warnendes lag, das sich mit fast unerträglicher Zielsicherheit in mein Bewusstsein bohrte.“
Sigmund Freud hält Träume für eine phantasieinterne Wunscherfüllung des Kopfkinos. Entweder versucht ein Ich nicht erfüllte glückorientierte Wünsche seines Lebens wenigstens im Traum zu erfüllen. Oder das träumende Ich verdrängt Schuld so sehr, dass Selbstbestrafungswünsche in der Traumwelt ausagiert werden. Erotischer Trieb und Todestrieb beherrschen nach Freud das Bewusstsein. Auffallend in Isaks Träumen ist aber vor allem ihr Aufarbeitungscharakter und ihr Potential, das Tagesverhalten Isaks, seine Einstellung zu ändern.
Isak präsentiert sich im Vorwort („ich verabscheue Gefühlsausbrüche, Frauentränen und Kindergeschrei“ S. 08) (Die Seitenzahlen referieren auf die Hanserausgabe von Bergmans Filmscript) und im ersten Gespräch mit Marianne („Versuch nicht, mich in deine...Ehekalamitäten hineinzuziehen, denn darauf pfeife ich, jeder hat mit sich allein klarzukommen“; S.18) als emotionsfern und abweisend gegenüber Familienangelegenheiten.
Die Ereignisse des 1. Juni (reale Begegnungen, realitätsorientierte und „phantastische“ Träume) zeigen dem und den Wissenschaftler Isak, wie er auf sein Umfeld wirkt. So lockert sich sein Panzer. Eines dieser Ereignisse ist das Gespräch mit Marianne. Es spiegelt für Isak recht deutlich, welche Folgen eine eisige Beziehung für die Kinder und deren Kinder haben kann (Evalds Lebensüberdruss, Mariannes Verzweiflung, Isaks tot-lebendige Kälte ähnlich wie bei der Mutter) und das erschüttert Isak.
Das menschliche Bewusstsein (Intellekt, Wahrnehmung, Gefühl) ist nicht auf bestimmte Einstellungen festgelegt. Neben dem oft festgefahrenen Tages-Ich agiert ein relativ selbständiges Zweit-Ich mit eigener Kompetenz: Seine Fähigkeit zu Selbstreflexion (Träume, Tagträume, Phantasie, Gesprächsfähigkeit, Denken, Emotionen) kann - so zeigt sich an Isak - ,,,Bewusstseins- und Verhaltensänderungen hervorrufen.
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Modern an dieser Erzählung erscheint vielerlei: Da ist erstens das Aussparen von Deutungen und Kommentaren. Der Rezipient wird selber fündig, wenn er die Dialoge und Szenen ausleuchtet. Da ist zweitens der thematische Schwerpunkt: Innerpsychische Vorgänge unterhalb der hohen Bewusstseinsebene. Der „feste Ichkern“, ein traditionelles Modell, löst sich. Auf. Da ist drittens die Hauptfigur, gewiss keine sympathische Identifikationsfigur, sondern ein Pedant mit herrischen und egoistischen Zügen. Keineswegs ein situationsmächtiger Held, allenfalls ein „halber Held“. Und da ist viertens die religiöse Diskussion, latent im Subtext des Uhrenmotivs oder explizit in den Streitgesprächen zwischen Viktor und Anders. Eine Diskussion, die keine präzisen Antworten bereithält und so das Frage-Antwort-Spiel nach einer steuernden göttlichen Instanz in der Schwebe hält. Immerhin, die Auflösung des festen Ich-Kerns, führt hier bei Isak zur Katharsis und zu einer gewissen Wandlung seiner prinzipienstarren Einstellung.
p.p.s. Vertiefungsmöglichkeiten:http://www.peaceofmusic.com/Cms.aspx/Show/127https://books.google.de/books?id=5EVbDw ... es&f=falsehttps://www.youtube.com/watch?v=YZFjNcEzNMk