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Beitragvon sinemetu » Sa 1. Feb 2020, 23:19

Die beiden Bedeutungen des Wortes, Bienenschwarm und Prüfung liegen arg weit auseinander. Ich bekomme sie nicht zusammengesucht. Erkennt jemand das TC, oder haben wir es hier mit Heterorhizität zu tun? Was meint Ihr? Aus Walde werd ich nicht klug!
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Re: examen

Beitragvon marcus03 » So 2. Feb 2020, 07:11

http://www.zeno.org/Georges-1913/A/examen?hl=examen
Das Zünglein an der Waage (Metapher für das Prüfen) bewegt sich ruckartig/schießt nach oben wie ein Bienenschwarm.

vgl:
https://www.dwds.de/wb/Examen
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Re: examen

Beitragvon sinemetu » So 2. Feb 2020, 08:55

marcus03 hat geschrieben:http://www.zeno.org/Georges-1913/A/examen?hl=examen
Das Zünglein an der Waage (Metapher für das Prüfen) bewegt sich ruckartig/schießt nach oben wie ein Bienenschwarm.


....imkere seit Jahren und habe schon viele Bienenschwärme eingefangen und beobachtet und in die Beute geschlagen, aber noch nie einen "ruckartig nach oben schießen sehen" .... :? :? :book:
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Re: examen

Beitragvon marcus03 » So 2. Feb 2020, 09:19

ruckartig ist wohl das falsche Wort. Nenn die Reaktion, wie du willst.
Ich denke, du verstehst aber, was ich sagen will.
Greif mal in ein Wespennest! Da erfolgt automatisch eine Reaktion wie bei der Waage, auf die
man ein Gewicht legt. :)
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Re: examen

Beitragvon medicus » So 2. Feb 2020, 09:54

sinemetu hat geschrieben: noch nie"ruckartig nach oben schießen sehen"

Sind die Flugbewegungen eines Bienenschwarmes immer gleichmäßig? :nixweiss:
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Re: examen

Beitragvon sinemetu » So 2. Feb 2020, 10:40

Es sind unter den Völkern immer mal aggressive Mutanten. Ich hab welche, wenn man die aufmacht, besonders gegen Herbst, dann schießen die dir ins Gesicht.... ich nenne sie Apis aggressor kamikaze. Dann hatt ich welche, die stürzten sich sofort auf die Füße, besonders dorthin, wo die Socken dünn oder nicht vorhanden, so daß es schon mal dazu kam, daß ich dort einen Ring aus Stichen hatte. Aber das ist, wenn man ans Nest geht.
Der Schwarm ist ja was ganz andres. Schwarmbienen sind immer ganz friedliche Tiere. Deshalb machen so viele Imker ein Bild mit einem Schwarm im Gesicht. Das liegt daran, daß die Schwarmbienen alles ganz junge Bienen sind, die gerade geschlüpft sind. Die wollen noch nicht sterben. (Eine Biene stirbt nach dem Stich!) Man kann so eine hängenden Schwarm ruhig mit der Hand abnehmen. Der Schwarm bewegt sich nur relativ langsam, weil die Bienen bei der Fortbewegung ja immer das Zentrum mit der Königin umkreisen. Er fliegt mal schneller, mal langsamer, aber nie so schnell, wie die Biene vom Stock zur Nahrungsquelle. Hast Du noch nie einen Schwarm fliegen sehen?

Walde schreibt übrigens: 1. Schwarm (bes. Bienenschwarm, der zur Bildung eines Stockes führt.) vgl. exiturum est. ....[Examen "Bienenschwarm" und -are, "prägen", bzw. "schwärmen"; im Sprachgefühl zwei verschiedene Wörter] s. S. 425 Es geht also nicht um den Stock, sondern um den Schwarm. Da irrt Walde, die Fremdheit der Begriffe prüfen und schwärmen, sind keine Gefühlssache. Die Begriffe sind nicht aufeinander bezogen. Es fehlt das TC und der gemeinsame Sitz im Leben.

Das Schwärmen passiert folgendermaßen. Es ist nicht so, dass sich da Bienen verabreden, und plötzlich massenweise den Stock verlassen. Im Mai verlassen massenweise Jungbienen ihre Zellen. Der Stock wird eng. Eine junge Königin ist geschlüpft. Die setzt die Jungbienen in Schwarmstimmung. Der Stock fängt an zu "brummen" man wartet auf gutes Wetter. Kommt ein guter sonniger Tag, fliegt die Königin ab. ca. 9:00 aus, wenn Temperatur und Windverhältnisse stimmen, und setzt sich irgendwo unweit des Stockes in einen Baum. Jetzt fliegen alle Bienen, die ihr folgen, zu Ihr in den Baum. Dort bleiben sie hängen, bis spätestens 2-3 Uhr nachmittags. Was passiert zwischendurch? Die Suchbienen fliegen los, und suchen außerhalb! des Flugkreises des jetzigen (ca. 5 km) Stockes eine geeignete Behausung. Habe sie eine gefunden, fliegen sie zurück und informieren den Schwarm. Dann macht sich der ganze Schwarm samt Königin auf, und verschwindet im nichts und ist meist für den Imker verloren.

Ich denke nicht, daß diese "prüfen" der Umgebung durch die Bienen sprachbildend gewirkt hat, zumal die Wurzel ja agmen sein soll von ago.
Zuletzt geändert von sinemetu am So 2. Feb 2020, 11:39, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: examen

Beitragvon medicus » So 2. Feb 2020, 11:16

sinemetu hat geschrieben: Hast Du noch nie einen Schwarm fliegen sehen?


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Re: examen

Beitragvon medicus » So 2. Feb 2020, 12:36

sinemetu hat geschrieben:Ich denke nicht, daß diese "prüfen" der Umgebung durch die Bienen sprachbildend gewirkt hat, zumal die Wurzel ja agmen sein soll von ago.

Da du Imker und Sprachforscher in einer Person bist, bist du ja prädestiniert, den Zusammenhang zu erforschen.
Laut Stomachatus soll ja das Verb exigere die Wurzel sein. Meine laienhafte Deutung:
Der Bienenschwarm wird durch einen inneren Drang aus dem Stock getrieben.
Der Zeiger der Waage wird durch das Gewicht getrieben.
Im Examen wird den Prüflingen das Wissen aus dem Kopf getrieben. ( ursprünglich evtl.durch eine Tracht Prügel.) Mit der Tracht sind wir wieder bei den Honigbienen. :roll:
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Re: examen

Beitragvon sinemetu » So 2. Feb 2020, 13:29

medicus hat geschrieben:Der Bienenschwarm wird durch einen inneren Drang aus dem Stock getrieben.
Der Zeiger der Waage wird durch das Gewicht getrieben.
Im Examen wird den Prüflingen das Wissen aus dem Kopf getrieben. ( ursprünglich evtl.durch eine Tracht Prügel.) Mit der Tracht sind wir wieder bei den Honigbienen. :roll:

Die Analogie ist zwar gegeben, klingt aber fantastisch, weil die Bedeutungen kein primären sind.

Ich denke eher an Agmen, Agminis - Heereszug. Da geht die Bedeutung in ausgezogenen Bienenhaufen, die ziehen wie ein Heereszug, über und Exa(g)men verschleift zu examen.
Wie es dann zum Begriff "prüfen" kommt, muß ich noch nachdenken.

@stomachate
Ohne die Wurzel ago zu bestreiten: Wenn es aber direkt von exigo käme, müßte es dann nicht Exemen oder Eximen heißen?
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Re: examen

Beitragvon Laptop » Mo 3. Feb 2020, 23:00

Ein ganzes Bienenvolk schwärmt nicht so mir nichts dir nichts komplett aus. In der Regel kommen einige und es gehen einige, das ist ziemlich unspektakulär. Wenn man aber, wie es damals üblich war, mit Stößen und Rauch die Bienen heraustrieb (exigere) um an den Honig zu gelangen, dann kann man einen ganzen Schwam wie im Bilderbuch herausfliegen sehen. Soweit mein Verständnis. Georges meint es sei verschliffen aus "ex-agimen", also auch nichts andres als Dein vermutetes "ex-agmen". Was davon stimmt ist wohl schwer zu beweisen.
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Re: examen

Beitragvon medicus » Mo 3. Feb 2020, 23:09

Salve Laptop, schön, dass du das Thema nochmal aufgreifst. Mir ist der Zusammenhang zur Examensprüfung noch nicht ganz klar. Die Bienen wurden mit Rauch und Stock ausgetrieben. Erging es den Examenskandidaten ursprünglich ähnlich? :roll:
Examen hat ja ursprünglich auch die Bedeutungen: Verhör, Untersuchung, Prüfung, Gericht, Jüngstes Gericht
https://www.navigium.de/latein-woerterb ... ue&mh=true
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Re: examen

Beitragvon Laptop » Di 4. Feb 2020, 00:12

Es gibt ein ganzes Feld an Wörtern die um den Sinn des Untersuchens, Wägens kreisen. Exigere i.S.v.
untersuchen, wägen, wovon exagium (das Wägen oder das Gewicht) und exactus (das was genauestens abgewogen). Auch an der Waage ist die agina (das Waagloch) was nach Döderlein eine Nähe zu ἀγινεῖν (schwingen, ziehen, bewegen) hat. Und examinare was in direkter Nähe zu examen (i.S.v. Zünglein an der Waage), mit dem man das Gewicht der Ware untersucht. Examen hat so auch den zweiten, übertragenen Sinn der Prüfung des Lehrstoffs bekommen.

Man muss dieses Feld nur gedanklich trennen von der Bedeutung "Bienenschwarm". Das mit Stock und Rauch will ich nicht als etymolog. Wahrheit hinstellen, es ist nur mein Bild. Das klassische etymolog. Bild ist soweit ich weiß der "Auszug" (ex-agmen) des Bienenvolkes unter Führung der Königin.
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Re: examen

Beitragvon medicus » Di 4. Feb 2020, 03:00

Danke für die Erklärungen! :D
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