Marsfeld-Frage

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Marsfeld-Frage

Beitragvon sinemetu » Do 16. Jan 2020, 23:10

Augustus hat zu irgendeiner Säkularfeier auf dem Marsfeld vor der Ara pacis eine Sonnenuhr mit echtem ägyptischen Obelisken aufstellen lassen.

1. Welcher Schriftsteller überliefert das und Wo? Bitte die Stelle angeben.
2. Wo steht der Obelisk heute?
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon sinemetu » Sa 18. Jan 2020, 11:58

Danke, Langfuss ...:-)

ad 2) Vor dem italienischen Parlament auf der Piazza di Montecitorio.


Der ist aber keine 35 Meter hoch...
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon medicus » Sa 18. Jan 2020, 14:35

sinemetu hat geschrieben:Danke, Langfuss

--Fuß :prof2:
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Laptop » Di 4. Feb 2020, 17:21

Sehr interessant was ich noch alles dazulerne. Frage dazu, Wikipedia schreibt
bei der Marke 15° Stier befindet sich die Inschrift THEROUS ARCHE (Sommeranfang)

Wie kann man berechnen welcher Tag "15° Stier" ist? Mit andern Worten, wann dürfen wir den echt-römischen Sommeranfang feiern?

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Solarium_Augusti
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon sinemetu » Di 4. Feb 2020, 17:39

Heute sagt man 20 April 0 Grad Stier, dann wären 15 Grad Stier ungefähr 5. Mai. Jetzt wegen der Präzession 2000 Jahre = 1 Sternzeichen zurückrechnen, dann wäre der Sommeranfang in Rom im Jahre 20 unserer Zeit um den 5. April gewesen. Wie haben die Sommer definiert? War das die Blütezeit, oder schon die Erntezeit...?

Und warum haben die in Rom Sommeranfang auf Griechisch geschrieben? Konnte denn der normale Römer zu Zeiten Augusti verstehen?
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Laptop » Di 4. Feb 2020, 18:12

Der normale Römer konnte das nicht verstehen. Aber ich glaube der Zweck war nicht bloss ein Anheben der Sprachebene, sondern einfach der, daß das Bauwerk aus dem griechisch-sprachigen Ägypten der Ptolemäer stammt.

Was den Sommeranfang betrifft bin ich nicht sicher, vielleicht melden sich noch andre aus dem Forum hier zu Wort.
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Sapientius » Sa 8. Feb 2020, 17:53

sinemetu hat geschrieben: zu irgendeiner Säkularfeier


Es gab nur eine einzige erwähnenswerte Säkularfeier, nämlich die von Augustus 17 v.Chr. veranstaltete, sie hat ja auch in der Literatur ihren Niederschlag gefunden, nämlich in dem von Horaz verfassten Kultlied.

Damals lag das Gefühl einer Wendezeit in der Luft, dazu gehört auch Vergils 4. Ekloge, auch Jesus (der "vorösterliche", sagt man), der vom hereinbrechenden Gottesreich kündete. Es gab den Mythos von den vier Weltaltern, vom goldenen bis um jetzigen eisernen, und vom Umschlag des eisernen zurück zum goldenen.

Die Antike hatte ja eine zyklische Zeitvorstellung, am Tages-, Monats- und Jahreszyklus orientiert, "revolutio" in allen Bedeutungen. In der Moderne haben wir dagegen eine lineare Zeitvorstellung, die Physiker stellen die Zeit durch einen gerichteten Strahl dar.
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Sapientius » Di 18. Feb 2020, 16:40

An dem Gegensatz Kreis und Gerade hängt viel dran, die ganze Weltsicht ist verschieden; die Kreisvorstellung ist verbunden mit der Idee des Abgerundeten, Abgeschlossenen, Vollkommenen; alle einzelnen Punkte sind auf einen einzigen hingeordnet, den Mittelpunkt, nach dem sie sich bemessen. Es tritt das Weltganze in den Blick ("Kosmos"), die Philosophen suchen nach dem einen Grund des Ganzen (arché); es gibt eine Sonne, einen Gott, einen Kaiser, eine Religion (man denkt an Kaiser Karl V.), eine Wahrheit (im Mittelalter entrüstete man sich, dass arabische Gelehrte den Begriff "doppelte Wahrheit" aufgebracht haben sollen).

Dagegen besteht die Linie aus einer Reihe gleichbedeutender Einzelpunkte, es gibt nichts Vorrangiges, das Denken verliert sich im Einzelnen und Endlosen, wir haben ungeahnte Einsichten in das Entlegenste gewonnen, Marslandschaften, Monde von Jupiter oder Saturn, Galaxienhaufen; und umgekehrt die Bestandteile des Atomkerns; der Beobachter, d.h. der Mensch gerät ins Abseits, verfällt in Frustration und Depression, und so geht das bekannte Lied ...
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon iurisconsultus » Di 18. Feb 2020, 19:37

Laptop hat geschrieben:Sehr interessant was ich noch alles dazulerne. Frage dazu, Wikipedia schreibt
bei der Marke 15° Stier befindet sich die Inschrift THEROUS ARCHE (Sommeranfang)

Wie kann man berechnen welcher Tag "15° Stier" ist? Mit andern Worten, wann dürfen wir den echt-römischen Sommeranfang feiern?

In Nat. Hist. 2, 123 schreibt Plinius über die Winde und sagt:
dat aestatem exortus vergiliarum in totidem (= 25.) partibus tauri VI diebus ante Maias idus (= 10.5.), quod tempus austrinum est, huic vento septentrione contrario. ardentissimo autem aestatis tempore exoritur caniculae sidus sole primam partem leonis ingrediente, qui dies XV ante Augustas kalendas est.

Ich kenn michnicht aus, aber vielleicht hilft's ja etwas. :? :lol:
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Laptop » Do 20. Feb 2020, 04:29

@iurisconsultus sehr schöner Fund! Habe jetzt auch die wesentliche Stelle bei Varro gefunden, er spricht vom 9. Mai:
qui nunc sunt, primi verni temporis ex a. d. VII id. Febr., aestivi ex a. d. VII id. Mai., autumnalis ex a. d. III id. Sextil., hiberni ex a. d. IV id. Nov.


Auch von Herrn Ginzel gibt es sehr ausführliche Details zu dem Thema, wobei die Interpretation der Tabellen mein fehlendes Astro-Wissen schmerzlich offenbart :roll:

Wie kam es dazu, daß wir heute den Sommeranfang grob gesehen einen Monat später haben? Der 20. Juni habe ich regelmäßig den Eindruck der halbe Sommer sei schon vorüber, wohingegen mir der römische 9. Mai geradezu "passend" erscheint ... auch wenn das natürlich völlig subjektiv ist.
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon marcus03 » Do 20. Feb 2020, 11:11

Laptop hat geschrieben:Wie kam es dazu, daß wir heute den Sommeranfang grob gesehen einen Monat später haben?

cf:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jahreszeit#Definitionen
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon iurisconsultus » Do 20. Feb 2020, 12:53

Im Anschluss an Laptop würde mich am meisten interessieren, ob und wie man/die Römer von 15 Grad Stier bzw 25 Grad Stier (Plinius) auf ein konkretes Datum kommt/kamen. Meine Google-Recherche führte diesbezüglich leider nur auf wenig vertrauensvolle oder astrophysische Seiten, die mir zu hoch sind. :lol:

Lt den von Laptop eingerügten astronomischen Erläuterungen müsste ja gelten: Sommeranfang = 1° Zwillinge = 9. Mai. :?
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Laptop » Do 20. Feb 2020, 13:41

Ja, das sind die Details die mich auch etwas verwirrt haben. Varro schreibt der Sommeranfang liegt im Stier. Und, daß es der 9. Mai ist. Ginzel ordnet den Sommeranfang 1° Zwillinge bzw. dem 9. Mai zu. Ich glaube ich verstehe jetzt die Logik von Ginzel. Diese Gradzahlen von Tierkreiszeichen im Verhältnis zu Datumsangaben sind verwirrend weil sie sich über die Jahrhunderte immer weiter verschieben durch die Erd-Präzession. Daher sind sie ziemlich unbrauchbar für den Zweck historische Daten mit heutigen zu vergleichen. Mich interessiert vor allem die Frage: kann man den römisch-historischen "varronischen" Sommeranfang präzise auf einen Tag in der heutigen Zeit setzen? Bei all den möglichen Störfaktoren durch Präzession, Nutation, Schaltjahre, Kalenderreformen und was nicht alles, habe ich mal die Software "Stellarium" zurate gezogen. Zuerst wollte ich wissen, wann genau der 9. Mai und 15° Stier zusammenfielen, und die Antwort ist angenehm, es ist nämlich das Datum zu dem das Horologium Augusti errichtet wurde, das Jahr 10 v. Chr. https://a.uguu.se/VKxhped6EJPl_stellarium-004.png Das Solstiz damals war der 25. Juno. Das Solstiz ist ein zuverlässiger Referenzpunkt für einen Vergleich, weil es prinzipiell immer der hellste und sommerlichste Tag des Jahres ist. Der 9. Mai liegt 47 Tage vor diesem historischen Solstiz. Für 2020 ist das Solstiz der 20. Juno, wir rechnen 47 Tage zurück und kommen auf den 4. Mai. Wenn ich mich nicht irre, können wir den römischen Sommeranfang 2020 also auf diesen Tag setzen. Der römische Fühlingsanfang war 2020 dementsprechend der 2. Februar. :prof2:
Zuletzt geändert von Laptop am Do 20. Feb 2020, 17:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon iurisconsultus » Do 20. Feb 2020, 17:09

Hallo Laptop,

das schaut gut aus. :klatsch:

Plinius gibt für die Frühlings-Tagundnachtgleiche den 25.3. an und sagt, dass am 48. Tag nach der Frühjahrs-Tagundnachtgleiche mit dem Morgenaufgang der Plejaden der Sommer beginne (Nat. Hist. 18, 222, 246).

Wenn man das ausrechnet, kommt man nicht auf den 10.5., das Datum das Plinius als Sommerbeginn angibt.
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Re: Marsfeld-Frage

Beitragvon Laptop » Fr 21. Feb 2020, 05:04

Wenn ich mich nicht irre entspricht "ab ... die XLVIII" unserm Verständnis von "47 Tage nach ...", da man bei Rechnungen den Ausgangspunkt als Zählwert mitzählte. 47 Tage nach dem 25.3. wäre dann der 9. Mai. Für 2020 wäre es der 4. Mai, weil das Frühlings-Äquinokt 2020 der 20.3. ist, nicht der 25.3. wie zu Zeiten des Plinius. Hoffe das stimmt so?

Zusammenfassend gesagt, Heute liegt der astronomische Sommeranfang auf dem Datum der Sommersonnenwende, was ein variables Datum ist. Der historisch-römische Sommeranfang liegt 47 Tage davor, in den ersten Tagen des Mai. Der historisch-römische Frühlingsanfang liegt 92 Tage vor dem römischen Sommeranfang, in den ersten Tagen des Februar.

Die historischen Jahreszeiten sind phänologisch-orientiert, die Mitte des Sommers liegt auf dem längsten Tag des Jahres, was sich naturgemäß aus dem Begriffsverständnis von "Sommer" von selbst ergibt. Bleibt die Frage: Warum haben wir heute alles widernatürlich um eine halbe Jahreszeit verschoben? Das ist mir bisher noch nicht klar geworden.:nixweiss: Vielleicht mag sich auch mal geschätzter Consus oder Medicus Domesticus dazu äußern?
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