De ipso esse S. Thomae Aquinatis

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De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Di 31. Mär 2020, 16:34

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon marcus03 » Mi 1. Apr 2020, 06:52

Mein bescheidener Versuch:

Dann, wenn er davon spricht, nämlich vom Sein selbst/Sein an sich, macht er den
vorher genannten Unterschied deutlich auf drei Weisen, deren erste ist, dass mit "das Sein selbst" nicht das Subjekt/die Substanz des Seins bezeichnet wird, sowie auch mit Laufen nicht
das Subjekt des Laufes bezeichnet wird: daher können wir, wie wir auch nicht sagen können,
dass das Laufen läuft, nicht sagen, dass das Seins selbst ist: sondern wie das selbst, was ist, als
Subjekt des Seins bezeichnet wird, so wird das, was läuft, als Subjekt des Laufens bezeichnet.
und deswegen können wir von dem, was läuft, oder über den Laufenden sagen, das es bzw.
er läuft, insofern es dem Laufen unterworfen ist/zugrundeliegt und an ihm selbst (dem Laufen)
Anteil hat. so können wir sagen, dass das/ein Seiendes bzw. das, was ist/exisiert, ist/existiert, insofern es am Seinsakt/Wirken des Seins Teil hat : und das/Folgendes ist es, was er meint: das Sein selbst ist noch nicht, weil ihm das Für-sich-sein nicht zugeschrieben wird als
dem Subjekt des Seins ( Anm: attribuit ist falsch und kommt in anderen Ausgaben nicht vor) ; sondern das, was ist, ist, nachdem es eine Form des Seins erhalten hat,
nämlich dadurch, dass es den Seinsakt selbst erfährt, und kommt zustande d.h. es besteht in sich selbst. Man spricht nämlich nur vom eigens und an sich Seienden bezüglich der Substanz,
deren Eigenschaft/Wesen es ist zu subsistieren (= substantiell durch und in sich zu bestehen)
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon Sapientius » Mi 1. Apr 2020, 08:40

... die ontologische Differenz zwischen dem "Sein selbst" und dem "Sein eines Seienden"


Diese Differenz kann man an einigen Termini festmachen: participat - accepta - suscipiendo ipsum actum essendi. "Teilhabe" im Gegensatz zum Geber des Anteils; "empfangen" im Gegensatz zum Geben; da ist klar unterschieden zwischen dem Geber, dem Sein selbst, und dem Empfänger, dem Seienden.
Ganz bedeutend ist der Ausdruck "actus essendi": das Sein ist etwas Wirkendes, im deutlichen Kontrast zur modernen Denkweise, wonach das Sein bloß eine logisch-grammatische Funktion bezeichnet, wie "Copula".

Puntel ist nicht gerade sehr originell hierin, diesen Punkt hat besonders Cornelio Fabro herausgearbeitet (ich habe dir ja in einer PN davon erzählt), er hat sogar Heidegger persönlich in einem Gespräch darauf angesprochen; Heidegger war ja ein "Krypto-Katholik" :-D . Fabro hat den Papst bei seiner Enzyklika "Fides et Ratio" inspiriert, einem Werk, das es in sich hat, lesenswert, wenn auch kritisierenswert.
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Mi 1. Apr 2020, 09:31

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Mi 1. Apr 2020, 13:38

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon Sapientius » Mi 1. Apr 2020, 16:01

"Deinde - schließlich": "Denique - schließlich", schließt eine Aufzählung ab: "deinde" dann, darauf, weiterhin setzt sie fort.

Der Textabschnitt ist ein dicker Brocken, nicht leicht zu schlucken.

Heidegger hatte auch Humor; einmal kam von der Uni die Richtlinie, dass die Philosophieprofessoren auch auf die Biographie der Philosophen eingehen sollten; dem wurde H. gerecht: "Aristoteles wurde geboren, lehrte und starb".
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Do 2. Apr 2020, 09:07

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon marcus03 » Do 2. Apr 2020, 09:38

mystica hat geschrieben: Er wirkt auf mich immer, wie ein verschrobener Waldschrat.

:lol: :lol: :lol:
Das ist der Brüller des Monats. Herrlich!
Hanc vocem adhuc numquam audivi.
https://de.wikipedia.org/wiki/Schrat

https://de.wikipedia.org/wiki/Schrat#/m ... 14_256.jpg
https://www.kotte-autographs.com/en/aut ... er-martin/
Die Ähnlichkeit mir dem verschrobenen Schrat Martin H. ist verblüffend!

Gegen allzu verschrobene Schräte hilft wohl nur eine Ladung Schrot in den Hintern oder der Schrottplatz! Das hat er nun von seiner Geworfenheit ins Sein!
Heidegger, ein Philosoph von echtem Schratschrot und zuviel Korn(brand)? ;-)
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Do 2. Apr 2020, 10:39

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Do 2. Apr 2020, 11:04

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon Tiberis » Do 2. Apr 2020, 18:02

mystica hat geschrieben:"Primo ponit differentiam eius quod est esse, ad id quod est. Secundo manifestat huiusmodi differentiam, ibi, ipsum enim esse nondum est. Dicit ergo primo, quod diversum est esse, et id quod est. Quae quidem diversitas non est hic referenda ad res, de quibus adhuc non loquitur, sed ad ipsas rationes seu intentiones. Aliud autem significamus per hoc quod dicimus esse, et aliud: per hoc quod dicimus id quod est; sicut et aliud significamus cum dicimus currere, et aliud per hoc quod dicitur currens. Nam currere et esse significantur in abstracto, sicut et albedo; sed quod est, idest ens et currens, significantur sicut in concreto, velut album".

Hier mein erster Übersetzungsversuch:

"Erstens stellt er dessen Unterscheidung, welcher ist das Sein, zu dem, welches ist. Zweitens zeigt sich deutlich der Unterschied dieser (Seins?)weisen, dort, denn das Sein selbst i s t noch nicht [Sein eines Seienden!]. Er sagt also erstens, dass [color=#FF0000]das Sein verschieden ist[/color], und das, welches ist. Diese Verschiedenheit freilich ist nicht zu referieren (zu beziehen auf) zu der (die) Sache, über welche man bisher nicht spricht, sondern zu den eigenen Gründen und Absichten. Aber wir bezeichnen anderes durch dieses, dass wir sagen, dass es ist, und anderes: durch dieses, dass wir sagen, das, was es ist; wie auch wir bezeichnen anderes, wenn wir sagen, das Laufen, und anderes durch dieses, dass man sagt, laufend. Denn das Laufen und Sein werden im Abstrakten bezeichnet, wie auch durch die weiße Farbe, aber welches ist, das ist seiend und laufend, sie werden bezeichnet im Konkreten, wie das Weiße".


abgesehen von den angemerkten Fehlern, würde ich die Stelle so übersetzen:

Zuerst* setzt(=postuliert) er eine Unterscheidung dessen, was "sein" bedeutet, zu dem, was ist. Zweitens (=in der Folge) macht er die derartige Unterscheidung dort deutlich : denn "das Sein selbst" ist/ gibt es noch nicht. Er sagt also zuerst/zunächst, dass "sein" unterschiedlich ist von "dem, was ist". Diese Unterschiedlichkeit ist hier nicht auf Dinge zu beziehen, von denen er bislang nicht spricht, sondern auf logische Überlegungen bzw. Anstrengungen des Geistes.
Etwas anderes bezeichnen wir ,indem wir sagen "sein", und etwas anderes , indem wir sagen "das, was ist",
so wie wir das eine bezeichnen, indem wir sagen "laufen", und etwas anderes, indem man sagt "ein Laufender". Denn "laufen" und "sein" werden abstrakt bezeichnet, so wie "die Weiße" (=das Weiß- sein"); aber das, was ist, d.i. das Seiende und das/der Laufende, werden konkret benannt, wie z.b. etwas Weißes.
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon Tiberis » Do 2. Apr 2020, 18:14

@ subicitur

die Aussprache ist, wie auch bei den anderen Komposita von iacio, subcio. Dieses gesprochene "j" wurde im MA meist auch geschrieben (ji)
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Do 2. Apr 2020, 19:03

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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon Sapientius » Fr 3. Apr 2020, 10:55

mystica hat geschrieben: ... demonstriert, wie fern er doch dem christlichen Glauben letztlich gestanden haben mag.


Liebe Mystika, hier wäre etwas mehr Freundlichkeit möglich, ich würde nämlich umgekehrt sagen, es demonstriert, wie nahe er dem christlichen Glauben doch noch stand, ein Requiem wurde ja für ihn gefeiert.

Heidegger hat wohl die typisch d. Haltung zur Kirche eingenommen, mit einer Protestantin verheiratet, mit Protestanten wie Bultmann nahe verbunden; wir sind von der Erfahrung des 30jährigen Krieges geprägt und vom westfälischen Frieden, in dem für uns beide Konfessionen gleichberechtigt festgeschrieben wurden, Religion ist seither mehr oder weniger Privatsache; anders ist es etwa in Österreich gelaufen, da kam die Gegenreformation voll zum Tragen, unter Maria Theresia (und dann kam es unter ihrem Sohn Joseph zum Gegenschlag); wieder anders sieht alles aus der römischen Perspektive aus, da ist Luther anscheinend nicht angekommen.
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Re: De ipso esse S. Thomae Aquinatis

Beitragvon mystica » Fr 3. Apr 2020, 13:02

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