von Laptop » Mi 1. Jul 2020, 05:13
Der aufbrausende Kanzelton mag heute schwer erträglich erscheinen, ich glaube aber daß er von älteren Generationen eher als vergnüglich empfunden wurde (und deshalb hatte Stroh damit auch Erfolg). Denn er bedient selbstironisch das alte Klischee des Lateinlehrers der mit erhobenem Zeigefinger auftritt. Leider kommt es mir vor als ob Stroh die Selbstironie wieder vergessen hat. Aber abgesehen von der Aussprache: Was das ganze inhaltlich schwer verdaulich macht, ist daß er die meiste Zeit auf Fehlern herumreitet, und nur vereinzelt mal beiläufig einstreut, wie es eigentlich richtig lauten muß. Ist ein bekannter Psycho-Effekt: Wenn ich jemandem die falsche Vorstellung "Störche sind grün" aus dem Kopf tilgen möchte, rede ich nicht über grüne Störche, sondern über weiße. So richtet sich die Rede eher an die, die ohnehin schon seine Kenntnisse haben, als daß es unterentwickelten Lateinsprechern, wie es fast alle Zuhörer sind, die Hand reicht. Es hat mehr etwas Posierendes, als etwas Handreichendes. Mehr Bühnenauftritt, als nährende Mutterbrust.
SI·CICERONEM·ÆMVLARIS·VERE·NON·VIVAS (get a life!) OBITER·DICTVM·BREVITAS·DELECTAT (keep it short and simple = kiss)