marcus03 hat geschrieben:Pre-modifier are always adverbs - "e.g. extremely, rather, too, very". Post-modifiers are often adverbs, prepositional phrases or certain types of clause. For example, in the adjectival group “very difficult indeed”, “difficult” is an adjective in the head position.
https://en.wikipedia.org/wiki/Grammatical_modifier
Das Zitat macht keine allgemeine Einschränkung des Begriffs
premodifier hinsichtlich der Wortart, sondern entstammt einer Erörterung über englische
Adjectival Groups. Nur in diesem Kontext ist es korrekt, der verlinkte Wikipedia-Artikel hingegen gibt die grundlegende, auch für die Diskussion hier relevante Definition:
a modifier is an optional element in phrase structure or clause structure which modifies the meaning of another element in the structure. For instance, the adjective "red" acts as a modifier in the noun phrase "red ball". Das Präfix pre- ergänzt dies um eine positionale Angabe, wo sich dieses Element aus Sicht des modifizierten Elements findet.
Beim Versuch der Vorstellung, eine (vom Autor bewusst gewählte) diskontinuierliche Wortstellungsstruktur wie das Hyperbaton sei im Lateinischen so etwas wie ein morphosyntaktisches Puzzlespiel mit formalästhetischem Mehrwert (und das Verständnisziel die "korrekte" Zusammensetzung der verstreuten Elemente), eine andere Sicht entgegenzusetzen und eine Typologie von Hyperbata zu erstellen, hat sich die Differenzierung u.a. nach
pre- und postmodifier hyperbata als zweckdienlich erwiesen, um ihre keineswegs beliebigen syntaktischen Regeln und die unterschiedlichen Funktionen, die sie bei der Präsentation von Information erfüllen, besser zu verstehen.
Hyperbaton systematically encodes clearly discernible pragmatic structures in regular patterns across a range of syntactic categories: in addition to the two sentences just cited, Latin allows a red with shirt, of a red the buttons shirt, of a red desirous shirt, Which did he buy shirt?, A far he bought nicer shirt, He bought a red shirt and blue, and so on.
The natural inclination of the English speaker is to put Humpty Dumpty together again by reconstituting a continuous noun phrase (a red shirt, etc.) out of the disiecta membra of hyperbaton. But we shall argue that this inclination should be resisted as another manifestation of the bad old habit of ignoring word order when reading Latin. (A.M. Devine Laurence D. Stephens: Latin Word Order - Structured Meaning and Information)
Was die Syntax angeht, fällt, folgt man Devine & Stephens, das Beispiel aus Vergil unter das erste - simpelste - von vier grundlegenden Mustern: premodifier - verb - modified, hier doppelt zur Anwendung gebracht:
incultis[que] (premodifier a) rubens (premodifier b) pendebit (verb) sentibus (modified a) uva (modified b).
Wozu der ganze Zauber, wenn es sich nicht, was wir bei Vergil nicht annehmen wollen, nur um formalrhetorisches Geprunke oder metrische Notlage handelt?
Meines Erachtens nutzt der Dichter den typischen Effekt solcher
premodifier-Hyperbata, der den Fokus auf die
modifier allein (und nicht wie oft bei anderen Formen auf die Phrase als Ganzes) legt, um die eben nicht über ein typisches Gegensatzpaar (klein - groß) laufende, sondern aus dem Weltwissen über Weinbau fließende antithetische Wirkung zu erzeugen, die er im Kontext einer bukolischen Phantasie vom wiederkehrenden Goldenen Zeitalter benötigt, um sie den anderen erfahrungswidrigen Wundern zuzugesellen (vegane Löwen, Honig aus Bäumen).
Nicht so sehr, dass an Gestrüpp (die Pflanzenart ist, wie Zythophilus, denke ich, zu Recht einwirft, zunächst unerheblich, also vielleicht auch einfach die Wildform der Kulturpflanze) die Traube wächst, ist das Entscheidende, sondern dass sie, obwohl ihr Träger unkultiviert,
rubens sein wird (bzw.
pendebit).
Wäre der Sinn des Verses nur, dass rote Trauben wachsen, wo man sie niemals erwartete, scheint das alles ziemlich überflüssig. Das auch in diesem Faden anklingende Unbehagen an der Redundanz der in die gewöhnliche Ordnung gebrachten Nominalphrase
incultis sentibus (das Gestrüpp ist ja per definitionem unkultiviert), welches manche Kommentatoren durch Emendation lieber beseitigt sehen wollten, wird jedoch durch die diskontinuierliche Wortstellung des Hyperbatons zurückgedrängt, weil sich der Fokus auf die beiden in unmittelbare Nachbarschaft gebrachten
premodifier verschiebt, um besagten Gegensatz aufzubauen, nicht das Selbstverständliche zu betonen.
Das Partizipialadjektiv (rotprangend, wie es u.a. im Georges heißt) erscheint mir in dem Licht auch nicht als beliebiges Synonym anderer Farbadjektive, sondern verweist zurück auf die Semantik des Verbs, von dem es abgeleitet ist, das die kraftvolle Röte mit Aufmerksamkeit beanspruchender Signalwirkung ins Zentrum rückt. Bei
rubere geht es um auf der Erde vergossenes Blut, gerötete Wangen und Augen oder eben pralle Blüten und Früchte, nicht den Abgleich mit der Farbkarte.
Es ergänzt auch die vom unmittelbar anschließenden Verb aufgerufene Vorstellung des Herabhängens. Diese Traube hängt also rotprangend und schwer herab, erzeugt so ein Bild schlaraffischen Überflusses, für den man nicht schuften muss (nicht von ungefähr wie in der Bibel Dtn 6,3 et al. am Beispiel von Wein und Honig vorgeführt) und nicht das von ein paar kümmerlichen roten Trauben, wie sie ein Gestrüpp ohne Zutun produziert - das scheint mir ein solchen Phantasien vom Goldenen Zeitalter, welches die Verse erträumen, wesentliches Versprechen reicher Ernte.